Düsseldorf. Publikumsliebling André Kaczmarczyk gibt seinen Einstand als TV Kommissar Vincent Ross. Das hat Konsequenzen fürs Düsseldorfer Schauspielhaus.
Selbst wenn André Kaczmarczyk einen Fernseher hätte – am nächsten Sonntagabend würde er ihn nicht einschalten. „Das halte ich nicht aus“, sagt er und atmet am Telefon hörbar tief aus. Nein, die neue Folge des Polizeiruf 110 aus Brandenburg ist dem 35-Jährigen nicht zu spannend. Den Mörder kennt er ja schon. Zuschauen könnte er allein deshalb nicht, weil es ihn vor seinem eigenen Anblick graust. Das bereitet ihm ein ganz anderes Lampenfieber als die vielen Premieren, die er schon über die Theaterbühne gebracht hat. „Da sehe ich mich ja zum Glück nie selber“, sagt er. Und man hört sehr deutlich heraus, dass das keine Koketterie ist.
Der Schauspieler des Düsseldorfer Ensembles gibt am 30. Januar in der ARD seinen Einstand als Kommissar Vincent Ross. Er fühlt sich ehrlich unbehaglich mit diesem offiziellen ersten Mal, wenn er pünktlich zur Krimizeit um 20.15 Uhr als Nachfolger von Maria Simon eingeführt wird. An der Seite von Lucas Gregorowicz ist der Publikumsliebling des Düsseldorfer Schauspielhauses ab sofort der Neue im ostdeutschen Ermittlerduo des Polizeiruf 110. Irgendwann mal wird er sich die Folge in der Mediathek angucken. „Aber nicht dann, wenn ich weiß, dass auch alle anderen das gerade sehen.“
Kann das was geben? André Kaczmarczyk als TV-Kommissar? Die Frage darf man sich stellen, während man all die Theaterrollen und Bühnenmomente Revue passieren lässt, denen der gebürtige Thüringer seit 2016 im Schauspielhaus mit seiner höchst eigenen Art etwas so Besonderes gegeben hat, dass er mehrfach zum besten Schauspieler in NRW gekürt wurde „Ich hätte das vorher auch nicht gedacht, dass ich mal in so einem Kontext arbeiten würde.“
Der Kommissar sorgt für Aufsehen, weil er gerne Röcke trägt
Nun also ein Polizist. Aber was für einer! Vincent Ross ist anders als andere. Der Kriminalkommissaranwärter, der frisch von der Polizeischule kommt, hat ein sanftes Wesen und trägt auch gerne mal einen Rock. Warum auch nicht? Der junge Ermittler hat ein Faible für Kleidung, die mit geschlechtlicher Uneindeutigkeit spielt und die Grenzen auslotet, was Mann tragen darf. So viel verrät der Sender rbb vorab.
Im Kommissariat an der deutsch-polnischen Grenze prallen also zum Auftakt der neuen Reihe Welten aufeinander. Eine zwischenmenschliche Herausforderung erwartet den seit 2015 von Lucas Gregorowicz gespielten Ermittler Adam Raczek. Auf der einen Seite er, der stereotype Kommissar; laut und ruppig. Auf der anderen der feinfühlige Exot, mit abgebrochenem Psychologiestudium und liebenswertem Hang zum Altklugen.
Eine Bühne für Vielfalt und Toleranz aller Daseins- und Lebensformen
„Ja, ich glaube, ich mag den Typen“, sagt André Kaczmarczyk über Vincent, den es so gar nicht zu kümmern scheint, ob er maskulin oder feminin wirkt. Er pfeift auf die klassischen Rollenbilder. Ein Thema, dem auch Kaczmarczyk gerne eine Bühne bereitet. Am Düsseldorfer Theater war er bisher nicht nur für die großen Klassiker abonniert, sondern hat auch mit seinen selbst kreierten kultigen Liederabenden herrlich bunt und schrill für Vielfalt und Toleranz aller Daseins- und Lebensformen getrommelt.
Gespannt und doch auch nervös war er im Sommer vor den vierwöchigen Dreharbeiten in Brandenburg und Frankfurt an der Oder. „Ich bin da ja ganz neu in ein bestehendes Team gekommen.“ Eines, das ihn schnell sehr herzlich aufgenommen hat, wie er erleichtert feststellte. Auch die Chemie zwischen ihm und Lucas Gregorowicz stimmt. „Wir mochten uns auf Anhieb.“ Beide verbindet nicht nur das Polnische im Blut, sondern auch die Lust, sich in ihren Rollen gemeinsam auszuprobieren. „Lucas ist absolut sympathisch.“
Beschwingt klingt André Kaczmarczyk, wenn er von seiner neuen Arbeit berichtet. Erfreut klingen seine Fans, die ihn aus dem Theater kennen und in den Sozialen Medien jubeln, dass sie ihn künftig via TV daheim im Wohnzimmer erleben. Für sie hat die Sache allerdings einen Haken. Nicht nur, weil ihr Lieblingsschauspieler während der Dreharbeiten für die nächste Folge Polizeiruf 110 im März nur selten auf der Theaterbühne stehen wird.
Zeit für Neues: André Kaczmarczyk verlässt das feste Ensemble des Schauspielhauses
Der Wermutstropfen ist bitterer: Das Engagement des Fernsehsenders ermöglicht ihm einen mutigen Schritt. André Kaczmarczyk wird das Düsseldorfer Ensemble verlassen und ab der nächsten Spielzeit nur noch Gast im Schauspielhaus sein.
Was nach schnellem Abschied klingt, wird keiner sein – beruhigt er. Er will dem Theater am Rhein treu bleiben und spricht von einer „langfristigen, aber lockeren Zusammenarbeit“. Wie groß war die Sehnsucht nach frischem Wind? „Ich freue mich sehr darauf, meine Arbeit freier gestalten zu können.“
In den vergangenen fünf Jahren war André Kaczmarczyk enorm eingebunden in das gewaltige Spielplan-Korsett des Schauspielhauses. Von dieser Mammutaufgabe hat er sich gelöst. „Ich glaube, es ist genau der richtige Schritt zur richtigen Zeit“, sinniert er. Und dann, nach einer Pause, macht er ein gefühlvolles Ausrufezeichen hinter seine Entscheidung: „Das ist wirklich schön so!“ Glücklich klingt das. Und befreit.
>>> HILDES ERBE LÄUFT AM SONNTAG, 30. JANUAR, UM 20.15 UHR IN DER ARD
Der neue Polizeiruf 110 des Rundfunk Berlin-Brandenburg läuft am Sonntag, 30. Januar, um 20.15 Uhr in der ARD. „Hildes Erbe“ heißt die Folge, in der André Kaczmarczyk als Vincent Ross noch vor seinem ersten Arbeitstag in eine Mordermittlung verwickelt wird. Ausgerechnet über seiner neuen Wohnung wird ein Student ermordet, der ihm am Vortag beim Einzug geholfen hat. Kommissar Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) staunt nicht schlecht, auf diese Weise seinen neuen Kollegen kennenzulernen. Die Sendung ist sechs Monate in der ARD Mediathek zu sehen.