Düsseldorf. . Obdachlose leben am Rande der Gesellschaft, in Düsseldorf haben sich zwei nun in den Mittelpunkt gestellt. Mit einer Stadtführung haben zwei Verkäufer des Magazins “FiftyFifty“ einen Einblick in ihr “Straßenleben“ gegeben. Die Tour zeigte eine andere Seite der Stadt - und stimmte nachdenklich.

Am Ende, vor dem Kom(m)ödchen, ist der Beifall so laut, dass Passanten stehen bleiben und erstaunt gucken: Gut ein Dutzend Fußgänger applaudieren zwei Männern. Die beiden FiftyFifty-Verkäufer Armin (41) und Martin (51) haben die Gruppe gut zweieinhalb Stunden und sechs Kilometer lang mitgenommen durch ihr „Straßenleben“. Das Thema dieser Stadtrundgänge zu Fuß mit Obdachlosen ist nicht Düsseldorf pompös, sondern Düsseldorf Platte.

Obwohl das in Glitzerhausen nie ganz zu trennen ist. Beispiel: Kaufhof Kö, Eingang Heinrich-Heine-Allee. Hier haben Armin und Martin vor sieben, acht Jahren gemeinsam übernachtet. Hier ist es immer trocken, aus dem U-Bahn-Schacht strömt warme Luft nach oben und bis vor kurzem gab es sogar zwei Steckdosen. „Hier – so etwa auf Kniehöhe“, sagt Armin und deutet auf eine schlecht verputzte Steinhöhle.

Postadresse im "Café pur"

Da konnte man mal sein Handy aufladen oder auch an einem kleinen Monitor Fernsehen gucken. Aus dem Breidenbacher Hof oder einem nahen Coffee-Shop brachten Beschäftigte manchmal Kaffee und ein paar Brötchen.

Vorbei war‘s damit jeweils freitagmorgens kurz vor Acht. Dann hupte ein Kehrmaschinenfahrer so lange so laut, bis die Herren sich auseinander- und ihre Habseligkeiten zusammengerollt hatten. Martin ergänzt: „Und an Wochenende haben uns die Zecher aus der Altstadt mit Bierflaschen beworfen oder versucht, uns zu beklauen.“ Nicht wirklich ein Idyll also, aber von den Schlafstellen im Freien durchaus eine der Besseren.

„Kommen sie näher, wir beißen nicht, wir riechen nur ein wenig streng“, hatte Armin die Rundgänger begrüßt. Vom Start am fiftyfifty-Büro Ellerstraße geht es in einem großen Bogen um den Hauptbahnhof herum. Die Eisenstraße. „Da hinten hat Rechtsanwalt Felkl seine Praxis. Der hilft, wenn wir mal Probleme mit dem Ordnungsamt oder der ARGE haben“, sagt Armin. Weiter zum Mintropplatz – Café pur der Diakonie. Hier gibt es ein preiswertes Mittagessen, Duschen. Martin: „Und man sich als Obdachloser eine Postadresse einrichten lassen.“ Ohne die – keine staatliche Unterstützung.

"Warum lächeln Sie jeden Tag - Sie sind doch obdachlos?!"

Auf der Bahnhofsvorderseite: Hier werden Drogen verkauft. Letztlich ist der Vorbeimarsch der Gruppe auf der anderen Straßenseite weniger spektakulär als zuvor angekündigt. Dafür erzählt Martin eine Anekdote. Da ihn neulich ein Passant angeraunzt, an seinem Stammplatz in der Grabenstraße: „Warum lächeln Sie jeden Tag – Sie sind doch obdachlos?“ „Da musste ich erst einmal einen Tag lang drüber nachdenken. Was mag dieser Mann für ein freundloses Leben haben? Ich lächle, weil ich tatsächlich viel Glück habe, in meinem Leben.“

Keine Selbsthypnose, neulich hat zum Beispiel jemand Martin eine Wohnung vermittelt, ist mit ihm zum Eigentümer gegangen und es hat geklappt. Armin schläft derzeit bei einer Freundin auf der Couch. Einig sind sich die beiden in einem: „Wenn es auf der Platte Stress gibt, dann weniger mit Ordnungsamt oder Polizei; sondern meist mit anderen Obdachlosen.“ Irgendwer sei immer dabei, der alles kaputt mache.

Winternachtquartier in den Edelpassagen zwischen Kö und Blumenstraße? Gestrichen, weil Obdachlose ihre Notdurft dort verrichtetet hatten. Die Schließfächer in der Unterführung Heinrich-Heine-Allee? Abgebaut, weil man es auch nicht geschafft habe, den Schlafplatz sauber zu hinterlassen. Der Tausendfüßler? Abgerissen – war auch mal ein guter Ort, um trocken und ruhig zu pennen.

Nachdenkliche Teilnehmer

Vorurteile ab- und Verständnis aufbauen. Das gelingt mit diesen Rundgängen, die von fiftyfifty und Zakk gemeinsam initiiert werden. Daniel Kuhles (26) und Jessica Teske (28) studieren bei der DAA Wirtschaftsakademie am Hauptbahnhof: „Wenn man dann da abends mal zu seinem Auto geht, ist einem mulmig. Jetzt haben wir gesehen, wie Obdachlose leben.“ Und wie gut es einem selbst geht – sagen viele der Teilnehmer hinterher nachdenklich. Andreas (30) und Kirstin (29) ergänzen: „Wir haben gelernt, dass es viel Hilfe gibt, für die Obdachlosen. Das ist mehr als wir bisher dachten.“

Dann verabschieden sich alle voneinander. Und gehen zurück in ihr Leben.