Duisburg. Mit einem Großeinsatz sind Polizei, Zoll, Steuerfahndung und Ordnungsamt gegen kriminelle Clans vorgegangen. Das ist dabei herumgekommen.

Mit einer großangelegten Aktion sind Polizei, Zoll, Steuerfahndung und Ordnungsamt am Samstagsabend gegen kriminelle Clans in Duisburg vorgegangen. Neben gut 200 Ordnungskräften mit dabei: NRW-Innenminister Herbert Reul, der sich gegen 22 Uhr vor der Polizeiwache in Ruhrort mit seinem Dienstwagen in die Fahrzeugkolonne von Team eins einreiht. Erstes Ziel ist eine Gaststätte in Hamborn, ganz in der Nähe des Altmarkts. Team zwei fährt in die andere Richtung davon. Es wird bekannte Clan-Hotspots in Neudorf und Hochfeld kontrollieren.

NRW-Innenminister Herbert Reul begleitet Großeinsatz gegen Clankriminalität in Duisburg

Dem Großeinsatz ist ein Täuschungsmanöver vorangegangen. Bereits am Mittwoch wurden sogenannte Gewerbekontrollen durchgeführt. „Um unser Klientel in Sicherheit zu wiegen. Sie wissen, dass wir einmal in der Woche kommen und rechnen dann nicht mit so einem Einsatz wie am heutigen Samstag“, erklärt ein Polizist bei der Einsatzbesprechung kurz vor dem Start der Aktion. Was als Ablenkungsmanöver gedacht war, wird ein doppelter Erfolg für die Behörden: Die Einsatzkräfte finden Drogen, darunter 14 Bubbles Kokain, stellen Bargeld, Messer und Munition sicher. Und es spricht sich in der Szene herum, was passiert ist. Ziel erreicht also.

NRW-Innenminister Herbert Reul sagt: „Der Kampf gegen die Clans ist eine Daueraufgabe, da müssen wir Jahrzehnte dranbleiben.“
NRW-Innenminister Herbert Reul sagt: „Der Kampf gegen die Clans ist eine Daueraufgabe, da müssen wir Jahrzehnte dranbleiben.“ © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Die Kontrollen am Samstag beginnen schon um sechs Uhr morgens. Vorrangig haben die Einsatzkräfte jetzt Barbershops im Visier. Zwölf Stück kontrollieren sie, vier werden geschlossen. „Entweder ist kein Gewerbe angemeldet oder der Meister fehlt“, erklärt Duisburgs Polizeipräsident Alexander Dierselhuis. Außerdem werden vier Haftbefehle vollstreckt. Eine Person soll ins Gefängnis, weil sie eine Geldstrafe nicht bezahlt hat. Ersatzhaft heißt das im Fachjargon. Die Person bezahlt die fälligen 2100 Euro und kommt so um die Inhaftierung herum.

Der Razzia ist viel akribische Ermittlungsarbeit vorausgegangen

Richtig los geht der Einsatz gegen 22 Uhr. Rund 50 Einsatzfahrzeuge von Polizei, Zoll und Stadt verlassen die Wache in Ruhrort. Es sollen Gebäude kontrolliert werden, in der die Polizei kriminelle Machenschaften vermutet: Teestuben, Spielhallen, Wettbüros, Restaurants, Barbershops und Shisha-Bars. „Vorausgegangen ist eine akribische Polizeiarbeit“, sagt Innenminister Herbert Reul. „Was heute Abend passiert, macht nur einen Bruchteil der Arbeit aus.“ Es fällt wieder das oft zitierte Stichwort „1000 Nadelstiche“. „Wir wollen das Milieu nerven, stören und Unruhe stiften. Natürlich hoffen wir auch, jemanden auf frischer Tat zu ertappen.“

In Hamborn an der Ranenbergstraße, Ecke Alleestraße stürmt das Team einen Laden, der eine Konzession als Schankwirtschaft besitzt. Dass es sich hier aber nicht um eine Gaststätte handelt, wird selbst Laien auf den ersten Blick klar: Es ist eine Spielhalle. Glücksspielautomaten hängen an den Wänden, im Kellergeschoss stehen Tische mit grünem Samtstoff, lediglich ein Kartenspiel liegt herum. Es sind nur drei Männer anwesend. Einer sagt: „Alles korrekte Leute hier.“

Spielautomaten werden genau unter die Lupe genommen. Sind sie angemeldet? Wurden sie manipuliert?
Spielautomaten werden genau unter die Lupe genommen. Sind sie angemeldet? Wurden sie manipuliert? © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Gegen Bezahlung mit der Playstation spielen: Das ist illegal

Polizeidirektor Christian Draeger, der Einsatzleiter der Razzia, kommt schnell zu einem anderen Ergebnis: „Hier ist mehr, als es gerade aussieht.“ Da wäre die mit einem Münzautomaten ausgestattete Playstation. Eine solche gewerbliche Nutzung ist verboten. „Mit der Playstation locken sie Kunden an, denn die Geräte sind teuer und waren lange gar nicht zu bekommen. Inzwischen haben viele Objekte, die wir überprüfen, eine Playstation.“ Diese moderne Form der Kundenbindung kostet die Spieler mal drei, mal fünf Euro die Stunde.

Dann wären da die zahlreichen Kameras, die von allem, was im und vor dem Gebäude passiert, gestochen scharfe Bilder liefern. Die Qualität der Aufnahmen nötigt selbst dem Minister Respekt ab. Aber: Öffentlichen Raum zu filmen, ist illegal. Datenschutz. Nach einer Stunde steht fest: Zumindest die untere Etage wird geschlossen und mehrere Glücksspielautomaten werden zur weiteren Überprüfung einkassiert.

Auch Passanten im Umfeld der verdächtigen Gebäude wurden überprüft.
Auch Passanten im Umfeld der verdächtigen Gebäude wurden überprüft. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Vieles wird erst in den nächsten Wochen ans Licht kommen. Dazu trägt auch die Steuerfahndung bei. „Sie ist unsere schärfste Waffe“, plaudert ein Beamter aus dem Nähkästchen. „Die Kollegen haben immer einen Treffer, wenn sie die Bücher prüfen. Das tut unseren Klienten so richtig weh.“

Der Einsatztross zieht weiter nach Beeck in eine offiziell angemeldete Spielhalle an der Lehnhofstraße. Auch hier erstaunlich wenig Gäste. Hinter jedem Gast positioniert sich ein schwer bewaffneter Polizist, die einzige Aufsicht sitzt verschüchtert an ihrem Kassenhäuschen, während die Einsatzkräfte routiniert Papiere checken, Räume und Spielautomaten inspizieren.

Der Eingang zu einem zweiten Raum ist in der Beecker Spielhalle als Café getarnt

Interessant ist, was sich in einem kleinen Raum über dem Hof abspielt: Hier hängen verschiedene Automaten, den Raum erreicht man auch durch ein Rollgitter, das heruntergelassen ist. Minister und Polizeipräsident machen sich auf den Weg, sich das Tor von außen anzugucken. Siehe da: Von der Straße aus wirkt der Eingang wie eine Tür zu einem Café. Sein Tarnname: de Maria. Heute Nacht ist es aufgeflogen. Einsatzleiter Draeger erklärt den Sinn der Verschleierung: „In einer Spielhalle muss es in jedem Raum eine Aufsicht geben. Das spart man sich so.“ Also auch hier nicht alles so, wie es sein sollte.

>> Die Bilanz der Razzia zeigt viele kleine Nadelstiche gegen die Bandenkriminalität auf

  • Die Bilanz des Einsatzes aus Sicht der Polizei: 23 Gewerbeobjekte seien kontrolliert worden. Die Ordnungskräfte waren unter anderem in Neudorf, Hochfeld, Hamborn, Beeck und Beeckerwerth unterwegs. Zwei Personen wurden vorläufig festgenommen, acht Haftbefehle vollstreckt. Die Beamten haben 16 Strafanzeigen und 16 Ordnungswidrigkeitenanzeigen geschrieben, 20 Verwarngelder und fünf Fahrverbote ausgesprochen. Laut Polizei sind Drogen, ein Teleskop-Schlagstock und drei illegale Spielgeräte sichergestellt worden.
  • Zoll und Stadt vermelden vier Strafanzeigen, 30 Ordnungswidrigkeitenanzeigen, acht Verwarngelder und zwei versiegelte Geldspielgeräte. Sechs Betriebe wurden geschlossen. Außerdem konnten ausstehende Rückstände in Höhe von 10.000 Euro vollstreckt werden.
  • Auch wenn der ganz große Coup ausgeblieben ist, zeigt sich die Innenminister zufrieden: „Wir fangen nicht jedes Mal die dicken Fische. Aber wir stören. In Duisburg sind ganz unterschiedliche Verstöße ans Licht gekommen. Viele, viele kleine, die aber dafür sprechen, dass hier Leute unterwegs sind, die meinen, sie können machen, was sie wollen. Das lassen wir nicht zu.“