Düsseldorf. Während einige Wirte die Spiele zeigen werden, boykottiert die nächste Düsseldorfer Kneipe die Übertragung der Fußball-WM. Die Gründe.
Tote beim Stadionbau, Hohe Ticket-Preise und Menschenrechtsverletzungen – all das überschattet die diesjährige Fußball-WM in Katar (20. November bis 18. Dezember). Mit Altstadtwirt Daniel Vollmer hat bereits der erste Düsseldorfer Kneipier angekündigt, die Spiele der umstrittenen Fußball-Weltmeister im Emiratenstaat in seiner Retematäng-Bar an der Ratinger Straße wegen den Zuständen in Katar zu boykottieren (die NRZ berichtete).
Zum Hintergrund: Laut Medienberichten sind mehr als 6500 Arbeiter bei den Bauarbeiten der WM-Stadien gestorben, seit Katar den Zuschlag erhielt. Auch die Lebensbedingungen für die Arbeiter in Katar werden von Menschenrechtsorganisationen als menschenunwürdig bezeichnet. Das Land steht zudem wegen eingeschränkter Frauenrechte und homophober Einstellung in Kritik.
Rudelgucken ist lukrativ für Wirte
Aus diesen Gründen gab Vollmer bekannt, die WM-Spiele nicht zu zeigen. „Wir würden uns selbst für Heuchler halten, wenn wir auf der einen Seite dieses Turnier scharf verurteilten und auf der anderen Seite durch eine Übertragung damit Geld generieren würden“, so der Kneipenbesitzer. Dabei könne er verstehen, wenn andere Wirte im Stadtgebiet nicht mitziehen und die WM auf den Bildschirmen laufen lassen.
Immerhin haben sich seit 2006, als Fußball-WM in Deutschland stattfand, diverse Public Viewing- und Rudelguck-Formate in Düsseldorf bei Fußball-Großveranstaltungen etabliert: „Das ist für Wirte und Gastronomen natürlich eine Goldgrube. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die Branche durch die Corona-Pandemie stark gelitten hat. Deswegen will ich auch nicht den großen Moralapostel spielen.“
An seinem Entschluss, auf Übertragungen zu verzichten, hält der Inhaber der Retematäng-Bar dennoch weiterhin fest. „Die WM findet im wahrsten Sinne des Wortes auf Leichen statt. Deswegen kann ich auf der einen Seite die WM nicht verurteilen und auf der anderen Seite Geld damit verdienen.“ Natürlich wisse er, dass der WM-Boykott von Wirten in Düsseldorf für den Milliarden-schweren Fußball-Weltverband FIFA keine Rolle spielt, dennoch verteidigt Daniel Vollmer den Schritt, in der Vor-Weihnachtszeit auf das durchaus lukrative Geschäft mit vielen Fußballfans zu verzichten. „Bei meinen Gästen ist die WM eh verpönt. Und wenn keiner was wegen den Missständen in Katar macht, passiert auch nichts.“
Bilker Häzz verzichtet auch
Und mit dieser Meinung ist der Inhaber nicht allein. „Wir werden die Spiele nicht übertragen und unterstützen das Vorgehen von Daniel Vollmer“, sagt Micha Nord, Betriebsleiter vom Bilker Häzz an der Bilker Allee und Fortuna-Fan. „Die WM hat nichts mehr mit Fußball zu tun.“ Und das habe gleich mehrere Gründe. „Es fängt ja schon allein bei den Arbeitsbedingungen an. Hinzu kommt eine homophobe Einstellung im Land“, so Nord.
Doch dass sei noch längst nicht alles. „Wir unterstützen auch nicht, dass dort Personen, die unehelichen Sex haben, strafrechtlich verfolgt werden.“ Neben den vor Ort in Katar herrschenden Bedingungen kritisiert Nord vor allem die in die Höhe explodierten Preise. „Man hat ja schon keine Möglichkeit mehr, sich ein Hotel zu buchen.“
Kasematten und Postämtchen zeigen die WM
Ein anderes Bild zeigt sich hingegen im Postämtchen in der Stadtmitte. „Wir werden die Spiele zeigen“, sagt Inhaber Klaus Eisenkamp. „Wir sind natürlich dennoch klar dagegen, wie die Verhältnisse in Katar sind.“ Dennoch betont der Inhaber: „In der Weihnachtszeit werden sowieso weniger einschalten. Aber sobald unsere Nationalmannschaft Erfolg hat, schalten die Leute automatisch ein.“
Auch an den Kasematten an der Rheinuferpromenade werden die Spiele ebenfalls gezeigt, kündigt Betriebsleiter Patrick Ogiermann nach längeren internen Diskussionen an: „Wir als Kasematten sind ein Zufluchtsort fürs Rudelgucken. Das hat sich in den letzten Jahren so entwickelt. Deswegen werden die WM-Spiele nach Absprache mit unseren Mitarbeitern zeigen“, so Ogiermann.
Natürlich sei man bei den Kasematten lange in einem Zwiespalt gewesen und wisse, dass die WM in Katar für viele Diskussionen bei Fußball-Fans sorgt. „Dieses Jahr war es eine schwierige Entscheidung, dennoch wollen wir unseren Gästen nicht vor den Kopf stoßen, die die WM bei uns schauen wollen. Dafür sind wir bei solchen Fußball-Events einfach zu hoch frequentiert.“
Noch viel Unschlüssigkeit
Unschlüssigkeit, wie man mit der Situation umgeht, herrscht auch in der Altstadt. „Wir können noch nichts genaues dazu sagen“, betont Frank Hermsen, Geschäftsführer der Altstadt Gemeinschaft. „Aber die Meinungen werden sich da vermutlich teilen.“ Dennoch gehe er davon aus, dass wohl ein überwiegender Teil die Spiele zeigen werde.
In der Oberbilker Bar „Kassette“, die sonst auch Fortuna-Spiele zeigt, will Betreiber Tobias Wecker demnächst sein gesamtes Team „demokratisch entscheiden lassen, ob wir die WM zeigen oder nicht“. Er selbst sehe die Sache ambivalent. „Ich kann die Wirte total verstehen, die die WM boykottieren“, sagt er.
Denn was mit Katar in Sachen Vergabe und Stadionbau passiert sei, „ist eine totale Katastrophe. Für mich ist ein Boykott aber auch immer der einfachste Weg. Man muss diese WM ja nicht abfeiern, man kann auch einen Mittelweg finden und beispielsweise in der Bar einen Themenabend zur Menschenrechtsfrage veranstalten“. Wecker selbst ist übrigens gespannt, wie die öffentlich-rechtlichen Sender während der WM mit dem Thema umgehen werden.