Düsseldorf. Bedarf an Prostitution wird zur Fußball-EM 2024 in Düsseldorf viermal höher sein, sagen Fachleute. Was das für die Stadt bedeutet.

Bei der Fußball-EM, die im Sommer 2024 auch fünf Spiele nach Düsseldorf bringen wird, soll es das nächste Sommermärchen geben. Dass dies nicht für alle Menschen in der NRW-Landeshauptstadt gilt, wurde diese Woche bei einem Vortrag von Birgit Schmitz vom Sozialdienst katholischer Frauen und Männer (SKFM) im Gleichstellungsausschuss klar. Schmitz ist gleichzeitig Leiterin des Düsseldorfer Rahab-Projekts, das Menschen in der Prostitution berät und unterstützt. „Bei der EM wird es Schätzungen zufolge viermal so viel Bedarf an Prostitution in unserer Stadt geben“, sagt die Expertin. „Wir denken auch, dass dann der Straßenstrich stark anziehen wird.“

Besuche in Bordellen, FKK-Clubs, Domina-Studios und Privatwohnungen

Mitarbeitende von Rahab kümmern sich in der Regel zwei- bis dreimal pro Woche um Frauen und Männer, die sich in Düsseldorf prostituieren - oder prostituiert haben. Sozialarbeiterinnen gehen dazu in Düsseldorf in Bordelle, FKK-Clubs, Domina-Studios und Privatwohnungen unter Sicherheitsvorkehrungen, donnerstags wird dazu regelmäßig der Straßenstrich (Charlottenstraße) besucht. Dabei geht es nicht in erster Linie darum, die Sexarbeitenden aus ihrer Lage zu befreien, sondern vielmehr um niederschwellige Beratung. Das können Antworten zu rechtlichen Themen sein, Unterstützung bei einer Schwangerschaft oder Hilfe beim Aufsuchen von Ämtern. „Wir haben in einem Jahr 3008 aufsuchende Kontakte gehabt, das sind 30 Personen pro Tag“, berichtete Schmitz im Gleichstellungsausschuss. „Das werden im Jahr der EM deutlich mehr werden müssen. Wir hoffen da auch auf die Unterstützung durch das Ordnungsamt, da lief die Zusammenarbeit bisher sehr gut.“

Beratung für Prostituierte

Rahab ist in Düsseldorf die Beratung für Menschen, die in der Prostitution sind oder waren. Sie unterstützt bei allen Fragen und Anliegen rund um das Thema Prostitution. Sie findet unter dem Dach des SKFM Düsseldorf statt. Kontakt telefonisch unter 0211/4696-247 oder 0177-7469646 oder 0159-04533494 sowie per Mail unter rahab@skfm-duesseldorf.de

Das Projekt Rahab wird unterstützt vom „Runden Tisch Prostitution“ in Düsseldorf und kooperiert mit einer ganzen Reihe von Partnern wie der Frauenberatungsstelle, Gesundheitsamt, Polizei und Ärzten. In der Rheinmetropole gibt es laut Schätzungen rund 700 „Anlaufstellen“ für Freier, dazu tausende Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter. Die Sozialarbeiterinnen konnten im vergangenen Jahr 437 feste Beratungskontakte zu 116 Personen in die Räume von Rahab an der Ulmenstraße im Stadtteil Derendorf verlagern.

„Das ist eine gute Bilanz“, sagt Schmitz, denn so könne man den Sexarbeiterinnen besser und gezielter unter die Arme greifen. „Viele der Frauen sind nicht krankenversichert, da gibt es also ein großes Problem mit der medizinischen Versorgung.“ Zudem gäbe es aktuell große Probleme bei der Wohnungssuche. „Das ist natürlich in Düsseldorf nicht nur ein Problem von Prostituierten“, weiß Schmitz.

Debatte um das „Nordische Modell“

Immer wieder wird in Düsseldorf auch über die Einführung des sogenannten Nordischen Modells diskutiert. Dieses erstmals im Jahr 1999 in Schweden angewandte Modell beschreibt eine Form von Prostitutionsverbot. Es kriminalisiert aber nur den Kunden, nicht den Menschen, der sich prostituiert. „Viele Sexarbeiterinnen halten allerdings nichts davon, weil ihnen so die Kundschaft abhanden kommt“, sagt Birgit Schmitz.

Düsseldorfs Gleichstellungsbeauftragte Elisabeth Wilfart, die auch schon eine Beratungsstelle für Prostituierte in Dortmund leitete, ergänzt: „Auch wenn Prostitution durchaus ambivalent betrachtet werden muss, hat sich gezeigt, dass sich Verbote in diesem Kontext nicht erfolgreich umsetzen lassen.“ So werde in den Ländern, „wo das nordische Modell eingesetzt ist, darüber debattiert, ob dieses Verbot wirklich sein Ziel erreicht oder ob Prostitution nicht lediglich in die Illegalität verdrängt und somit unsichtbarer wird“.

So oder so, die Verantwortlichen des Projekts Rahab wünschen sich für die Zukunft eine bessere finanzielle Unterstützung für ihre Arbeit. Und das habe nicht nur mit der EM im nächsten Jahr zu tun. Es geht auch darum, Prostituierten einen beruflichen Ausstieg zu ermöglichen „Wir arbeiten bsiher mit einen Second Hand-Laden und einem Frühstücks-Caterer zusammen“, berichtet Schmitz. In 2023 habe man zehn Frauen in Jobs unterbringen können. „Das wird jetzt aber schwierig wegen der prekären Haushaltssituation in den Jobcentern.“