Duisburg. Der Verein „Regenbogen“ betreut Duisburger mit psychischen Erkrankungen. Wie sich die Arbeit ändert und warum die Zahl der Betroffenen zunimmt.

Vor 40 Jahren wurde der Verein Regenbogen gegründet. Seitdem ist der Träger eine feste Anlaufstelle für Menschen mit psychischen Erkrankungen in Duisburg. „Psychisch kranke Menschen aus Duisburg wurden damals oft fern des Wohnorts in den Landeskliniken Viersen und Bedburg-Hau untergebracht. Das wollten wir ändern“, erinnert sich Elisabeth Hofmann. Sie war die Initiatorin und langjährige Geschäftsführerin. Bei einer Feierstunde wurde die Arbeit jüngst von zahlreichen Verantwortlichen der Stadtgesellschaft gewürdigt.

Für psychisch Erkrankte gab es bis in die 1980er Jahre in Duisburg kaum Angebote

2017 übernahm Rolfe Wöste den Job von Elisabeth Hofmann.
2017 übernahm Rolfe Wöste den Job von Elisabeth Hofmann. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

„Der erste Treff für Menschen mit psychischen Erkrankungen und Psychiatrieerfahrung fand damals quasi bei Elisabeth Hofmann zuhause am Küchentisch statt“, berichtet Rolf Wöste, der Hofmann nach ihrer Pensionierung als Geschäftsführer von Regenbogen ablöste. Der Gedanke, dass man psychisch Erkrankte nicht einfach in den großen, überregionalen Kliniken lassen sollte, sondern eher Strukturen schaffen, in denen sie heimatnahe betreut werden können, war im November 1983 nicht neu.

Die Psychiatrie-Enquête-Kommission legte schon 1975 den „Bericht über die Lage der Psychiatrie in der Bundesrepublik Deutschland“ vor, der die Sicht auf das Leben von Menschen in den großen Landeskliniken änderte. Da war von „Lebensversickerungsanstalten“ die Rede, in denen psychisch Kranke fern ab von ihrem gewohnten Umfeld und ihrer Familie vor sich hindämmerten. Solchen Einsichten ließ Elisabeth Hofmann in den 1980er Jahren dann mit dem Aufbau von ersten Gesprächsgruppen Taten folgen.

Der Zuspruch für unsere Arbeit durch betroffene Menschen kam überraschend schnell und überrumpelte uns.
Elisabeth Hofmann gehörte zu den Gründerinnen von Regenbogen und war viele Jahre Geschäftsführerin.

„Der Zuspruch für unsere Arbeit durch betroffene Menschen kam überraschend schnell und überrumpelte uns. Die Ereignisse überschlugen sich, der Zustrom vergrößerte sich in kurzer Zeit“, beschreibt Elisabeth Hofmann rückblickend. Die Kapazitäten waren schnell erschöpft. „Wir hatten viel guten Willen, sahen die brennende Notwendigkeit für Veränderungen in der Psychiatrie, aber wir hatten kaum Fachkenntnisse.“ Ihr Ehemann, Prof. Dr. Roland Hofmann, schaffte Abhilfe. Er arbeitete damals als wissenschaftlicher Begleitforscher im „Modellprogramm Psychiatrie“ und vermittelte den Ehrenamtlichen die notwendigen Fortbildungen.

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„Wir wollten die Lebenssituation psychisch kranker Menschen verbessern. Das klingt heute selbstverständlich, aber vor 40 Jahren war es eine Innovation, vielleicht sogar eine Revolution. Man schämte sich, wenn man psychisch krank war.“ Den Betroffenen sollten Wege in die Normalität geebnet werden.

An der Wallstraße betreibt Regenbogen den Second-Hand-Laden Rebochic. Er lädt Duisburgerinnen und Duisburger zum Shoppen ein und bietet den Klienten, die dort arbeiten, Tagesstruktur.
An der Wallstraße betreibt Regenbogen den Second-Hand-Laden Rebochic. Er lädt Duisburgerinnen und Duisburger zum Shoppen ein und bietet den Klienten, die dort arbeiten, Tagesstruktur. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Regenbogen betreibt 15 Standorte in Duisburg

Inzwischen hat die Regenbogen GmbH 15 Standorte in Duisburg und betreut darüber hinaus etliche unterschiedlich große Wohngemeinschaften. Die GmbH beschäftigt 230 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. 2200 Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen und anderen Handicaps nutzen die Angebote. „Unsere Treffs bieten an sieben Tagen in der Woche möglichst niederschwellige Angebote. Hier gibt es zwar Beratungsmöglichkeiten, aber die Devise lautet: Alles kann, nichts muss“, erklärt Rolf Wöste.

Jeder Mensch, der es raus aus der Isolation schaffe und Kontakt aufnehme, habe den wichtigsten Schritt schon geschafft. Einige kommen an drei Tagen pro Woche nur wenige Stunden vorbei. „Tagesstruktur bleibt unser Zauberwort“, sagt Wöste: „Wir möchten den Menschen gute Gründe geben, morgens aufzustehen, sich anzuziehen und die Wohnung zu verlassen.“

Viele Betroffene wurden über Jahre immer wieder in psychiatrische Kliniken eingewiesen. Da wo Wöste und seine Teams einen Fuß in diesen „Drehtüreffekt“ kriegen können, fangen für ihn die Heldengeschichten an. „Das brauche ich für mein Herz“, sagt er und strahlt.

Maik Fröhlich arbeitet in der Werkstatt von Reborad.
Maik Fröhlich arbeitet in der Werkstatt von Reborad. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Auf der Wanheimer Straße betreibt Regenbogen beispielsweise „Reborad“, eine offene Fahrradwerkstatt und daneben ein Antiquariat mit Buchversand. Dort können alle Duisburger Bürger und Bürgerinnen ihre Drahtesel warten und reparieren lassen. Die Werkstatt beschäftigt zwei Meister und hat seit August einen ersten Auszubildenden, der sich nach einer Langzeittherapie zu einer Lehre als Zweiradmechatroniker entschließen konnte.

„Ich liebe das Schrauben am Rad und bin auch privat viel mit meinem E-Bike unterwegs“, erzählte der frisch gebackene Lehrling stolz. Die Arbeit kannte er vorher schon als Klient. „Alle sind nett zu mir“, sagt er. Respekt hat er im Moment noch vor den kommenden Lernfeldern Software und Warenwirtschaftssystem, aber er ist bereit, die Herausforderung anzunehmen. Ein Traum für die Zukunft wäre, irgendwann selbst ein Meister mit Ausbilderschein zu sein, um sein Wissen an andere weitergeben zu können.

Regenbogen-Geschäftsführer wünscht sich finanzielle Sicherheit für den Verein

Solche Erfolgsgeschichten gelingen nicht jeden Tag, aber für Rolf Wöste zählen die kleinen Schritte in die richtige Richtung. „Enthospitalisierung, Entstigmatisierung von psychisch Erkrankten, die Schaffung von Angeboten zur Tagesstruktur und zum selbstständigen Wohnen, daran arbeiten wir jetzt und das bleibt unsere Aufgabe“, sagt er. Er sieht aber auch den wirtschaftlichen Faktor: „Ein Tag Psychiatrieaufenthalt kostet den Staat rund dreihundert Euro, ein Tag ambulante Betreuung schlägt mit durchschnittlich dreißig Euro zu Buche, das muss man auch auf dem Zettel haben.“ Er hofft, dass die Politik auch künftig für ein finanzielles Auskommen der Träger sorgt. Denn die Zahl der psychisch Erkrankten wird wohl langfristig eher steigen, vermutet er. „Wir merken jetzt gerade, wie sich Corona ausgewirkt hat.“