Düsseldorf. .
Die Altstadt in Düsseldorf ist mittlerweile ein Mekka der Junggesellenabschiede. Der Alkohol fließt in Strömen und die Polizei hat deswegen immer mehr zu tun. Doch wie umgehen mit dieser „Ballermannisierung“?
Es ist eng, laut und bunt. Samstag, 20 Uhr, Bolkerstraße in der Düsseldorfer Altstadt, Mekka der Junggesellenabschiede: Aus einer Kneipe dröhnt Musik - die vom knallroten Gummiboot. Über der Menschenmasse schwebt der süßliche Geruch von Alkohol und Schweiß.
Körper drängen sich aneinander. Mittendrin ein jungen Mann: Unterhose, Netz-T-Shirt, eine Kette aus Stringtangas um den Hals. Michael (25) kommt von der Mosel, bei Trier. In zwei Wochen wird er dort heiraten. Vorher muss er sich zum Deppen machen, so wollen es seine Freunde, auf deren T-Shirts steht: „Ein Sexgott verlässt den Olymp“. Was in Düsseldorf passiert, bleibt in Düsseldorf. So könnte das Motto manchen Junggesellenabschiedsgruppe vom Land lauten.
Mittlerweile rücken komplette Fußballmannschaften gröhlend in der Altstadt an, vielfach sind sie schon am Nachmittag betrunken. Dass derartige Festivitäten immer mehr werden, stellt auch die Ordnungsmacht fest: Langfristig habe man eine Zunahme beobachtet, so Polizeisprecher Jochen Schütt. Straftaten gingen von diesen Gruppen nur in Einzelfällen aus. Doch da es „immer mehr solcher Geschichten“ gäbe, bedeute dies mehr Arbeit für die Beamten. Während die Polizei den Beschwerden über die feiernden Gruppen nachgeht, fehlt sie an anderer Stelle.
Düsseldorf sei toleranter
Wieder im Gewühl der Bolkerstraße: „In Köln sind Junggesellen nicht gerne gesehen. Düsseldorf ist da toleranter und offener“, sagt Daniel (25), ein Freund von Bald-Ehemann Michael. Er erklärt die Details des Verabschiedungsrituals: Den Po haben sie Michael bereits mit Wachsstreifen enthaart. Auf ihn warten noch Prüfungen wie ein Fruchtbarkeitstanz - und dazwischen gibt es natürlich jede Menge Alkohol.
Gesitteter geht es da bei den Damen aus Baden-Württemberg zu: Die künftige Braut mit rosa Plüschhut, Sandra (22), ist mit sieben Freundinnen angereist. Sie musste bereits Walzer mit einem Fremden tanzen. Schwester Dana (26) erklärt: „Ursprünglich wollten wir nach Mallorca fahren.“ Das sei zu teuer gewesen und in Düsseldorf gebe es ja auch einen Ballermann 6. Warum die Frauen hier sind, steht auf ihren Shirts: „Sandra heiratet. Ich bin nur zum Saufen hier.“
Mittlerweile ist die Unterwäsche- und Sexspielzeugdichte im öffentlichen Raum nirgends so hoch wie samstagsabends auf der Bolkerstraße. Da werden junge Männer mit Spitzenschlüpfern dekoriert und künftige Gattinnen verkaufen Handschellen.
Gespaltene Meinungen
Die Meinungen der Düsseldorfer über derartige Festivitäten sind gespalten: Die einen finden es lästig, andere betonen, dass ein großer Teil der Gastronomie auf der Bolkerstraße davon lebt. Dirk Schaper, Vorsitzender der Altstadtgemeinschaft, sieht die Bolkerstraße als „Spiegel bundesrepublikanischer Wirklichkeit. Die Menschen scheinen Gefallen daran zu finden, sich in dieser Form zu entblöden.“
Als Außenstehender müsse man fassungslos zur Kenntnis nehmen, dass dort Ganzjahreskarneval gefeiert werde. Aber: Viele Betriebe leben von diesen Gästen. Im Verhältnis zu anderen Städten sei diese Partyszene überschaubar: In Düsseldorf sei sie räumlich begrenzt auf die Bolkerstraße und zeitlich auf Freitag und Samstag, da rund 90 Prozent dieser Gruppen von außerhalb kämen. Solange das so bleibe, bestehe kein Problem.
Auch SPD-Ratsherr Matthias Herz sieht beide Seiten der „Ballermannisierung“: Viele Düsseldorfer meiden die Bolkerstraße, aber die Gastwirte verdienen gutes Geld mit den auswärtigen Besuchern. „Es liegt in der Verantwortung der Wirte, wie sie damit umgehen.“ Die Politik habe kaum Einfluss. Dass das Image der Stadt Schaden nehme, denkt Herz nicht. Schlimmere Zeiten habe das Zentrum schon gesehen: die Straßenschlachten zwischen Punks und Polizei in den 1970/80er Jahren.
Altstadt habe ein Renommee zu verlieren
„Die Altstadt hat ein gewisses Renommee zu verlieren“, sagt hingegen Andreas Hartnigk, ordnungspolitischer Sprecher der CDU-Ratsfraktion. Gerade im Sommer würden die Junggesellenabschiede mittlerweile noch mehr überhand nehmen. Sie vergraulten Stammkunden.
„Eigentlich gehen sie einem auf den Geist, aber es sind zahlende Gäste“, meint auch Bürgermeisterin Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP).