Duisburg. Ein Gutachten zieht Bilanz der Schäden am Duisburger Stadttheater. Die für die Sanierung fällige Summe übersteigt die schlimmsten Befürchtungen.

Das Stadttheater Duisburg ist ein Sanierungsfall. Dass die Schäden noch massiver sind als befürchtet, offenbart ein Gutachten, das am Freitag dem Kultur- und IMD-Ausschuss sowie der Bezirksvertretung Mitte vorgestellt wurde.

Noch mehr als die von Gutachter Marc Sommer ermittelten Ergebnisse erschreckt die Summe, die allein notwendig ist, um das Opernhaus auf den Stand der Technik zu bringen und alle Mängel zu beseitigen: 180 bis 230 Millionen Euro.

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Seine Kostenschätzung habe er mit zehn bundesweit ähnlichen Theater-Sanierungen abgeglichen. „Alle bewegen sich in dieser Größenordnung“, sagt Sommer. Dabei würde bereits die „kleine Lösung“ bis zu 230 Millionen Euro erfordern, betont der Bauingenieur.

Ein statisches Abenteuer nennt Gutachter Marc Sommer das stählerne Tragwerk unter dem maroden und undichten Dach des Stadttheaters. Eingriffe in die Konstruktion, an der weitere Einbauten aufgehängt sind, lösen weitere Umbauten aus.
Ein statisches Abenteuer nennt Gutachter Marc Sommer das stählerne Tragwerk unter dem maroden und undichten Dach des Stadttheaters. Eingriffe in die Konstruktion, an der weitere Einbauten aufgehängt sind, lösen weitere Umbauten aus. © Marc Sommer, Rebuild.ing Ingenieurgesellschaft

Kulissen: Duisburger Bühnenportal ist mit Düsseldorf nicht kompatibel

Deutlich teurer wäre der Umbau zu einem barrierefreien Haus mit einer Erweiterung des nur 11,60 Meter breiten Bühnenportals, das einen problemlosen Umzug der Kulissen aus dem Haus in Düsseldorf (16 Meter Breite) erlauben würde.

Noch mehr Millionen wären für eine „große Lösung erforderlich“ – Sanierung und Umbau auf den Stand der Partner der Deutschen Oper am Rhein. Düsseldorf plant gerade ein neues Opernhaus – die Baukosten werden sich wohl auf eine Milliarde Euro belaufen.

Selbst Teilabriss mit Denkmalschutz kaum vereinbar

Die Duisburger Variante „Neubau statt Sanierung“ lässt das städtische Immobilien-Management IMD gerade in einem weiteren Gutachten untersuchen. Auch das wird ein schwieriges Unterfangen: Selbst ein Teilabriss des Bühnen- und Publikumsbereichs ist mit dem Denkmalschutz kaum vereinbar. Unter Schutz steht das Gebäude-Ensemble Stadthaus/Stadttheater/Duisburger Hof.

Ein Jahr lang hat der in Rheinhausen gebürtige Bauingenieur der Rebuild-Ingenieurgesellschaft das Haus, Baujahr 1912, unter die Lupe genommen. Netze, die an der Rückseite des Stadttheaters seit bald zehn Jahren vor herabstürzenden Gebäudeteilen schützen, geben eine Ahnung von einem Zustand. Den beschreibt Marc Sommer so: „Je weiter man in die nichtöffentlichen Bereiche geht, desto größer die Schäden.“

Zu klein, zu eng, zu laut: Die Größe des Orchestergrabens im Duisburger Stadttheater ist mit dem Arbeitsschutz nicht mehr vereinbarbar.
Zu klein, zu eng, zu laut: Die Größe des Orchestergrabens im Duisburger Stadttheater ist mit dem Arbeitsschutz nicht mehr vereinbarbar. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Gutachter: Jeder Eingriff löst einen Rattenschwanz von Änderungen aus

Dabei seien äußerlich sichtbare Betonschäden „kein K.o.-Kriterium“. Doch schon das undichte Dach nennt der Gutachter „statisch betrachtet ein Abenteuer“:

Das stählerne Tragwerk sei „baurechtlich kein konformer Zustand“. Bautechnisch knifflig sei vor allem die Verbindung mit anderen Baugruppen, etwa die abgehangene Saaldecke und Beleuchterbühnen über dem Zuschauerraum. Marc Sommer: „Jeder Eingriff bringt einen Rattenschwanz von weiteren Änderungen mit sich.“

Der zu kleine, unbelüftete Orchestergraben ist eine weitere Problemzone: Die Lautstärke der dicht gedrängten Musiker ist mit dem Arbeitsschutz nicht vereinbar. Eine Verbreiterung hätte aber automatisch auch Auswirkungen auf Bühne, Zuschauerraum, Akustik. Und auf die Lüftungstechnik: „Da sind alle Geräte vor 1960 eingebaut, es gibt keine Mess- und Regeltechnik, sie sind hygienisch bedenklich und energetisch katastrophal“, so Sommer. Ähnlichen alt sind Heizung und Trinkwasser-Versorgung.

Zwischendecke über dem Foyer verdeckt Tonnengewölbe

Die wichtigsten kritischen Punkte einer langen Liste: Die fehlende Barrierefreiheit, Wasserschäden bis in den Keller, ungenutzte Treppenhäuser, die nicht mehr zeitgemäße Anlieferung mit störungsanfälligem Lastenaufzug und ein Probenraum, der nicht vom Orchester, sondern als Lager genutzt wird. Den Blick auf das Tonnengewölbe über dem Foyer verdeckt eine Zwischendecke, die als Lagerfläche dient.

„Das ließe sich alles offener gestalten, man könnte in Treppenhäuser Aufzüge einbauen und auch die Akustik optimieren“, sagt der Gutachter. Das sei, wie so oft, eine Frage des Geldes.

>> BETRIEBSERLAUBNIS STEHT IM FRÜHJAHR AUF DEM PRÜFSTAND

  • Weil die Entscheidung über die Zukunft des Stadttheaters und die Planung Zeit brauchen, geht’s zunächst aber um die Überbrückung der nächsten fünf bis sieben Jahre und die Frage: Kann der Betrieb mit den bestehenden Mängeln aufrecht erhalten werden, ohne die Betriebserlaubnis für das Gebäude zu verlieren? Auch damit hat sich Marc Sommer beschäftigt.
  • Spannend wird’s bereits im Frühjahr 2024, da steht die nächste turnusmäßige Begehung durch die Bauordnung an. Beanstandungen hinsichtlich des Brandschutzes beim Dach-Tragwerk seien absehbar, sagt IMD-Chef Winand Schneider: „Wir hoffen auf eine Verlängerung der Betriebserlaubnis unter Auflagen.“
  • Das würde bedeuten, dass weitere Brandmelder eingebaut, bei Vorstellungen möglicherweise Brandwachen aufgestellt werden müssen.