Duisburg. Die Betriebsratswahl bei Thyssenkrupp in Hamborn/Beeckerwerth wird wiederholt. Warum das Landesarbeitsgericht diese Entscheidung gefällt hat.

Die Betriebsratswahl bei Thyssenkrupp Steel (TKS) am Standort Hamborn/Beeckerwerth vom April 2022 ist unwirksam. Das hat am Montag das Landesarbeitsgericht (LAG) entschieden. Der Grund: Die Art und Weise, in der Informationen zur Wahl in 14 Sprachen zur Verfügung gestellt wurden, ist für das Gericht nicht ausreichend. Deshalb soll nun im Frühjahr neu gewählt werden.

Es ist nicht der erste Vorgang dieser Art: Bereits bei der Wahl 2018 war die Zahl der Sprachen Grund für eine Anfechtung durch eine Wahlliste. Damals hatte das Arbeitsgericht Duisburg aber noch entschieden, dass die Unterrichtung vollkommen in Ordnung war, erinnert die IG Metall Duisburg-Dinslaken in einer Pressemitteilung.

Landesarbeitsgericht bestätigt Beschluss des Duisburger Arbeitsgerichts

Nach der Wahl im April 2022, bei der die IG Metall 30 von 39 Mandaten (+3) geholt hatte, fochten Vertreter konkurrierender Listen die Wahl erneut an. Wieder war die sprachliche Vielfalt in der Wahlausschreibung ein Argument. Im April 2023 aber gab das Duisburger Arbeitsgericht der Anfechtung statt und erklärte die Wahl für unwirksam, Betriebsrat und Unternehmen legten Beschwerde bei der nächsthöheren Instanz ein.

Das LAG folgte im Wesentlichen der Duisburger Argumentation. Die 10. Kammer erkannte einen Verstoß gegen § 2 Abs. 5 Wahlordnung zum Betriebsverfassungsgesetz, eine wesentliche Wahlvorschrift. Demnach müssen ausländische Mitarbeitende über Wahlverfahren, Aufstellung der Wähler- und Vorschlagslisten, Wahlvorgang und Stimmabgabe in geeigneter Weise unterrichtet werden.

Nach der Betriebsratswahl bei Thysssenkrupp Steel im April 2022 wurde Tekin Nasikkol (r.) zum Vorsitzenden des Betriebsrats in Hamborn/Beeckerwerth gewählt. Als er im vergangenen Sommer Chef des Konzernbetriebsrats wurde, übernahm sein Stellvertreter Ali Güzel (l.).
Nach der Betriebsratswahl bei Thysssenkrupp Steel im April 2022 wurde Tekin Nasikkol (r.) zum Vorsitzenden des Betriebsrats in Hamborn/Beeckerwerth gewählt. Als er im vergangenen Sommer Chef des Konzernbetriebsrats wurde, übernahm sein Stellvertreter Ali Güzel (l.). © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Kritik: 14 Sprachen lediglich aufgelistet und Ansprechpartner genannt

„Das ist nicht erfolgt“, erläutert Dr. Michael Gotthardt, Richter und Sprecher, die Sicht des LAG. In einer Anlage „Information Fremdsprachen“ zum Wahlausschreiben seien 14 Sprachen lediglich aufgelistet und um einen Satz und drei Namen ergänzt worden: „Wenn sich Fragen zu diesem Vorgang ergeben, wenden Sie sich umgehend an die unten aufgeführten Ansprechpartner.“

Dass ausländische Mitarbeitende bei diesen Ansprechpartnern weitere Informationen in ihrer Muttersprache oder einer anderen Fremdsprache erhalten oder einen Dolmetscherdienst in Anspruch nehmen konnten, sei daraus nicht ersichtlich, befand die Kammer. Der Wahlvorstand sei somit seiner Bringschuld nicht gerecht geworden.

Betriebsrat bleibt weiter geschäftsführend im Amt

Um zu vermeiden, dass es eine betriebsratslose Zeit gibt, wird der Betriebsrat eine geordnete Neuwahl des Gremiums einleiten, teilt die Gewerkschaft mit. Die Wahl soll im Frühjahr stattfinden. Der aktuell gewählte Betriebsrat bleibt bis dahin geschäftsführend im Amt, heißt es weiter. Alle bisherigen und künftigen Entscheidungen, Beschlüsse und Vereinbarungen des Betriebsrates seien wirksam.

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„Wir werden die Verantwortung übernehmen und die Neuwahl des Gremiums einleiten, um im Anschluss wieder das tun zu können, wofür wir als IG Metall-Betriebsräte gewählt wurden: Die Interessen der über 13.000 Kolleginnen und Kollegen zu vertreten“, sagt Ali Güzel, der Betriebsratsvorsitzende.

IG Metall spricht von einem „schlechten Zeitpunkt“

Für Karsten Kaus, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Geschäftsstelle Duisburg-Dinslaken, kommen die Neuwahlen zu einem „denkbar schlechten Zeitpunkt“. Der Fokus müsse mehr auf die Zukunft des Standorts gerichtet werden: „Die Zeit und Energie, die uns dadurch genommen wird, wäre besser für die wichtigen Zukunftsthemen investiert worden: Wie stemmen wir die soziale und ökologische Transformation? Wie geht es mit dem Konzern weiter?“, sagt Kaus. Die Neuwahlen sollen von der Gewerkschaft begleitet werden.

ARBEITSGERICHT: DEUTSCH ALS WERKSSPRACHE SPIELT KEINE ROLLE

  • Dass Deutsch „Werkssprache“ sei und ausländische Mitarbeitende Deutsch auch bei Unterweisungen verstehen müssten, sei unerheblich, erklärt das Landesarbeitsgericht: „Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass diese Kenntnisse ausreichen, um komplizierte Wahlvorschriften verstehen zu können.“
  • Auch auf die Entscheidung zur Wahl 2018 komme es nicht an: „Der Wahlvorstand muss die Begebenheiten bei jeder Wahl neu bewerten.“
  • Die aktuelle Entscheidung bedeute nicht, dass jeder ausländische Mitarbeitende in seiner Muttersprache informiert werden müsse, betont LAG-Sprecher Dr. Michael Gotthardt. Es reiche wohl aus, die Informationen in den wesentlichen Sprachen bereitzustellen. Aber der Zugang müsse eben ausreichend deutlich gemacht werden.
  • Die mangelnde Information dürfe nicht dazu führen, dass möglicherweise das Wahlergebnis verfälscht werde, weil ausländische Mitarbeitende wegen Sprachproblemen nicht abstimmen konnten.