Duisburg. Der Duisburger Felix Banaszak (Grüne) blickt auf seine ersten zwei Jahre im Bundestag. So sieht er die Zukunft der Duisburger Stahlindustrie.

In seinen ersten zwei Jahren als Abgeordneter des Bundestages kam auch für Felix Banaszak (Grüne) vieles anders. Zur Halbzeit blickt der 33-Jährige zurück auf Krieg, Krisen und Koalitionszwist und nach vorn auf die Transformation der Stahlindustrie und den Umgang mit der AfD. Und: Wie bringt ein junger Vater den politischen Pendel-Job zwischen Duisburg und Berlin mit der Familie unter einen Hut?

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Die Hälfte der Legislaturperiode ist vorbei. Wie haben Sie die zwei Jahre empfunden?

Felix Banaszak: Als sehr hektische Zeit. Durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und die damit verbundenen innenpolitischen Krisen mussten wir über andere Dinge entscheiden, als wir uns ursprünglich vorgenommen hatten. Der Sommer war wichtig, um das alles mal sacken zu lassen. Zwischendurch fehlt oft die Zeit, zu reflektieren.

„Viel Enttäuschung hat auch mit dem Bild zu tun, dass wir abgeben“

Wäre für die Arbeit der Koalition vielleicht nicht schlecht…

Der Streit an vielen Stellen ist schon nervig. Die Ampel hat aber auch 170 Gesetze beschlossen, die Energiewende organisiert und zwei Krisenhaushalte aufgestellt. Am Ende haben wir mehr erreicht, als wir selbst manchmal glauben. Richtig ist: Eine echte Liebesgeschichte ist das nicht.

Dass so verschiedene Koalitionäre um den richtigen Weg streiten, mag normal sein. Aber warum öffentlich?

Wir hätten manches anders machen müssen. Viel Enttäuschung in der Gesellschaft hat auch mit dem Bild zu tun, das wir abgeben. Das überlagert die Dinge, die gut laufen. So gewinnt niemand. Wir müssen deshalb dringend in einen anderen Modus kommen und intern und in die Gesellschaft hinein anders kommunizieren. Auch die FDP darf sich dafür feiern lassen, dass sie die Energiewende mit auf den richtigen Weg gebracht hat. Es wäre sicher für alle leichter gewesen, wenn wir mit diesem Wandel vor zehn, fünfzehn Jahren begonnen hätten. Das fällt uns jetzt auf die Füße und erzwingt harte Entscheidungen, die quasi natürlich zu Streit führen.

EU: „Die Langsamkeit der Genehmigungen lähmt jede wirtschaftliche Dynamik“

Bei der Förderung der ersten DR-Anlage bei Thyssenkrupp Steel und dem Bau des Wasserstoff-Innovationszentrums gibt es quälend lange Prüfungen durch die EU. Können wir uns das weiterhin leisten?

Es gibt eine Tendenz vieler Unternehmen, ihre Investitionsentscheidungen von Subventionen abhängig zu machen. Bei der europäischen Antwort auf den Inflation Reduction Act der USA ist aber nicht die Höhe der Förderung der Punkt, sondern die Einfachheit des Verfahrens. Dass die EU-Kommission bei staatlichen Beihilfen genau hinsieht, verstehe ich schon, aber die Komplexität und Langsamkeit der Genehmigungen lähmen jede wirtschaftliche Dynamik. Ich will, dass wir eine aktive Industriepolitik machen, um hier weiter Stahl zu produzieren - übrigens nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Teilen Europas.

Gemeinsam für die Stahlindustrie: Mit der NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Mitte)  führte Felix Banaszak (r.) vier Jahre den NRW-Landesverband von Bündnis 90/Die Grünen, in ihren neuen Ämtern beschäftigt beide die Transformation der Stahlindustrie in Duisburg. Das Bild zeigt sie im Gespräch mit Paul Tetteroo, CEO von ArcelorMittal in Ruhrort.
Gemeinsam für die Stahlindustrie: Mit der NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Mitte) führte Felix Banaszak (r.) vier Jahre den NRW-Landesverband von Bündnis 90/Die Grünen, in ihren neuen Ämtern beschäftigt beide die Transformation der Stahlindustrie in Duisburg. Das Bild zeigt sie im Gespräch mit Paul Tetteroo, CEO von ArcelorMittal in Ruhrort. © FUNKE Foto Services | Lars Fröhlich

Stahl: „Nicht jeder Hochofen wird durch eine Direktreduktionsanlage ersetzt werden“

Schon die Transformation der Stahlproduktion erfordert enorme Summen. Das gilt auch für die Chemieindustrie und andere. Woher soll das Geld kommen?

Einen Teil tragen die Unternehmen selbst, aber wir geben einiges an staatlichem Geld dazu. Niemand sollte sich Illusionen machen: Es wird in Deutschland nicht alles bestehen bleiben, nicht jeder Hochofen wird durch eine Direktreduktionsanlage ersetzt werden. Ein Teil der Wertschöpfung wird sich ins außereuropäische Ausland verlagern, wo die Energie günstiger gewonnen werden kann. Aber wir haben ein Interesse, dass die gesamte Wertschöpfungskette beim Stahl in der Region bleibt. Mut macht mir, dass die Voraussetzungen in Duisburg besser sind als andernorts. Gerade deshalb ist es wichtig, bei Industrien, die neu entstehen, die wir für die Energiewende brauchen, einen Fuß in die Tür zu bekommen, bei Solarmodulen, Elektrolyseuren und Wärmepumpen etwa. Dabei: Dass es gerade die Grünen sind, die dafür sorgen, dass der Stahlstandort Duisburg erhalten bleibt, hat auch eine gewisse Ironie.

AfD: „Ausdruck eines Teilversagens von Regierung und demokratischer Opposition“

Wie groß ist ihre Sorge, dass dennoch die AfD ihren Wahlkreis im Duisburger Norden holen könnte?

Das ist für mich kein realistisches Szenario. Aber die aktuelle Rechtsverschiebung ist Ausdruck von Unzufriedenheit und leider auch eines Teilversagens der Regierung und der demokratischen Opposition. Sorgen macht mir, dass es für immer mehr Menschen eine legitime Option ist, ihren Protest darin auszudrücken, Faschisten zu wählen. Aus dieser Verantwortung kann ich die Wähler nicht entlassen. Die AfD wird abwechselnd dämonisiert und normalisiert. Vor allem die Union spielt hier mit dem Feuer. Und diesen Widerspruch nehmen die Wähler wahr.

Sie sind vor acht Monaten Vater geworden. Wie klappt’s mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei einem Abgeordneten?

Es hat meinen Blick auf die Welt verändert. Die Klimakrise hat für mich eine neue Dimension bekommen. Wie sie die Welt bis 2050 verändert, ist durch meine Tochter konkreter geworden. Welche Welt will ich ihr hinterlassen? Das treibt mich schon um. Außerdem hat sich meine Lebensorganisation verändert, ich priorisiere noch stärker als bisher, nehme nicht mehr alle Anfragen für Abendveranstaltungen an und bringe stattdessen meine Tochter ins Bett. Teilweise haben wir schon eine absurde Präsenzkultur. Ich versuche aber, es so zu organisieren, dass die Politik nicht darunter leidet. Mein Mandat nehme ich weiterhin außerordentlich ernst – in Duisburg und in Berlin.

>>ZUR PERSON: FELIX BANASZAK

  • Nach dem Abitur am Steinbart-Gymnasium im Jahr 2009 hat Felix Banaszak an der Freien Universität Berlin bis 2014 Sozial- und Kulturanthropologie und Politikwissenschaft studiert.
  • Bei den Grünen, denen er 2009 beitrat, gehörte er dem Vorstand der Jugendorganisation an (2011 bis 2014), war Büroleiter der EU-Abgeordneten Terry Reintke und Sven Giegold in Düsseldorf (2014 bis 2017) und Sprecher des Duisburger Kreisverbandes (2016 bis 2018).
  • Im Januar 2018 wurde der Duisburger gemeinsam mit Mona Neubaur an die Spitze des NRW-Landesverbandes gewählt, das Amt gab er nach der Landtagswahl im Juni 2022 ab.
  • Im September 2021 zog Felix Banaszak über Platz 6 auf der Landesliste seiner Partei in den Bundestag ein. Dort hat er Sitze im Wirtschafts-, Haushalts- und Rechnungsprüfungsausschuss.