Duisburg. Täglich werden im Amazon-Verteilzentrum in Duisburg zigtausende Paket-Sendungen sortiert. Einblick in die Hallen und die ausgefeilte Logistik.

In den heiligen Hallen des Amazon-Verteilzentrums in Duisburg ist jeden Tag Päckchenzeit, nicht nur an Weihnachten, dann aber besonders: Seit Wochen schon werden hier mit zusätzlichen Saisonkräften Lkw-Ladungen voll mit Herzenswünschen und Kaffeebohnen, Puppenhäusern und Christbaumkugeln sortiert. Womöglich sind auch Crocs und Helene-Fischer-CDs darunter. Sie gehören zu den meist bestellten Produkten, die in 25 Jahren Amazon in Deutschland ausgeliefert wurden.

In Duisburg hat das Unternehmen seit 2018 eine Niederlassung. In der riesigen Halle direkt neben der A40 in Neuenkamp ist alles bis zum letzten Handgriff durchorganisiert. Lkw aus den Logistikzentren werden abgeladen, ihre Ladung auf Laufbänder gelegt und dann per Scanner erfasst: Einen Wimpernschlag später landet ein kleiner gelber Aufkleber auf jedem Päckchen, der nun den weiteren Weg weist: Über locker 20 km/h schnelle Laufbänder fließt die Paketflut los, wird an Weichen händisch grob vorsortiert, dann rollen die Pakete in vier „Finger“ genannte Gänge, dann weiter zu den Abteilungen mit den rechteckigen Sammel-Taschen, die später im Lieferwagen landen.

Mit viel Computertechnik wird der Weg jedes einzelnen Päckchens berechnet. Über Scanner können die Mitarbeiter von Amazon die einzelnen Schritte dokumentieren und überprüfen.
Mit viel Computertechnik wird der Weg jedes einzelnen Päckchens berechnet. Über Scanner können die Mitarbeiter von Amazon die einzelnen Schritte dokumentieren und überprüfen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Im Amazon-Verteilzentrum berechnet Technik den idealen Weg der Päckchen

Leise erklingt das „KlingKlong“ der Scanner, die Laufbänder rauschen monoton. Die Arbeiter sind ruhig und konzentriert, keine Zeit für Gespräche. Normalerweise läuft Musik, sie wurde für den Medienbesuch abgeschaltet. „Manche Schichten haben ihren eigenen DJ“, erzählt Standortleiter Omar de la Fuente. Der Mexikaner ist seit April in Duisburg, es ist seine vierte Amazon-Station in Deutschland, und vermutlich nicht die letzte. Der 33-Jährige will die Karrierechancen nutzen, die ihm das Mega-Unternehmen bietet.

Die Technik hinter der Paketverteilung ist rasant und berechnet alles: Das Gewicht der Tasche durch die Päckchen, das Ladevermögen der Vans, die ideale Route für die Fahrer, erklärt der Wirtschaftsingenieur. Nichts bleibt dem Zufall überlassen.

Omar de la Fuente leitet den Duisburger Standort von Amazon.
Omar de la Fuente leitet den Duisburger Standort von Amazon. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Auf dem Hallenboden helfen gelbe Markierungen beim Navigieren. Die Taschen voller Pakete werden nicht einfach auf Wagen geladen, sondern wie bei Tetris perfekt ineinander gestapelt - und zwar so, dass der Fahrer sie später an den Griffen herausziehen kann. An jeder Karre klebt die Anleitung, „wie man ein Cart richtig pickt“. Die Zusteller holen nur noch die gepackten Taschen und können losfahren.

Vormittags gegen 10 Uhr ist das ein spektakulärer Anblick: Hunderte Lieferwagen stehen in Schlangen rund um die Halle und warten auf ihre Fracht. Im Schnitt dauert es maximal 20 Minuten für die Beladung. „Yard Marshalls“ regeln wie auf dem Flughafen den Verkehr mit Leuchtsignalen und Absperrbändern. Allerdings stehen sie in Duisburg dabei häufiger im Regen. Es sei eine der wenigen Beladeflächen deutschlandweit, die nicht überdacht ist, sagt Pressesprecher Steffen Adler.

Päckchen für die „letzte Meile“ vorsortieren

Die erste von drei Schichten beginnt nachts um 2 Uhr. Ab dann gilt es, täglich „eine mittlere fünfstellige Zahl“ von Taschen, Päckchen, Paketen zu sortieren für „die letzte Meile“, die von hier aus auch bis Moers oder Oberhausen reicht. Wer wissen will, ob sein Paket durch den Duisburger Standort wanderte, kann auf dem Paketkleber die Signatur vergleichen: Die Abkürzung DNW4 steht für Deliverystation NRW 4. Intern hat Duisburg auch ein Logo: Ladekran und Schiff, „save harbour“ steht darunter. „In Magdeburg ist es ein Trabi mit einem Paket drauf“, erzählt Adler.

Die würfelförmigen Taschen dürfen nicht mehr als 23 Kilo wiegen. In manchen sind 30 Päckchen, in manchen nur drei. Manche der Taschen reichen für die Belieferung eines ganzen Dorfes, andere in einer Großstadt kaum für eine Straße. Als lernendes System erkennt die Technik dahinter Unfallschwerpunkte, die man umfahren kann, plant Staugefahren beim Zeitmanagement mit ein oder Beeinträchtigung durch das Wetter.

Neun Taschen voller Pakete passt auf ein Cart. Ab 10 Uhr morgens holen hunderte Lieferwagen ihre Fuhre ab.
Neun Taschen voller Pakete passt auf ein Cart. Ab 10 Uhr morgens holen hunderte Lieferwagen ihre Fuhre ab. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Arbeitssicherheit in der Halle wichtig

Arbeitssicherheit hat für alle oberste Priorität: An den Treppen hängen Schilder, die mahnen, dass man sich am Geländer festhält. Alle tragen Sicherheitsschuhe, Warnwesten. Die „Carts“ liegen extra niedrig über dem Boden, damit sich keiner damit über den Fuß fahren kann. Am Eingang der Halle hängt ein Schild: „11 Tage seit dem letzten aufgezeichneten Arbeitsunfall“. Es sei selten etwas Schlimmes, schon ein Pflaster sorge dafür, dass der Zähler wieder auf Null gestellt wird, betont Pressesprecher Steffen Adler.

Am Ende zählt nicht die Schnelligkeit, sondern das möglichst gleichförmige Ineinandergreifen der einzelnen Rädchen. Standardisiert, synchronisiert. Ramadan Muomin mag diesen Job, jeden Tag mache er was anderes, laufe dabei bis zu sieben Kilometer pro Schicht und bleibe so fit. „Ich freue mich, zur Arbeit zu kommen“, sagt der gebürtige Grieche. Sprachlich komme er gut klar. Bestellen Sie auch selbst bei Amazon? „Na klar!“

Ramadan Muomin (links) mag seinen Job bei Amazon in Duisburg.
Ramadan Muomin (links) mag seinen Job bei Amazon in Duisburg. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

„All hands on deck“, wenn es mal kritisch wird

Wenn es richtig kritisch wird, weil ein Laster viel zu spät ankommt, gilt „all hands on deck“, sagt Omar de la Fuente lachend. Dann packt auch der Chef mit an, um die Pakete noch mit auf die Tour zu kriegen. Ab und zu sei das ein schönes Miteinander, meint er.

Manche heiraten sogar, zumindest dienstlich und den ganzen Nachmittag lang: So heißt der Vorgang, wenn die Transporttaschen für die Vans digital mit einem Regal verknüpft werden. Der gelbe Aufkleber lotst das Paket zu seiner Endstation, die von der riesigen Rechenmaschine im Hintergrund ausgewählt wurde. „Pick by light“ nennt sich das System, das den „Picker“ und sein Paket per Beleuchtung zum richtigen Taschenfach lotst. Wieder wird gescannt und ein Ton bestätigt die richtige Ablage.

Vor jedem Schichtbeginn in Duisburg treffen sich die Mitarbeiter zum „Start of Shift“. Teamleiter geben Sicherheitshinweise, nennen Erfolge. Auch das Thema Diversity spielt tägliche eine Rolle.
Vor jedem Schichtbeginn in Duisburg treffen sich die Mitarbeiter zum „Start of Shift“. Teamleiter geben Sicherheitshinweise, nennen Erfolge. Auch das Thema Diversity spielt tägliche eine Rolle. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Amerikanischer Spirit am Duisburger Standort

Vor Weihnachten werden die letzten Pakete am Samstag verteilt. Ob es die eigene Bestellung rechtzeitig schafft, könne man nicht pauschal sagen. Entscheidend sei, welche Transportzeit das System für jedes einzelne Produkt berechnet. „Wenn da steht, es kommt bis Weihnachten, dann kommt es auch bis Weihnachten.“

„Wenn da steht, es kommt bis Weihnachten, dann kommt es auch bis Weihnachten.“
Steffen Adler - Pressesprecher Amazon Deutschland

Auch für die Mitarbeiter ist im Dezember täglich Weihnachten, „es gibt Überraschungen und Geschenke“. Das Unternehmen setzt auf amerikanischen Spirit. Keine Schicht beginnt ohne zweisprachiges Team-Meeting mit Sicherheitshinweisen, einer Erfolgsstory und einem Diversity-Tipp. An diesem Tag wird darauf hingewiesen, dass Gestik und Mimik oft mehr als Worte sagen. Bei Amazon sei jeder willkommen, solange er Deutsch oder Englisch sprechen könne, verdeutlicht Adler.

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Und dann erscheint die Tagesbilanz auf einem Bildschirm: 90.000 Päckchen, 363 Touren. „Ein Spitzenwert“, ordnet Adler ein. Anerkennendes Nicken der Mitarbeiter.

>>KRITIK DER GEWERKSCHAFTEN AN AMAZON

Die regelmäßige Kritik von Gewerkschaften wegen fehlender Betriebsräte an den deutschen Standorten von Amazon kennt Pressesprecher Steffen Adler zur Genüge. Für ein demokratisches Instrument wie einen Betriebsrat brauche es aber die Initiative der Mitarbeiter. Jedenfalls in Deutschland. In den Niederlanden müsse das Unternehmen die Gründung vorantreiben. Das sei zuletzt in Amsterdam dreimal hintereinander gescheitert, weil sich keiner aufstellen ließ. Auch in Duisburg gibt es aktuell keine Mitarbeitervertretung.

„Wir wollen der weltbeste Arbeitgeber sein“, zitiert Adler das Unternehmensziel. Man prüfe unregelmäßig die Lieferpartner, ob sie etwa Arbeitszeiten oder Gehaltsregelungen einhalten. Mitarbeiter können sich auch anonym an das Unternehmen wenden und Missstände aufzeigen. Bei Amazon selbst starte eine ungelernte Kraft ohne Qualifikation bei 14 Euro pro Stunde, das steige automatisch im zweiten Jahr auf 16,90 Euro.

Steffen Adler ist Pressesprecher bei Amazon.
Steffen Adler ist Pressesprecher bei Amazon. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

>>AMAZON IN DUISBURG: FAKTEN UND ZAHLEN

  • Amazon ist seit 2018 in Duisburg und beschäftigt 140 Mitarbeiter, aktuell sind es sogar 170. Obwohl alle nach Unternehmensangaben das Deutschland-Ticket bezahlt bekommen, werden sie mangels Anbindung an den Öffentlichen Nahverkehr mit einem firmeneigenen Busshuttle gefahren.
  • Das kleinste Paket, das hier sortiert wird, ist etwa 20 Zentimeter breit, das schwerste wiegt maximal 23 Kilo. Für Großgeräte wie Kühlschränke oder Fernseher gibt es eigene Verteilzentren. Das Durchschnittspaket bringt es auf ein Kilo.
  • Rheinberg ist eines der 20 Logistikzentren in Deutschland, von denen aus die Laster zu einem der über 60 Verteilzentren fahren, zum Beispiel nach Duisburg.
  • In Duisburg wird im Drei-Schicht-Betrieb gearbeitet, sechs Tage die Woche, nur sonntags stehen die Bänder still. Oder eben an Feiertagen. Am 27. Dezember geht es früh um zwei Uhr wieder los.
  • „90 Prozent der Touren“ kommen laut Amazon-Sprecher Adler pünktlich an und so haben die Fahrer auch pünktlich Feierabend. Unterwegs seien Verspätungen bei einzelnen Zustellungen dennoch möglich.
  • Bestellwellen gibt es nicht nur an Weihnachten, sondern auch vor Ostern oder zum Start der Sommerferien. Manches sei planbar, sagt Adler, „aber das erste Wochenende mit Grillwetter ist eine echte Herausforderung“. Während die Prozesse dann dennoch zuverlässig laufen, könne der erste Schnee im Rheinland mehr Umplanung erfordern.
  • Über den Duisburger Standort wird auch Same Day Delivery abgewickelt, also die besonders schnelle Bestellung und Lieferung binnen eines Tages.

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