Düsseldorf. . Haschisch und Marihuana gelten als “weiche“ Drogen. Doch Cannabis-Konsum kann tödlich enden. Das haben nun Rechtsmediziner vom Düsseldorfer Uniklinikum nach eigenen Angaben weltweit erstmals bewiesen und sorgen international für Wirbel. Doch es gibt noch einige Unwägbarkeiten.

Bei dieser Überschrift könnte manchem Cannabis-Konsumenten der Joint aus dem Mund fallen: "Plötzlicher unerwarteter Tod unter akutem Einfluss von Cannabis" heißt die Überschrift einer Fallstudie, die jüngst vier Rechtsmediziner des Düsseldorfer Uniklinikums und der Universität Frankfurt/Main in der europäischen Fachzeitschrift für Forensik veröffentlicht haben. Nach eigener Einschätzung haben Sie darin weltweit erstmals den Nachweis erbracht, dass Cannabis-Konsum tödlich enden kann. Bei offenbar ganz gesunden Menschen.

Konkret geht es um plötzlich aufgetretene Herzrhythmusstörungen, die bei zwei jungen Männern tödliche Folgen hatten, berichtet der Düsseldorfer Rechtsmediziner Dr. Benno Hartung (36) auf Anfrage. Die Fallstudie basiert auf Untersuchungen von 15 Männerleichen aus den Jahren 2001 bis 2012. Bei zwei von ihnen, einem 23- und einem 28-Jährigen, so das Ergebnis der Forscher, sind die Zeichen deutlich, dass sie sich sozusagen zu Tode gekifft hatten. Bei den anderen Fällen konnte nicht ausgeschlossen werden, dass neben dem Cannabis-Konsum noch andere Ursachen zum Tode geführt hatten.

"Männer standen bei Tod in einem akuten Rauschzustand"

Beide Männer waren in den Jahren 2009 bzw. 2010 plötzlich und unerwartet an Herzversagen gestorben, schienen allerdings zuvor kerngesund gewesen zu sein. Bei der Autopsie der Leichen seien keinerlei Vorerkrankungen festgestellt worden, sagt Hartung. Doch die Männer "standen bei ihrem Tod in einem akuten Rauschzustand". Außerdem fand sich Marihuana in der Wohnung des einen, und in einer Tasche des anderen.

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Das regte den Forschertrieb der Wissenschaftler an. "Denn bis dato war zwar bekannt, dass Cannabis das Herz schädigen kann, nicht aber, dass Cannabis-Konsum auch tödliche Herzstörungen hervorrufen kann". Erste Anzeichen dazu hatte eine norwegische Forscherin im Jahr 2001 veröffentlicht, sagt Hartung. Ihre Studie unter knapp 4000 Herzinfarkt-Patienten wurde allerdings in der Fachwelt kritisiert, weil dazu wohl nur Blut- und Urinwerte ausgewertet worden waren.

In Düsseldorf wollte man deshalb gründlicher arbeiten. Die Erkenntnis, dass die beiden Männer offenbar unter direktem Einfluss von Cannabis starben, sei Ergebnis eines wissenschaftlichen Ausschlussverfahrens, beschreibt Hartung: "Wir haben nach bestem Wissen und Können andere Möglichkeiten der Todesursache ausgeschlossen". Zuletzt habe man gar in einem Speziallabor in Frankfurt anhand von Gen-Untersuchungen prüfen lassen, ob die Männer angeborene Herzrhythmusstörungen gehabt hatten. Hartung: "Das Ergebnis war klar, es lagen keine Vorerkrankungen vor".

Was heißt das nun für Cannabis-Konsumenten?

Welche Risiken Cannabis-Konsum hervorrufen kann 

"Wir gehen davon aus, dass es jeden Cannabis-Konsumenten treffen kann", meint Hartung. Allerdings sei es "ein sehr seltenes Ereignis, dass Menschen unter dem Einfluss von Cannabis Herzrhythmusstörungen entwickeln, die auch tödlich verlaufen können". Für Hartung ist anhand der beiden Männer jedoch nachgewiesen, dass Cannabis zu unrecht im Ruf stehe, bloß eine "weiche" Droge zu sein.

Ähnlich sieht es auch Prof. Rainer Thomasius vom Deutschen Zentrum für Suchtfrage des Kinder- und Jugendalters in Hamburg. Gerade bei Jugendlichen könne regelmäßiger Cannabis-Konsum erhebliche Folgen haben: "Die Forschung hat mit vielen und verschieden angelegten Studien, auch anhand von Tierversuchen, nachgewiesen, dass Cannabis-Konsum bei Heranwachsenden schwere neuro-kognitive Störungen hervorrufen kann". Übersetzt heißt das: "Die Intelligenz-Entwicklung leidet, es ist ein Verlust grauer Zellmasse zu beobachten"; äußerliche Anzeichen seien Gedächtnis-, Lern- oder Motivationsstörungen". Laut Thomasius sei dies "kein seltenes Phänomen".

Bis dato kaum Nachweise für körperliche Risiken

"Die unmittelbaren Risiken des Konsums von Cannabis sind in erster Linie psychischer Natur", schreibt dazu beispielsweise der "Deutsche Hanf Verband" auf seiner Internetseite. Und auch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) berichtet auf ihrem Portal "Drugcom.de", das regelmäßig über den Stand der Wissenschaft zum Thema Drogen informiert, dass es bis dato kaum Erkenntnisse gebe über gravierende gesundheitliche Folgen durch Cannabis-Konsum.

Beschrieben werden unter anderem diese Risiken:

  • "In einigen Studien konnte bei starken Cannabis-Raucherinnen und -Rauchern ein gehäuftes Auftreten von Bronchitis sowie Entzündungen der Nasen- und Rachenschleimhaut festgestellt werden."
  • "Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass Cannabisrauch etwa die gleiche Menge Teer, also Schadstoffe, enthält wie Tabakrauch. Ein zweifelsfreier Nachweis, dass das Rauchen von Cannabis tatsächlich zu Krebserkrankungen führt, steht allerdings noch aus."
  • "Mögliche Auswirkungen auf das Herz-Kreislaufsystem werden erst seit kurzem erforscht. Bisherige Studienergebnisse legen ein erhöhtes Herzinfarktrisiko im Verlauf der ersten Stunde nach dem Konsum von Cannabis nahe, weil Cannabis die Herzfrequenz erhöhen kann."
  • "In der Forschung mehren sich die Hinweise, dass es zwar keine eigenständige Cannabis-Psychose gibt, Cannabis aber Auslöser einer bislang verborgenen Schizophrenie sein kann."

Studie aus Düsseldorf beflügelt die Drogen-Forschung

Bei der Bundeszentrale nimmt man die Fallstudie aus Düsseldorf auf jeden Fall "ernst", ist dort zu erfahren. Gleichwohl sieht man die Grundlage der Erkenntnisse noch eher schwach, da eben nur zwei Fälle ausgewertet wurden. Es brauche weitere Forschungen, um das mögliche Todesrisiko durch Cannabis-Konsum tatsächlich zu belegen. "Ungefährlich" jedenfalls, das sagt man bei der BzgA mit Nachdruck, "sind Drogen generell nicht".

Aus Sicht von Rechtsmediziner Benno Hartung brauche es ebenfalls weitere Forschungen. "Man kann nicht von diesen beiden Einzelfällen auf alle Cannabis-Konsumenten schließen", sagt er. Die Fallstudie habe aber international ein großes Echo hervorgerufen. In Großbritannien etwa hätten nur wenige Wochen vor der Veröffentlichung der Düsseldorfer Studie, andere Rechtsmediziner den Tod einer 31-jährigen Frau ebenfalls in einer Publikation auf eine "Cannabis-Toxikation" zurückgeführt. "Die Mediziner mussten sich da sehr stark für rechtfertigen". Die Fallstudie aus Düsseldorf hat ihnen nun den Rücken gestärkt, meint Hartung - und "einen Stein ins Rollen gebracht". Das Telefon in der Rechtsmedizin laufe derzeit jedenfalls heiß, viele Wissenschaftler würden ihre Hilfe anbieten, um weitere Aspekte zu möglichen tödlichen Folgen von Cannabis-Konsum zu analysieren.

Für Benno Hartung jedenfalls ist es nun "eine spannende Frage" zu ermitteln, welche Gruppe von Personen in der Gruppe der Cannabis-Konsumenten das Risiko trägt, Herzrhythmusstörungen zu erleiden, obwohl genetisch keine Vorerkrankungen vorliegen. Nach Einschätzung von Hartung dürfte die Klärung dieser Frage "wohl noch einige Jahre dauern".