Duisburg. Das Publikum hat in der Mercatorhalle einen russischen Konzert-Abend mit den Philharmonikern erlebt. Die Wahl der Dirigentin wirft Fragen auf.
Beim ersten Blick auf den Programmzettel des Philharmonischen Konzertes, zwei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, stockt man. Hatten die Philharmoniker vor einem Jahr ein Solidaritätskonzert für die Ukraine veranstaltet, wird nun in der Mercatorhalle ein rein russisches Programm gespielt. Beim zweiten Blick erkennt man dann aber, dass alle Komponisten des Abends unter der von Putin verherrlichten UdSSR zu leiden hatten.
Der Abend beginnt mit gleich zwei Konzerten für Violoncello und Orchester: Das selten gespielte von Mieczyslaw Weinberg, das in diesem Konzert sogar seine Duisburger Erstaufführung erlebt, und das 1. Konzert von Dmitri Schostakowitsch, das zu den großen Klassikern der Gattung gehört. Als Solist steht Alban Gerhardt auf dem Podium, der aktuelle „Artist in Residence“ der Philharmoniker.
Philharmoniker: Cello-Konzert ist lyrisch und melancholisch
Weinberg war immer wieder von den russischen Behörden drangsaliert worden: Sein 1948 komponiertes Cello-Konzert wurde erst 1957 uraufgeführt. In Duisburg kennt man Weinberg als Komponisten der Oper „Masel Tov! Wir gratulieren!“, die hier 2021 gespielt wurde. Sein Cello-Konzert ist weitgehend lyrisch und melancholisch angelegt, hat langsame Rahmensätze. Alban Gerhardt spielt das Stück mit einem warmen und vollen Cello-Ton.
Der Solist zeigt sich, auch wenn er gegen das gesamte Orchester anspielt, dynamisch sehr durchsetzungsfähig und glänzt in der hohen Lage mit einer singenden Tongestaltung. Auch im Orchester dominiert der füllige Klang der Streicher. Am Pult der Duisburger Philharmoniker steht die in Neuseeland lebende Dirigentin Tianyi Lu, die den Abend mit klarer Schlagtechnik und fast tänzerischen Bewegungen leitet.
Mit fast panischer Virtuosität erklingt das Finale
Bei der Aufführung von Dmitri Schostakowitschs 1. Cello-Konzert steigern sich Solist und Orchester noch: Die Philharmoniker spielen unter Tianyi Lus Dirigat mit bissigem Witz in grellen Farben auf, während das Cello virtuos voran galoppiert. Besonders das Solo-Horn ist ein starker Mit- und Gegenspieler zum Cello. Mit fast panischer Virtuosität erklingt das Finale, nach dem besonders Solist Alban Gerhardt mit großem Jubel gefeiert wird. Der bedankt sich mit einem Bach-Solo als Zugabe.
Igor Strawinsky kehrte Russland schon früh den Rücken, lebte erst in Frankreich und später in den USA. Seine Musik zum Ballett „Petruschka“ braucht eigentlich auch den Tanz, um die inhaltlichen Feinheiten der Musik, die mit filmischer Rasanz die Stimmungen ändert, zu verstehen.
Bei dieser grandiosen Aufführung unter Tianyi Lu wird aber schnell klar, welch ein Fest für das Orchester diese Musik ist. Wenn das Kontrafagott verschlafen vor sich hin trötet, die Oboen fröhlich los schnattern und die Trompeten grell schmettern, ist man von Strawinskys Kompositions- und Instrumentationskünsten begeistert. Manchmal schimmert in dieser Musik auch schon die Bosheit des kurz darauf entstandenen „Sacre du printemps“ durch, aber weitgehend erlebt man hier eine fröhliche und absurd ausgelassene Jahrmarktsmusik. – Viel Beifall für Dirigentin Tianyi Lu und die bestens aufgelegten Duisburger Philharmoniker.
>> UNGEWÖHNLICHE PROJEKTE & PROGRAMM
- Ungewöhnliche Projekte und Programme prägen die Konzerte der Duisburger Philharmoniker in den nächsten Wochen:
- Am 2. März treten beim „Philharmonic Slam“ Kammermusik-Ensembles und Slam-Poeten in der Mercatorhalle gegeneinander an.
- Am 3. März sind im Kammerkonzert ein Harfen- und ein Tubaquartett zu erleben. Am 22. März wird schließlich eine philharmonische Debatte ausgefochten, ob absolute Musik oder Programmmusik besser seien?