Duisburg. Die Sanierung des maroden Theaters oder ein Neubau würde viele Millionen verschlingen. Braucht Duisburg die Spielstätte überhaupt? Eine Analyse.
Wird Duisburgs Theater saniert oder doch gleich neu gebaut? Das Gutachten, welches der Stadt seit Herbst vorliegt, zeigt dringenden Handlungsbedarf. Eine zehn Jahre dauernde Sanierung wird mit 230 Millionen Euro veranschlagt. Für einen Teilabriss mit Neubau rechnet man mit fünf Jahren Bauzeit. Diese Zahlen werfen Fragen auf: Braucht Duisburg wirklich das Theater? Könnten Oper und Ballett sowie das Schauspiel mit seinem Jugendclub Spieltrieb nicht andere Spielstätten nutzen, die bereits existieren?
Viele Alternativen gibt es jedenfalls nicht. Die Mercatorhalle liegt direkt gegenüber und besitzt ein großes Konzertpodium. Als das Theater im Frühjahr 2019 durch einen Wasserschaden schwer beschädigt war, führte die Deutsche Oper am Rhein in der Mercatorhalle Wagners „Ring des Nibelungen“ auf – allerdings nur konzertant.
Oper: Bühnenbilder müssen an in Duisburg und Düsseldorf gezeigt werden können
Denn Ober- und Untermaschinerie sowie Seitenbühnen gibt es hier nicht. Szenische Versuche der Duisburger Philharmoniker wie mit Robert Schumanns „Szenen aus Goethes Faust“ haben gezeigt, wie begrenzt hier die technischen und szenischen Möglichkeiten sind.
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Die Stadthallen wie Rheinhausenhalle, Glückauf-Halle in Homberg oder die Walsumer Stadthalle, aber auch der Huckinger Steinhof scheiden aufgrund ihrer kleinen Bühnen von vorneherein als Alternativen aus. Entscheidend sind nämlich die Maße der Bühne und die technische Ausstattung.
So ist die Bühne des Duisburger Theaters 17,5 Meter breit und 17 Meter tief. Um schnelle Umbauten durchzuführen und Kulissen zu lagern, hat der Bau zusätzlich zwei Seitenbühnen, die jeweils eine Größe von 16 mal 7,5 Metern aufweisen.
Wichtig ist, dass die Bühnenbilder der Rheinoper an ihren beiden Spielstätten gezeigt werden können, also sowohl in Düsseldorf als auch in Duisburg. Zum Vergleich: Die Bühne des Düsseldorfer Opernhauses ist 16 Meter breit und 12,7 Meter tief. Zwar besitzt dieses Theater nur eine linke Seitenbühne, dafür aber eine Hinterbühne, beide verfügen über die Maße 14 mal 12,5 Meter.
Kommt das Duisburger Theater am Marientor als Ersatz in Frage?
Für Umbauten und szenische Effekte besitzen beide Theater eine Drehbühne mit einem Durchmesser von elf Metern. Das Duisburger Theater ist mit sechs, das Düsseldorfer Opernhaus mit fünf fahrbaren Hubpodien ausgestattet. Würde ein renoviertes oder neu gebautes Theater nicht über eine entsprechende Bühnengröße und technische Ausstattung verfügen, könnte die Rheinoper ihre Inszenierungen nicht mehr in Duisburg spielen.
Eine naheliegende Ersatzspielstätte wäre das 1996 eröffnete Theater am Marientor (TaM). Das war von 2002 bis 2007 und dann noch einmal von 2012 bis 2016 Spielstätte der Duisburger Philharmoniker, weil die neue Mercatorhalle gebaut beziehungsweise renoviert wurde.
Auch die Deutsche Oper am Rhein nutzte das TaM bereits, von September bis Dezember 2001, wegen eines technischen Umbaus im Stadttheater. Was die Bühnengröße betrifft, sind die Produktionen der Oper dort spielbar, auch gibt es einen Bühnenturm mit Obermaschinerie.
Jedoch ist dieses Theater speziell für die technischen Bedürfnisse des Musicals „Les Misérables“ gebaut worden, das eigentlich 20 Jahre laufen sollte. Das hat zur Folge, dass der Orchestergraben für große Opern zu klein ist. Im Herbst 2001 liefen im TaM deshalb nur Operetten wie „Der Vogelhändler“ und „Die lustige Witwe“. Die orchestral größte Produktion, die dort gespielt wurde, war Tschaikowskys „Schwanensee“.
Philharmonie: Teile des Publikums haben das TaM gemieden
Das Marientor-Theater verfügt über keine Untermaschinerie mit Drehbühne und Hubpodien, was für eine Bespielung mit Opern unbedingt notwendig ist. Weiteres Manko: Es gibt nur eine linke Seitenbühne, von der bei „Les Misérables“ die große Barrikade hereingefahren wurde. Eine Hinterbühne und rechte Seitenbühne fehlen.
Auch müsste der Zuschauerraum eine Holzverkleidung bekommen, um eine operntaugliche Akustik zu erlangen. Unter den aktuellen Bedingungen bräuchten die Sänger eine elektroakustische Verstärkung.
Mit aufwendigen Umbauarbeiten wäre das TaM vielleicht operntauglich. Die Jahre, in denen die Duisburger Philharmoniker hier gespielt haben, haben aber auch gezeigt: Teile des Publikums waren nicht bereit, die Übergangsspielstätte zu besuchen.
Während das Stadttheater zentral am König-Heinrich-Platz liegt, befindet sich das Theater am Marientor in der Randlage der Innenstadt. Bei einem Haus, das mit 1524 Plätzen ein um über 400 Sitze größeres Fassungsvermögen besitzt, würde dies automatisch zu einer prozentual wesentlich geringeren Auslastung führen.
Kann Duisburg Lehren aus der Kölner Opern-Sanierung ziehen?
Eine letzte Möglichkeit wäre die Kraftzentrale des Landschaftsparks. Die Rheinoper nutzte auch diesen Ort schon einmal; dort kamen im Herbst 1998 Richard Wagners „Das Rheingold“ und „Die Walküre“ heraus. Auch die Ruhrtriennale spielt regelmäßig im Sommer in der Kraftzentrale.
Bei der Größe der Halle könnten Bühnenbilder und Zuschauertribünen problemlos aufgebaut werden. Es fehlen allerdings Obermaschinerie, Drehbühne und Versenkungen. So könnten nur Einheitsbühnenbilder, die minimal verändert werden, zum Einsatz kommen.
Lohnenswert ist ein Blick auf die Renovierung der Kölner Oper. Eigentlich sollte das Haus in den Jahren 2012 bis 2015 für 253 Millionen Euro erneuert werden. Die Renovierung dauert mittlerweile zwölf Jahre; sie soll im Sommer 2024 beendet sein, wobei sich die Kosten auf über eine Milliarde erhöht haben.
Die in Köln genutzten Übergangsspielstätten zeigen erstaunliche Parallelen zu den denkbaren Alternativen in Duisburg. In den Jahren 2013 bis 2015 spielte die Oper im Musicaltheater am Kölner Hauptbahnhof, das mit dem Theater am Marientor vergleichbar ist.
Stadt Duisburg hält sich bei der Frage nach Alternativen zurück
Immerhin konnten dort auch große Repertoirestücke wie Wagners „Parsifal“ oder Verdis „Otello“ gespielt werden. Neun große Operninszenierungen waren hier pro Saison möglich, die aber immer nur in Serie gespielt wurden – während einer Serie konnten keine weiteren Stücke zur Aufführung kommen.
Seit 2015 nutzt die Kölner Oper das Staatenhaus, eine alte Messehalle in Deutz, die in ihren Dimensionen der Kraftzentrale des Landschaftsparks ähnelt. Ähnlich wie die Kraftzentrale ist diese Halle so groß, dass sie in zwei Spielstätten aufgeteilt werden kann. Dadurch ist es möglich, in der gleichen Zeit im täglichen Wechsel zwei verschiedene Opern aufzuführen. Die meisten Produktionen werden aber in einem Einheitsbühnenbild gespielt.
Die Positionierung des Orchesters ist bei jeder Neuproduktion anders. Mal sitzen die Musiker seitlich von der Bühne, mal davor, mal dahinter. In der aktuellen Saison spielt die Kölner Oper unter diesen widrigen Bedingungen zwölf verschiedene große Opern und zusätzlich sechs Kinder- und Kammeropern.
Die Stadt Duisburg will alternative Spielstätten zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht prüfen. Auch zu Übergangslösungen, wenn das Theater während der Bauphasen geschlossen wäre, will man sich zumindest öffentlich noch nicht äußern. Stadtsprecherin Gabi Priem sagt dazu: „Der Prozess einer möglichen Sanierung befindet sich im Anfangsstadium, sodass weder Zeitpunkt noch Zeitraum eventuell notwendiger Ersatz- oder Interimsspielstätten annähernd feststehen.“
Opern-Direktorin will Duisburgs Theater unbedingt erhalten
Im Fortgang des Projekts, ergänzt Priem, wären solche Entscheidungen dann „in Abstimmung mit allen Nutzern und den dann gegebenen Kapazitäten anderer Veranstaltungshallen, gegebenenfalls auch unter Anpassung des eigenen Spielplans, im Detail zu prüfen“.
Alexandra Stampler-Brown, Geschäftsführende Direktorin der Deutschen Oper am Rhein, nimmt derweil eine klare Position für das Theater ein: „Duisburg hat viele Orte für Kultur, aber nur ein Stadttheater. Das Theater Duisburg ist als zentrales, denkmalgeschütztes Gebäude und Spielstätte für Schauspiel, Oper und Ballett im Herzen der Stadt nicht wegzudenken.“