Düsseldorf. Deutsches Fernsehkrimi-Festival: Auszeichnung für Schauspieler André Kaczmarczyk und Lucas Gregorowicz als bestes Ermittlerduo im Polizeiruf 110.

Besser hätte der Start als neuer TV-Kommissar kaum laufen können: Nach seiner Premiere als neuer Partner von Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) im Brandenburger Polizeiruf 110 wurde der Düsseldorfer Schauspieler André Kaczmarczyk Ende Januar mit Lob überschüttet. Der 36-Jährige spielt in der Auftakt-Folge „Hildes Erbe“ den jungen Polizisten Vincent Ross, einen feinfühligen Exoten, der gerne Rock trägt und auf klassische Rollenbilder pfeift. Eine Figur, die vor allem im Duett mit dem Kollegen Raczek funktioniert – einem stereotypen Kommissar und Bilderbuch-Macho.

Die beiden sind ein zauberhaftes, explosives Gemisch, bei dem die Chemie so stimmig ist, dass ihr Spiel nicht nur das Publikum, sondern auch die Jury des Deutschen Fernsehkrimi-Festivals überzeugt hat. Bei der Preisverleihung in Wiesbaden wurden André Kaczmarczyk und Lucas Gregorowicz jetzt mit dem Sonderpreis für das beste Ermittlerduo ausgezeichnet. Das Fazit der Jury: „Ein wunderbar ungleiches Ermittler-Duo, das durch seine ganz eigene Dynamik diesen Polizeiruf neu erfindet.“

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Für André Kaczmarczyk, den die Düsseldorfer aktuell unter anderem als Macbeth im Schauspielhaus feiern, war die Entscheidung für den Job als TV-Kommissar ein mutiger Schritt. Und eine ganz neue Erfahrung. „Ich hätte das vorher auch nicht gedacht, dass ich mal in so einem Kontext arbeiten würde.“ Für ihn öffnet sich mit dem Engagement des Fernsehsenders RBB beruflich jetzt eine neue Tür. Das bedeutet auch ein Stück Abschied vom Düsseldorfer Schauspielhaus, wo er, der Publikumsliebling, ab der kommenden Saison nur noch als Gast auf der Bühne stehen wird.

Das wird kein Vergleich mehr zu dem gewaltigen Arbeitspensum sein, von dem er bei einem Gespräch im Frühjahr 2019 berichtet hat.

André Kaczmarczyk als Macbeth im Düsseldorfer Schauspielhaus. Premiere war im November 2021.
André Kaczmarczyk als Macbeth im Düsseldorfer Schauspielhaus. Premiere war im November 2021. © Thomas Rabsch | Thomas Rabsch

>>> EIN RÜCKBLICK: ANDRÉ KACZMARCZYK 2019 – PORTRÄT EINES TAUSENDSASSAS

Düsseldorf. Sonne? Mein Gegenüber blinzelt irritiert in das überraschend intensive Licht dieses Aprilnachmittags. Er kommt aus dem fensterlosen Bühnenraum des Central, dem Langzeitausweichquartier des Düsseldorfer Schauspielhauses. Vier Stunden Vormittagsprobe liegen hinter ihm, die nächste folgt um 18 Uhr. Coriolan, Shakespeares Alterswerk, hat am 18. April 2019 Premiere. André Kaczmarczyk wird die Titelfigur spielen, den aufstrebenden Feldherrn Caius Martius. Eine Rolle, die sich zu den vielen anderen gesellt, die der 33-Jährige aktuell mit all seinen Sinnen zusammenhalten muss. „Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, wie viele Produktionen ich parallel mache“, sagt er und rührt im Cappuccino. Gefühlt ist er in so gut wie jeder Aufführung zu sehen.

2016 aus Dresden nach Düsseldorf gekommen

Das sitzt er, der Mann, den Publikum und Kritiker für sein leidenschaftliches Spiel und seine intensive Ausstrahlung mit viel mehr als nur Applaus belohnen. Eine heftige Zuneigung hat er sich in der kurzen Zeit erspielt. Seit André Kaczmarczyk 2016 mit dem Intendanten Wilfried Schulz aus Dresden nach Düsseldorfer wechselte, bekam er gleich zweimal hintereinander den Publikumspreis Gustaf, die Stadt Düsseldorf reihte sich ein mit dem Förderpreis für Darstellende Kunst und in der Kritiker-Umfrage der Welt am Sonntag wurde er 2017 und 2018 zum besten Schauspieler in NRW gekürt. „Doch, ja, natürlich freut mich das. Sehr sogar“, sagt er, der sowohl beim Applaus nach den Aufführungen als auch im Gespräch so bescheiden wirkt. Seine Stimme, mit der er als Erich Kästners Fabian den Lebensschmerz so mitreißend aus sich heraus schreit, klingt unerwartet leise.

André Kaczmarczyk streicht sich die braunen Haarsträhnen aus dem Gesicht, die ihm den Blick auf die Sonne nehmen. Neben dem Café im Bahnhofsviertel lärmt die Großstadt. Ist er warm geworden mit Düsseldorf? „Schwierig, wenn man nur im Theater ist.“ Freie Zeit ist mehr als rar. Caligula, Lazarus, Sandmann, Don Karlos. Um sie dreht sich aktuell fast sein ganzes Dasein. Aber auch, wer neben dem privaten Rückzugsort im Stadtteil Flingern nicht viel mehr als Supermarkt, Cafés und Spielstätten sieht, sammelt Eindrücke. Die rheinische Offenheit ist dem Mann, der 1986 in Thüringen geboren wurde, immer noch fremd. „Manchmal vermisse ich die ostdeutsche Grummeligkeit.“

Unbändige Leidenschaft: André Kaczmarczyk als Caligula – mit Yohanna Schwertfeger auf der Bühne im Düsseldorfer „Central“.
Unbändige Leidenschaft: André Kaczmarczyk als Caligula – mit Yohanna Schwertfeger auf der Bühne im Düsseldorfer „Central“. © Sandra Then | Sandra Then

Sonderbar findet er auch, wie viele Leute zu den Theateraufführungen zu spät kommen und den Saal schon wieder verlassen, bevor der Applaus abebbt. „Die wollen schnell zur Garderobe und zur Bahn. Das habe ich so noch nirgends erlebt.“ Eine Kleinigkeit, verglichen mit dem, was sich Thomas Geisel seiner Meinung nach geleistet hat. Dass der Oberbürgermeister öffentlich überlegt hat, ob man den teuren Theaterbau nicht besser anders nutzen könnte, macht André Kaczmarczyk fassungslos: „Darüber bin ich immer noch sauer.“ Schon so lange kämpfen seine Kollegen und er mit den Widrigkeiten im Provisorium Central. „Der Betrieb ist einfach müde von dieser Zwischenlösung, die uns allen so viel abverlangt.

Extreme Herausforderung nach der Aufführung

„Dass die Schauspieler keinen Rückzugsort haben, ist nur eines von vielen Problemen. Wollen sie nach der Aufführung noch kurz beisammen sein, bleibt ihnen nur die Bar auf der Brücke, wo auch das Publikum einkehrt. Für einen wie André Kaczmarczyk kann das zur extremen Herausforderung werden. Wer ihn dort nach drei Stunden als Fabian mit tief ins Gesicht gezogener Mütze sieht, wie er den Blicken ausweicht, könnte das als Arroganz interpretieren. „Nein, das ist es nicht“, sagt er. „Es ist wirklich schön, dass die Leute nach einer Vorstellung in Kontakt kommen wollen, aber es kann an manchen Tagen eben auch anstrengend sein.“ Nach der Vorstellung fühle er sich wie in einem „Zwischenreich“. Wie ein Echo hallt seine Rolle dann noch nach. „Ich muss dann erst mal mein Gehirn sortieren.

„Vielleicht sind es Eigenarten wie diese, die ihn zum Publikumsliebling machen. Die Leute spüren die unbändige Leidenschaft, mit der er sich in die Figuren stürzt – bereit, das Letzte aus sich herauszuholen. „Viele Kollegen sagen, das Pensum in unserem Beruf ist ins Absurde gestiegen.“ Während die immer größer werdende Arbeitsanforderung manch einen in die Knie zwingt, scheint es ihn zu beflügeln. „Ich mache meine Arbeit ja gerne. Ich kann das aushalten.“ Mit Leere könnte er schlechter umgehen.

Fabian oder Der Gang vor die Hunde; André Kaczmarczyk – gefangen zwischen den Beinen von Cathleen Baumann.
Fabian oder Der Gang vor die Hunde; André Kaczmarczyk – gefangen zwischen den Beinen von Cathleen Baumann. © Sandra Then | Sandra Then

Dennoch: Auch ein schauspielerisches Kraftpaket wie ihn schlaucht der Aufführungs- und Probenmarathon. Müde sieht er aus. Der Kopf wird ihm schwer. Mit der Hand stützt er die Stirn, als er darüber sinniert, was besser laufen könnte im Theaterbetrieb. „Die Politik macht so viel von der Auslastung abhängig. Doch Theater ist mehr als nur ein schnelles Event. Aber vielleicht ist das ja auch nur für mich so.“

André Kaczmarczyk zieht den Mantel, den er trotz Frühlingssonne nicht abgelegt hat, enger an sich heran. Wer so viel gibt wie er, muss auf sich achtgeben. In jeder Hinsicht. Der blaue Stoff wirkt wie eine Schutzhülle. Nicht zu viel an sich heranlassen, nicht zu viel preisgeben. Und, ganz praktisch: Der Mantel hält den Körper warm. „Krank geht gar nicht.“

Fieber zählt zu den geringsten Übeln, mit denen sich Schauspieler auf die Bühne schleppen. „Ich bin so froh, dass jetzt der Frühling kommt“, sagt der 33-Jährige und reckt die blasse Nase Richtung Sonne. Dann muss er gähnen. „Wie spät ist es eigentlich?“ Nur noch knapp zwei Stunden bis zur Probe. „Jetzt muss ich aber nach Hause.“ Er hängt sich die braune Ledertasche über die Schulter und verabschiedet sich mit zartem Händedruck, sanftem Lächeln und weicher Stimme. Schwer vorstellbar, dass er gleich als römischer Feldherr auf der Probebühne poltern wird.