Duisburg. Für 3000 weibliche Flüchtlinge aus der Ukraine in Duisburg ist der Weg in den Job schwierig, obwohl sie häufig gut ausgebildet sind. Die Gründe.

Die Wirtschaftsförderer von Duisburg Business Innovation (DBI) laden viermal im Jahr zum zwanglosen Talkformat „Business beim Brötchen“ ein. Die Themen sind dabei ganz unterschiedlich. Jetzt war die Ukraine Topthema in der sechsten Etage des Business Kontors am Schwanentor in der Altstadt.

Iryna Shum lässt in ihrem Vortrag keinen Zweifel daran, dass die Ukraine auch in der jetzigen Kriegssituation ein verlässlicher Wirtschaftspartner ist und rührt eifrig die Werbetrommel, um das Vertrauen neuer Investoren zu gewinnen.

Irina Shum hat beim Duisburger Business-Talk auch über die wirtschaftlichen Situation in ihrem Heimatland gesprochen.
Irina Shum hat beim Duisburger Business-Talk auch über die wirtschaftlichen Situation in ihrem Heimatland gesprochen. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Die Generalkonsulin aus Düsseldorf zeigt auf, dass in großen Teilen des Landes das Leben und die Wirtschaft nahezu normal seinen Gang gingen. Die Zulieferketten seien weitgehend stabil und es gebe Förderprogramme und Bürgschaften des Bundes für Investoren.

Ukrainische Generalkonsulin erklärt Unterschiede zu Deutschland

Auch für die Nachkriegszeit hat die ukrainische Vertreterin in Deutschland schon konkrete Ideen im Gepäck, deren Realisierung von der Weltbank auf 411 Milliarden geschätzt wird. Doch so weit will keiner der gut 30 Anwesenden denken.

Die Fragen der Duisburger Wirtschaft sind viel konkreter: „Wie ist das mit der Anerkennung der Zertifikate in Deutschland? Was kann getan werden, damit das schneller geht?“, will jemand wissen. Damit trifft er wohl ein Kernproblem, für das Shum kein Patentrezept nennen kann.

Zu unterschiedlich seien die Systeme: „In der Ukraine kommt es häufig vor, dass eine Frau eigentlich Architektin ist, aber seit Jahren als erfolgreiche Fotografin arbeitet. Darüber hat sie keine Zertifikate und deshalb kann sie hier nicht arbeiten“, erklärt sie.

Für ukrainische Frauen ist der Weg in den Job eine Herausforderung

Von den 4500 geflüchteten Menschen, die in Duisburg Unterschlupf gefunden haben, sind 70 Prozent Frauen. Die meisten von ihnen sind mit ihren Kindern geflohen. Diese Frauen sind oft sehr gut ausgebildet und sprechen entweder Englisch oder Deutsch.

Der Akademisierungsgrad in der Ukraine ist deutlich höher als in Deutschland und dementsprechend könnte auch der hiesige Arbeitsmarkt sehr von den Neuankömmlingen profitieren. „Wir haben hier natürlich das ganz große Problem der Kinderbetreuung. Die Frauen sind allein. Die Männer kämpfen an der Front. Wer soll da aufpassen?“, fasst Birgit Mölders vom Jobcenter die Herausforderung zusammen.

Die Zahlen belegen: Von den 4500 geflüchteten Frauen sind rund 3000 erwerbsfähig. Von denen gehen aber bisher nur 19 Prozent einer Tätigkeit nach. Der Rest kämpft genauso wie jede andere Duisburger Mutter um die raren Kitaplätze. „Zu Beginn lag der Fokus der Geflüchteten beim Spracherwerb. Doch nun haben viele ihr Zertifikat in der Hand und möchten arbeiten. Da kommen wir jetzt in die Situation, dass wir individuell schauen müssen, was passen kann. Das ist schwierig, weil es wenig schriftliche Zeugnisse gibt“, so Mölders.

Für wenige komme dabei eine Vollzeitstelle infrage. Das würde bedeuten, den Nachwuchs täglich mehrere Stunden allein zu lassen und das könne auch für Teenager zu einer Verschlimmerung der ohnehin schon belastenden Situation führen. Denn: Viele Kinder sind traumatisiert und müssen obendrein jede Minute damit rechnen, die Nachricht vom Tod ihres Vaters zu bekommen.

Was passiert nach dem Krieg?

Duisburgs Ordnungs- und Wirtschaftsdezernent Michael Rüscher betont, dass die Wohnsituation der Ukraineflüchtlinge in Duisburg überdurchschnittlich gut sei. Viele würden jetzt nach und nach in eigene Wohnungen ziehen.

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Doch was passieren wird, wenn der Krieg vorbei ist, weiß niemand. Noch zu Beginn des Krieges wollten 90 Prozent so schnell wie möglich zurück in die Heimat, jüngeren Umfragen zufolge sind es aktuell 65 Prozent.