Duisburg/Oberhausen/Mönchengladbach. Ehemalige Justizbeschäftigte könnte den flüchtigen Rocker mit vertraulichen Informationen beliefert haben. Welchen Wert die hatten, ist offen.
Als die Polizei Anfang September 2021 mit 900 Beamten und Spezialkräften zu einer Großrazzia gegen die Hells Angels ausrückt, ist das Hauptziel schon über alle Berge: Der Mönchengladbacher Rocker-Boss Ramin Y. hatte sich bereits im Vorfeld abgesetzt. Ihm werfen die Ermittler zwei schwere Gewalttaten im Milieu vor, den Mord an dem Duisburger Kai M. und die Attacke auf einen Ex-Bandido und dessen damalige Freundin in Oberhausen. Wie jetzt bekannt wird, hatte Ramin Y. Kontakt zu einer ehemaligen Justizbeschäftigten, die inzwischen aus dem Staatsdienst ausgeschieden ist. Felix Bachmann, Sprecher der Duisburger Staatsanwaltschaft, bestätigt auf Anfrage ein laufendes Ermittlungsverfahren bei seiner Behörde zu dem Fall. Der Flüchtige wird im Iran vermutet.
Die Hinweise auf die Frau hätten sich im September 2022 im Rahmen eines anderen Ermittlungsverfahrens ergeben, zu dem die Staatsanwaltschaft keine weiteren Angaben macht. Durch die Auswertung eines dabei sicher gestellten Handys hätten die Behörden den Verdacht geschöpft, „dass die Justizbeschäftigte vertrauliche Informationen, die sie im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit erlangte, an Ramin Y. weitergab“. Gegen die Frau habe seine Behörde ein separates Ermittlungsverfahren eingeleitet - wegen des Verdachts der Bestechlichkeit, Verletzung des Dienstgeheimnisses und versuchter Strafvereitelung.
Verdächtige observiert - Telefon abgehört
Laut Staatsanwaltschaft sei die Verdächtige in der Folge unter anderem observiert und ihr Telefon abgehört worden. Im Dezember 2022 durchsuchten die Behörden dann Wohnung und den Arbeitsplatz der Frau, nachdem ein Richter einen entsprechenden Beschluss erlassen hatte. „Dabei konnte umfangreiches Beweismaterial sichergestellt werden“, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Die Frage, wo die Frau wohnte und wo sie arbeitete, bleibt unbeantwortet. In Duisburg sei es nicht gewesen, sagt Bachmann, mehr nicht. Die Zuständigkeit seiner Behörde ergebe sich „aus Neutralitätsgründen“.
„Nach vorläufiger Bewertung der sichergestellten Unterlagen erhärtet sich der Verdacht der Verletzung des Dienstgeheimnisses“, erklärt Bachmann, „nach derzeitigem Ermittlungsstand konnten jedoch keine Hinweise dahingehend erlangt werden, dass von der Tatverdächtigen Informationen weitergegeben wurden, die Ramin Y. zu einer Flucht verholfen hätten.“
Staatsanwaltschaft Duisburg gibt sich bedeckt
Es bleibt jedoch noch vieles offen, etwa, was die Verdächtige zu den Vorwürfen sagt. Nicht nur zu Wohn- oder Arbeitsort der ehemaligen Justizbeschäftigen macht die Staatsanwaltschaft derzeit noch keine Angaben, auch nicht zum Alter der Verdächtigen. Besondere Brisanz hätte zudem die Frage nach dem Zeitraum, in dem der Kontakt zwischen den beiden bestand. Auch dazu schweigt die Staatsanwaltschaft wegen der noch laufenden Ermittlungen. „Die Auswertung der sichergestellten Unterlagen dauert aufgrund des erheblichen Umfangs weiterhin an“, sagt Bachmann. Mit einem kurzfristigen Abschluss des Verfahrens sei nicht zu rechnen.
Gegen zwei mutmaßliche Komplizen, die Ramin Y. bei der Ermordung und der anschließenden Zerteilung und Beseitigung der Leiche von Kai M. geholfen haben sollen, dauert die Verhandlung am Duisburger Landgericht an. Immer wieder fällt im Prozess, der seit dem Sommer des vergangenen Jahres läuft, sein Name. Der frühere Rocker-Boss wird mit einem internationalen Haftbefehl gesucht. Sollte er sich weiter im Iran aufhalten, ist er dort relativ sicher. Ein Auslieferungsabkommen gibt es mit dem Land nicht. Ramin Y. scheint dort zudem gut vernetzt zu sein.