Duisburg. 12.000 Stahlkocher machten beim Stahlaktionstag in Duisburg Druck auf Brüssel und Berlin. Was Vertreter von TKS, HKM und Arcelor Mittal fordern.

Wenn’s um die Zukunft ihrer Industrie geht, stehen die Stahl-Belegschaften zusammen. Rund 12.000 Demonstranten drängten sich am Mittwoch beim Stahlaktionstag der IG Metall auf der Wiese vor der Hauptverwaltung von Thyssenkrupp Steel (TKS) in Bruckhausen. Die Forderung an Bundeswirtschaftminister Robert Habeck (Grüne) auf der Tribüne und die EU-Kommission in Brüssel formuliert Knut Gießler, NRW-Bezirksleiter der IG Metall: „Beendet endlich das Mikado-Spiel um die Förderung der ersten Direktreduktionsanlage bei TKS.“

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Vor vier Wochen hatte die Gewerkschaft mit einem offenen Brief Alarm geschlagen: Die Gesamtinvestition von über zwei Milliarden Euro drohe zu scheitern, TKS müsse den bereits vergebenen Auftrag für die Anlage zurückziehen, wenn nicht schleunigst grünes Licht aus Brüssel und ein rechtsverbindlicher Förderbescheid aus Berlin komme. Brüssel habe nun in einem Schreiben an TKS seine Zustimmung für die Gesamtförderung in Höhe von zwei Milliarden Euro signalisiert, berichtet Robert Habeck (siehe dazu weiterer Bericht: Wirtschaft).

Starkes Signal am Stahlaktionstag der IG Metall: Zwischen der historischen und der neuen Hauptverwaltung von Thyssenkrupp-Steel versammelten sich am Mittwoch rund 12.000 Mitarbeitende, um gegen die Verzögerungen bei den Förderzusagen für den Umbau der Produktion zu protestieren.
Starkes Signal am Stahlaktionstag der IG Metall: Zwischen der historischen und der neuen Hauptverwaltung von Thyssenkrupp-Steel versammelten sich am Mittwoch rund 12.000 Mitarbeitende, um gegen die Verzögerungen bei den Förderzusagen für den Umbau der Produktion zu protestieren. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Bund, EU-Kommission und Thyssenkrupp: Ringen um „Kleingedrucktes“

Dass es nunmehr „nur noch ums Kleingedruckte“ gehe, wie der Minister formuliert, reicht Gewerkschaftern und Betriebsräten nicht. Gerungen werde um Voraussetzungen für die 1,3 Milliarden Euro vom Bund, berichtet IG-Metall-Vorstand und Thyssenkrupp-Aufsichtsrat Jürgen Kerner, man dürfe dabei das Unternehmen nicht mit unkalkulierbaren Risiken überfordern.

Zwar freut sich die IG Metall, dass ihr Weckruf hektische Betriebsamkeit in Berlin und Brüssel auslöste, doch der Durchbruch steht noch aus. Im Tross von Robert Habeck ist von einer „Standleitung nach Brüssel“ die Rede, doch das „klare Signal an die Belegschaft in den nächsten Tagen“, das sich Jürgen Kerner wünscht, verspricht der Minister in Duisburg nicht. „Bis zum Sommer kriegen wir das hin“, sagt Habeck.

Auch Belegschaft von HKM und Arcelor Mittal in Sorge um ihre Zukunft

Das Drama um den Einstieg in den Technologiewechsel treibt nicht nur die TKS-Belegschaft um. Mit 14 Bussen sind Beschäftigte der Hüttenwerke Krupp-Mannesmann angereist. Die Entscheidung der Gesellschafter Thyssenkrupp und Salzgitter zur Transformation der Hütte im Duisburger Süden steht noch aus. Schon 2026 endet die Reise eines von zwei Hochöfen. Er erwarte „von den Eigentümern ein klares Bekenntnis, sich nicht vom Acker zu machen“, so NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst in seiner Rede.

„Wir haben die Hütte stillgesetzt und wollen ein klares Zeichen setzen“, sagt der HKM-Betriebsratsvorsitzende Marco Gasse, der direkt nach Habeck spricht. „Wir wollen grünen Stahl machen und wir wollen der Politik vertrauen“, betont er. „Verspielen Sie nicht das Vertrauen und bringen sie auch die Bescheide für die anderen Betriebe.“ Allein in den Produktionsbetrieben seien 27.000 Arbeitsplätze in die Wertschöpfungskette eingebunden, in der weiterverarbeitenden Industrie allein in NRW sei es ein Vielfaches, das dürfe die Politik nicht aufs Spiel setzen. Marco Gasse: „Investieren Sie in die Zukunft, nicht in die Friedhofsgebühren für die Stahlindustrie.“

Diese sei wesentlich teurer als die Förderung der Wasserstoff-basierten Stahlproduktion, rechnet Jürgen Andrejewski. „Jeder arbeitslose Stahlwerker kostet mindestens 42.000 Euro pro Jahr. Dagegen sind die Fördergelder für die Umstellung auf grüne Stahlproduktion ein Fliegenschiss“, so der Betriebsratsvorsitzende von Arcelor Mittal in Duisburg.

Den Stahl-Hammer hatte Tekin Nasikkol mitgebracht. „Den hole ich immer raus, wenn es eng wird“, so der TKS-Gesamtbetriebsratsvorsitzende, der vor einem Wechsel an die Spitze des Konzernbetriebsrats von Thyssenkrupp steht.
Den Stahl-Hammer hatte Tekin Nasikkol mitgebracht. „Den hole ich immer raus, wenn es eng wird“, so der TKS-Gesamtbetriebsratsvorsitzende, der vor einem Wechsel an die Spitze des Konzernbetriebsrats von Thyssenkrupp steht. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

NRW-Wirtschaftsministerin Neubaur: Größte Demo für den Klimaschutz

Mona Neubaur muss er davon nicht überzeugen. Ihr Einsatz für den bereits zugesagten 700-Mio-€-Beitrag des Landes zur TKS-Anlage bringt der grünen NRW-Wirtschaftsministerin beim Stahlaktionstag Lob ein. Die Umstellung auf eine CO2-neutrale Produktion eines der bundesweit größten Emittenten würde sie ihrem großen Ziel eines klimaneutralen Industriestandorts NRW einen großen Schritt näherbringen. Neubaur sucht deshalb den Schulterschluss mit den 12.000 Stahlkochern vor der Bühne: „Das ist die größte Demo für Klimaschutz in diesem Jahr. Danke für ein starkes Signal.“

>> IG METALL, BETRIEBSRÄTE UND POLITIK KRITISIEREN EU-FÖRDERVERFAHREN

  • Die Kritik am komplizierten und langwierigen Genehmigungsverfahren für den klimafreundlichen Umbau der Industrie bei der EU kritisierten Gewerkschafter, Betriebsräte und Politiker beim Stahlaktionstag in Duisburg.
  • „Wir brauchen ein Ministerium für Transformation, nicht für Komplikation“, so Tekin Nasikkol bei seinem wohl letzten großen Auftritt als TKS-Gesamtbetriebsratsvorsitzender. Er soll für Dirk Sievers, der zum 1. Juli ins Thyssenkrupp-Management wechselt, an die Spitze des Konzern-Betriebsrats rücken.
  • Ein „unglaublich kompliziertes und bürokratisches Verfahren“ zwischen Bund und EU kritisierte auch Hendrik Wüst (CDU). Er sei aber zuversichtlich, so der NRW-Ministerpräsident: „Alle wollen es, dann muss es auch möglich sein.“
  • „Wir dürfen keine weitere Zeit vertrödeln“, so der EU-Parlamentarier Dennis Radtke (CDU). Der Zeitdruck sei entstanden, weil es „am politischen Willen und der Entscheidungsfreudigkeit gefehlt hat“. Er fordert „eine Lösung, damit nicht am Ende die Beschäftigten die Verlierer sind“.
  • Die EU habe „Grund, ihre Industriepolitik zu überdenken“, so Radtke, der sich seit langem in Brüssel für die Stahlindustrie einsetzt. Das EU-Programm zum Klimaschutz dürfe die Industrie nicht als Gegner sehen, warnte er dieser Tage in einem Gastbeitrag in der FAZ. Der „Green Deal“ könne Industriejobs vernichten. „Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht“, so der Bochumer.