Düsseldorf. Eine Schweizer Studie zeigt die Vorteile von Tempo 20 in der Stadt auf. Davon lassen sich auch NRW-Städte überzeugen. Und Düsseldorf?

In Xanten ist es bereits soweit, in Mülheim an der Ruhr wurde dem Vernehmen nach ein Testlauf beendet und für gut befunden: Tempo 20 in der Innenstadt. Doch eine Einführung ist in Düsseldorf – zumindest bisher – nicht so einfach.

Forderung nach mehr kommunalem Handlungsspielraum

Laut Straßenverkehrsordnung sind die Städte nur in Ausnahmefällen dazu befugt, überhaupt Tempo 30 anzuordnen. Norbert Czerwinksi, Ratsherr der Düsseldorfer Grünen und Mitglied im städtischen Verkehrsausschuss, bremst daher die Erwartungen: „Bevor wir über Tempo 20 diskutieren, sollten wir uns zunächst darum kümmern, Tempo 30 flächendeckend umzusetzen.“

Bisher sei Tempo 50 die innerörtliche Norm, was dafür sorge, dass jede 30er-Zone aufwendig genehmigt werden müsse. Kehrte man das Verhältnis um, mache 30 zur Norm wäre schon viel gewonnen, so der Ratsfraktionsvorsitzende der Grünen. Czerwinksi fordert zudem mehr kommunalen Handlungsspielraum. Dafür setze sich auch die Stadt ein. „Die Kommunen müssen das selber festlegen können“, so der Grünenpolitiker. Denn bisher bedeute die Einführung einer 30er-Zone einen erheblichen „bürokratischen Aufwand“.

Auch deshalb engagiert sich Düsseldorf in der Initiative Lebenswerte Städte und Gemeinden. Diese fordert, dass die Kommunen selbst die Höchstgeschwindigkeiten festlegen können. In der Initiative sind mittlerweile 943 Städte und Gemeinen versammelt, die sich sogar auf einen Entschluss des Bundestags von 2020 beziehen können. Dieser fordert, dass die Kommunen auch „unabhängig von besonderen Gefahrensituationen“ Tempo 30 anordnen können. Eine entsprechende Veränderung der Straßenverkehrsordnung stehe aber noch aus.

Pioniergroßstadt Hannover

Unter den Landeshauptstädten prescht indes Hannover vor. Hier soll die City „dort, wo Räume von verschiedenen Verkehrsteilnehmern genutzt werden“ zur 20er-Zone werden, wie die Stadt Hannover mitteilt. Hervorgehoben werden dabei die Sicherheitsaspekte.

Andreas Hartnigk (CDU), stellvertretender Vorsitzender im Ordnungs- und Verkehrsausschuss, widerspricht und sagt, dass die meisten Unfälle in der Innenstadt Abbiegeunfälle seien, die ohnehin bei niedrigerem Tempo passierten. Große Auswirkungen auf das Unfallgeschehen würde ein Tempolimit bei 20 Stundenkilometern also gar nicht haben. Außerdem verweist er auf Düsseldorfer Besonderheiten. Die Landeshauptstadt sei eine Pendlerstadt, Tempo 20 würde hier nur für längere Wartezeiten und Staus sorgen.

Andreas Hartnigk sieht Probleme für den ÖPNV

Doch auch in seiner Funktions als Aufsichtsratsmitglied der Rheinbahn ist Hartnigk kein Befürworter von Tempo 20: „Das bremst den ÖPNV aus.“ Fahrtzeiten würden verlängert, man bräuchte mehr Fahrzeuge, mehr Fahrer – angesichts des Fachkräftemangels sei das gerade aber schwierig.

Gegen Tempo 30 hingegen spräche erstmal wenig. Allein die Durchgangsstraßen sollten ausgenommen bleiben. Die Pendlerstadt Düsseldorf brauche ihre Hauptachsen, damit der Verkehr sich nicht auf Schleichwegen durch die Wohngebiete bewege. „Tempo 20 ist kein probates Mittel für Düsseldorf“, so Hartnigk. „Woanders mag das funktionieren.“

SPD-Politiker: „Einfach mal ausprobieren“

Auch Ferry Weber vom Verein „Fuss e.V.“ steht einer Einführung von Tempo 20 eher verhalten gegenüber. Auch er weist auf die hohe Zahl von Einpendlern in Düsseldorf hin. 2022 wurde mit 277.674 Personen ein neuer Höchststand erreicht. Sollten diese nun bei Tempo 20 durch die Innenstadt schleichen, würde es zu mehr Verkehrsstaus und höheren Emissionen vor Ort kommen. Dennoch sei Tempo 20 nicht per se zu verwerfen. Allerdings sollten die Zonen „nur in äußersten Gefahrenlagen“ eingeführt werden. Als eine Art Bindeglied zwischen den Spielstraßen und den 30er-Zonen. Eine pauschale Einführung aber sei nicht ratsam.

Martin Volkenrath von der Düsseldorfer SPD hingegen plädiert dafür, es doch einfach mal auszuprobieren. Der Verkehrspolitiker regt an, einzelne innerstädtische Bereiche testweise zu 20er-Zonen zu erklären. Von der „Entschleunigung des Individualverkehrs“ halte er viel. Und überhaupt: „Da, wo viel Fußverkehr ist, macht das Sinn.“ Sein Credo: „Machen. Auswerten. Mut haben.“

Was sagt die Wissenschaft?

Die Stadtverkehrsforscher Daniel Sauter und Marco Hüttenmoser führten in Basel eine Studie zum Zusammenhang zwischen Tempolimit und Lebensqualität durch. Demnach fühlten sich Menschen, die in 20er-Zonen lebten, zu fast 60 Prozent sicherer als solche an Straßen mit Tempo 50.

Außerdem rechneten Leute in 20er Zonen zu 22 Prozent häufiger mit Hilfe, sollte etwas geschehen. Auffällig ist auch, dass Frauen in 20er-Zonen deutlich weniger Angst vor Belästigungen und Übergriffen haben. Bei Tempo 50 sind es 45 Prozent, bei Tempo 30 sogar 57 Prozent, bei 20 nur noch 16 Prozent.

Link zur Studie: https://www.kindundumwelt.ch/de/_files/NFP51MOSchlusszusammenfassung.pdf