Duisburg/Oberhausen. Yasin (21) rang nach der Messerangriff im John Reed monatelang mit dem Tod. Wie sich sein Leben verändert hat – und wie Sie Yasin helfen können.
Es war ein Hoffen und Bangen, ein Ringen mit dem Tod: Yasin Güler ist bekannt als das „letzte Opfer“ der Messerattackeim Duisburger John-Reed-Fitnesscenter. Zwölf Wochen kämpfen die Mediziner in zwei Kliniken darum, dass sein Leben nicht mit 21 Jahren endet. Heute ist klar: Yasin hat es geschafft. Doch unter den Folgen wird der junge Mann wohl sein Leben lang leiden.
Rückblick ins Frühjahr: Yasin lebt alleine mit seiner Mutter in Oberhausen. Nach seinem Abitur studiert er an der Bochumer Ruhr-Universität Germanistik und Geschichte auf Lehramt. Der 21-Jährige ist ein junger Mann mit Zielen. Sein Hobby ist der Sport. Yasin ist schlank, dunkelhaarig und trägt einen Dreitagebart. Ein lässiger Typ.
Am Nachmittag des 18. April macht er sich auf in das Fitnessstudio in der Duisburger Altstadt. Es folgen verhängnisvolle Momente für den Studenten. Am Eingang trifft er den bekannten Comedian Abdelkarim. Der hat gerade sein Training beendet. Die beiden grüßen sich. Dann geht der Oberhausener in das mehrstöckige Gebäude.
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Als er sich in der Herrenumkleide in der zweiten Etage umzieht, hört er plötzlich Hilferufe aus dem Bereich der angrenzenden Duschen. Yasin will helfen. Er rennt nicht nach draußen, sondern den Rufen nach in die Dusche. Dort stößt er auf Maan D.. Der 26 Jahre alte Syrer sticht nach bisherigen Erkenntnissen der Mordermittler in den Minuten nach 17 Uhr mit einem langen Messer auf vier Männer ein, verletzt drei von ihnen lebensgefährlich. Einer von ihnen ist Yasin. Mehrfach rammt der Angreifer ihm die Klinge in den Bauch. Heute ist klar: Es sind Stiche, die das Leben des Studenten auf den Kopf stellen und hinter seine Zukunft ein dickes Fragezeichen setzen.
Die Details zu dem Angriff in der Umkleide bestätigen die bisherigen Recherchen unserer Redaktion. Es sind jedoch die ersten Schilderung aus der Sicht eines Opfers, die an die Öffentlichkeit dringen.
Nach Messerattacke im Duisburger John-Reed-Fitnessstudio: Yasin hat keine funktionierende Niere mehr
Dass Yasin den Angriff überhaupt übersteht, verdankt er wohl einer zufällig anwesenden Rettungssanitäterin, die seine Wunde am Unterbauch versorgt. Die folgenden drei Monate verbringt der junge Mann in Krankenhäusern. Die meiste Zeit davon auf der Intensivstation. Zehnmal wird er insgesamt in einer Duisburger und einer Düsseldorfer Klinik operiert. Seine Angehörigen berichten: Fünfmal wussten sie nicht, ob ihr Sohn beziehungsweise Freund jemals wieder aufwacht. Aber immer wieder kommt der 21-Jährige zurück.
Doch der Angriff hat gravierende gesundheitliche Folgen: Der Oberhausener hat keine funktionierende Niere mehr. Dreimal pro Woche muss er zur Dialyse. Auf eine Spenderniere ist er nach Angaben der Mediziner dringend angewiesen. Hinzu kommen die psychischen Folgen: Der einst lebensfrohe Student hat Angstzustände und Alpträume. Er kann nicht mehr alleine schlafen, nicht mehr essen, was er möchte.
Seine Mutter Nicole ist täglich an seiner Seite. Arbeiten kann sie dadurch zurzeit nicht. Die Situation ist brenzlig. Denn: Die Familie ist derzeit nicht in der Lage, die Studiengebühren für das Herbstsemester aufzubringen. Der Verlust des Studienplatzes droht.
Dabei denkt der 21-Jährige nicht daran aufzugeben. „Yasin nimmt sein Schicksal an, er hofft, dass er vielleicht irgendwann nicht mehr zur Dialyse ins Krankenhaus muss“, sagt Nicole Güler. Finanzielle Hilfe sei ihren Berichten nach bislang nur unzureichend geflossen und schon lange aufgezehrt.
Duisburger Polizisten starten eine Spendenaktion
Die Ermittler der Duisburger Kripo erleben Yasins Kampf zum Teil hautnah mit. Spontan entscheiden sie sich, eine Spendenaktion ins Leben zu rufen (Details in der Infobox unten). Und sie setzten ein starkes Statement für die Zukunft des jungen Mannes: Seine Semestergebühren überweist der Duisburger Bezirksverband des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) vorab.
Die Crowdfunding-Aktion läuft ebenfalls über diese seriöse Institution. Das Geld soll unter anderem Umbaumaßnahmen in der Wohnung sowie eine Heimdialyse ermöglichen.
Jochen Keil, Geschäftsführer des BDK BV Duisburg, sagt: „Jede noch so kleine Hilfe kann in der Summe etwas bewegen“. Auch der Comedian Abdelkarim hat die Begegnung vom 18. April nicht vergessen: Er unterstützt die Aktion mit seinem Netzwerk und seiner Reichweite in sozialen Medien. Den 21-Jährigen hat er zuletzt besucht.
Und wie geht es mit den Ermittlungen weiter? Die Generalbundesanwaltschaft hat sie wegen des Islamismus-Verdachts gegen den 26-Jährigen übernommen. Die Ermittlungsarbeit liegt aber weiter bei der Duisburger Mordkommission „Schwan“.
Der junge Syrer schweigt seit seiner Festnahme. Er sitzt in Untersuchungshaft, zwischenzeitlich wurde er für eine Befragung nach Karlsruhe zur Generalbundesanwaltschaft gebracht. Warum er in dem Fitnesscenter willkürlich mit dem Messer zustach und wohl auch eine Woche zuvor einen 35-Jährigen in der Duisburger Altstadt tödlich attackierte, ist weiterhin unklar.
In seiner Wohnung in dem 20-Parteien-Haus an der Münzstraße fanden die Kripo-Ermittler handschriftliche Notizen mit islamistischem Hintergrund. Außerdem entdeckten sie Dateien auf seinem Smartphone, die auf eine solche Motivation hindeuten (wir berichteten).
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Maan D. kam nach offiziellen Angaben als Asylbewerber nach Deutschland, stellte 2016 einen Asylantrag, der bewilligt wurde. 2018 fiel er der Polizei wegen geringfügiger Vermögensdelikte auf. Die zwei Verfahren gegen ihn wurden eingestellt.
>>Große Anteilnahme bei Spendenaktion
- Seit Donnerstag haben sich schon über 1000 Menschen an der Spendenaktion beteiligt, über 35.000 Euro sind bis Dienstagmorgen zusammengekommen. Online kann direkt auf der Seite Gofundme (https://www.gofundme.com/f/r4wpp5-blindwutiger-anschlag-zerstort-yasins-zukunft) gespendet werden.
- Dort sind für direkte Spenden auch die Kontodaten von Yasin Güler angegeben.