Duisburg. Fünftägige Aufnahme in der Mercatorhalle: Für ihre neue CD haben die Duisburger Philharmoniker enormen Aufwand betrieben.

Fingerdicke Kabel verlaufen durch die Korridore der Mercatorhalle, von der Bühne im großen Saal bis zu einem kleinen Raum am anderen Ende der Flure. Hier verfolgt Holger Urbach das Spiel des Orchesters, das er für Korrekturen immer wieder unterbricht. Der international gefragte Tonmeister ist nach Duisburg gekommen, um die neue CD der Philharmoniker aufzunehmen – ein aufwendiger Prozess, der erst im kommenden Jahr abgeschlossen sein wird.

„Lobgesänge“ lautete im Oktober der Titel des zweiten Philharmonischen Konzerts dieser Spielzeit, mit Felix Mendelssohn Bartholdys Kantate 42. Psalm „Wie der Hirsch schreit“ und seiner Sinfonie Nr. 2 „Lobgesang“. Bei der Generalprobe am Mittag davor herrscht auf der Bühne dichtes Gedränge: für die Stücke werden neben einer großen Orchesterbesetzung auch Solisten sowie ein Chor benötigt.

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Es ist die vierte Probe vor dem Konzert, das selbst zweimal stattfindet – für Holger Urbach bedeutet das sechs Gelegenheiten zur Aufnahme an fünf Tagen.

Mercatorhalle wird für CD-Aufnahme aufwendig verkabelt

Rund 30 Mikrofone hat er dafür auf der Bühne installiert, sie an Ständern angebracht, manche hängen von der Decke. Für jedes Mikrofon wird eine eigene Spur aufgenommen, die der Tonmeister an seinem Laptop einzeln empfängt.

Während das Orchester spielt, Solisten und Chor singen, macht sich Urbach Notizen in der Partitur. Mendelssohns Kompositionen kenne er genau, „das ist für mich Standardrepertoire“. Nur bei neuer oder ausgefallener Musik müsse er vorher die Noten studieren und sich erst einmal intensiv mit den Stücken auseinandersetzen: „Ich höre mir dann auch andere Aufnahmen an und finde heraus, an welchen Stellen es heikel werden kann.“

Die Kabel aller Mikrofone laufen in dem Raum zusammen, in dem Holger Urbach die Proben und Konzerte verfolgt.
Die Kabel aller Mikrofone laufen in dem Raum zusammen, in dem Holger Urbach die Proben und Konzerte verfolgt. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Wie der Dirigent, hat auch der Tonmeister eigene Vorstellungen davon, wie die Musiker auf der Bühne positioniert sein sollen. Die ideale Aufstellung für den Konzertsaal ist nicht immer auch für eine Aufnahme ideal – im Austausch mit dem Dirigenten hat Holger Urbach jedoch ein starkes Argument auf seiner Seite: „Wenn im Konzert etwas nicht hundertprozentig passt, ist das schnell wieder vergessen. Die CD dagegen ist ein Dokument für die Ewigkeit.“

Während der Aufnahmen muss er vor allem eines: gut zuhören. „Es ist der Job des Tonmeisters, permanent auf der Hut zu sein, gerade bei einem so komplexen Werk.“ Stört sich Urbach an einer Stelle, meldet er sich per Mikrofon, beim Dirigenten leuchtet ein rotes Licht auf. Der Tonmeister mahnt dann etwa ein präziseres Zusammenspiel an, wenn Chor und Orchester nicht ganz so synchron sind, wie er sich das vorstellt, „ein ganz normales Problem“.

Langer Produktionsprozess bis zum Erscheinen der CD

Während der Konzerte freilich sind keine Unterbrechungen mehr möglich. Dennoch sollen sie am Ende die Basis der CD bilden: „Beim Konzert herrscht eine besondere Spannung, der Adrenalinspiegel aller Beteiligten ist höher“, erklärt Urbach. Dennoch sei es ein willkommener Luxus, wenn man bereits nach den Proben in der Lage wäre, eine CD zu veröffentlichen: „Bei den Konzerten können Dinge passieren, auch wegen dieser Aufregung, oder durch Geräusche aus dem Publikum, die ich hinterher nur bedingt rausrechnen kann.“

Nach den Konzerten beginnt die Post-Produktion. Urbach kommt dann mit einer Festplatte voller Mitschnitte nach Hause. „Wie ich schneiden will, habe ich schon während der Aufnahmen in der Partitur notiert. Sonst hätte ich hinterher die doppelte Arbeit.“

Tonmeister Holger Urbach macht sich während der Aufnahmen Notizen in der Partitur.
Tonmeister Holger Urbach macht sich während der Aufnahmen Notizen in der Partitur. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Anhand seines Schnittplans setzt Urbach die Aufnahmen zusammen. Daraus resultiert der „First Edit“, den er mit dem Dirigenten, gegebenenfalls auch mit beteiligten Musikern hört. Je nach Korrekturwünschen folgt ein Second, manchmal auch ein Third oder Fourth Edit, „so lange, bis alle glücklich sind“. Am Ende steht mit Abmischung und Mastering die Feinarbeit, bevor die fertige Produktion an das Label geht.

Die Post-Produktion dauere „mindestens so lang, wie die Aufnahme selbst“, sagt Holger Urbach. Sein Auftragsbuch ist zudem voll, und so wird auch die Mendelssohn-CD der Duisburger Philharmoniker noch auf sich warten lassen: Die Konzerte fanden am 25. und 26. Oktober statt – die CD kann, wenn alles gut geht, im Frühling 2024 erscheinen.

>>TONMEISTER: WELTWEIT MIT ORCHESTERN UNTERWEGS

Wie wird man überhaupt Tonmeister? „Es gibt viele Wege“, sagt Holger Urbach. Der klassische Weg sei der einschlägige Studiengang, der an drei Hochschulen angeboten wird. Er selbst habe sowohl Orchestermusik als auch Tontechnik studiert, verbindet also künstlerisches Verständnis mit den Fähigkeiten eines Toningenieurs.

Holger Urbach arbeitet mit Orchestern auf der ganzen Welt zusammen. Zurzeit liege sein Schwerpunkt bei der Tschechischen Philharmonie in Prag – „die Stadt ist für mich ein zweites Zuhause geworden“.