Düsseldorf. Überraschende Wende bei den Ermittlungen zu einer Prügelei in Düsseldorf: Die Gewalt ging offenbar von dem 44-jährigen Mann aus, der dort schwer verletzt wurde und derzeit im Koma liegt. Nach Berichten von Zeugen hatte der Mann einen Jugendlichen angegriffen, der sich daraufhin verteidigte.

Es begann als harmloser Streit um zu laute Musik in der Straßenbahn und endete im Desaster. Nachdem am späten Freitagabend eine Auseinandersetzung zwischen drei Schülern und einem 44-jährigen Mann in der Linie 707 in einer Bluttat auf dem Bahnsteig der Haltestelle „An der Piwipp“ gipfelte und das Opfer im künstlichen Koma liegt, haben Düsseldorfer Polizei und Staatsanwaltschaft alle Hände voll zu tun.

Denn die zurzeit einzigen brauchbaren Zeugen sind der Tatverdächtige, ein 17-jähriger Schüler aus Unterrath, und seine beiden 16 und 17 Jahre alten Begleiter.

Dem 44-Jährigen war mit einem Vierkantholz mit derartiger Wucht auf den Kopf geschlagen worden, dass er noch vor Ort reanimiert werden musste. Das Schüler-Trio spricht indes von Notwehr und ist wieder auf freiem Fuß.

Am Samstagnachmittag wendete sich das Blatt

Die Polizei hatte noch in der Nacht zum Samstag die „Mordkommission Piwipp“ unter der Leitung von Hauptkommissar Ralf Finke eingerichtet, Staatsanwalt Christoph Kumpa ermittelte anfangs wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher oder schwerer Körperverletzung. Doch am Samstagnachmittag gegen 17.30 Uhr wendete sich das Blatt. Offenbar aufgrund der Berichterstattung in den Online-Medien meldeten sich der Tatverdächtige und seine beiden Begleiter samt Eltern bei der Polizei.

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„Die rechtliche Seite stellt sich zurzeit so dar, dass wir eine Notwehrsituation nicht widerlegen können“, sagte Staatsanwalt Kumpa nach der Vernehmung. Das spätere Opfer, ein Reeser, der in Düsseldorf arbeitet, soll die Jugendlichen in „deutlich betrunkenem Zustand“ (Kumpa) mit einem Gürtel in der Bahn bedroht und auf dem Bahnsteig den 17-jährigen Tatverdächtigen mit diesem Gürtel geschlagen haben.

Die Ereignisse vom Freitagabend stellen sich bis dato ansonsten so dar: Der 44-jährige Reeser hatte seine 52-jährige Lebensgefährtin in Unterrath von der Arbeit abgeholt und war dann mit ihr um 23.20 Uhr an der S-Bahnhaltestelle Unterrath in die 707 eingestiegen. Das Paar wollte zu der Wohnung der Frau nach Flingern.

Der Mann, der übrigens aus einer anderen Beziehung eine 17-jährige Tochter hat, war stark alkoholisiert, was auch die Freundin bestätigt. An der Eckener Straße stiegen dann die drei Schüler in die Bahn. Sie wollten nach Hause, nachdem sie den Abend bei McDonalds verbracht hatten. Sie hörten Musik, was den 44-Jährigen störte. Er soll das Trio mit einem Gürtel, den er aus der Jacke geholt hatte, bedroht haben. Die Freundin versuchte laut eigener Aussage zu beschwichtigen, was ihr aber nicht gelang. Als die Schüler an der Haltestelle „An der Piwipp“ ausstiegen, rannte der 44-Jähriger hinterher, dann ging offenbar alles ganz schnell.

Kantholz lag laut Fahrer schon den ganzen Abend in der Bahn

Die Freundin und ein weitere Zeuge haben von den Vorfällen an der Haltestelle nichts mitbekommen. Die Polizei stützt sich bisher auf die Darstellung der Schüler. Laut Aussage des – übrigens zuvor unbescholtenen - Trios habe das spätere Opfer mit dem Gürtel auf den 17-jährigen Tatverdächtigen eingeschlagen. Der habe sich mit dem Vierkantholz, das er zuvor in der Bahn gefunden und „zur Sicherheit“ mit nach draußen genommen hatte, nur zur Wehr setzen wollen.

Der Fahrer der Linie 707 bestätigte später, dass das Kantholz schon den ganzen Abend in der Bahn gelegen hatte. Fakt ist zudem, dass der Tatverdächtige und einer der Begleiter in Panik flüchteten, während der zweite Begleiter der Freundin seine Hilfe anbot und einen Rettungswagen rufen wollte. Das bestätigte die Lebensgefährtin des Opfers.

Notwehr oder nicht Notwehr – Der 44-jährige Mann italienischer Herkunft schwebt nach wie vor in akuter Lebensgefahr, die Ärzte befürchten zudem einen bleibenden Hirnschaden. Er wird wahrscheinlich kaum noch verhandlungsfähig sein, sofern er überhaupt noch einmal aus dem Koma erwacht.

Polizei und Staatsanwaltschaft suchen weiter dringend Zeugen des Vorfalls, selbst wenn die, so Kumpa, „nur einzelne Aspekte des Geschehens“ beobachtet haben. Am Freitagabend gab es weder in der Linie 707 noch am Bahnsteig „An der Piwipp“ Videoüberwachung. Doch mit den drei Jugendlichen sind kurz vor 23.30 Uhr an der Haltestelle Eckener Straße noch etwa zehn weitere Fahrgäste in die Bahn (Richtung stadteinwärts) eingestiegen. Hinweise unter 0211/870 - 0.