Düsseldorf. Auf und vor der Bühne trotzten Gewerkschafter dem Lärmwall der Störenfriede. Es war die erste traditionelle Maikundgebung nach Pandemiebeginn.

„Wir freuen uns sehr, dass wir den ersten Mai wieder gemeinsam hier auf dem Johannes-Rau-Platz feiern können“, sagt DGB-Chefin Sigrid Wolf. Zum ersten mal seit Pandemiebeginn kann der Tag der Arbeit in Düsseldorf wieder wie gewohnt begangen werden. Doch normal ist an diesem Sonntag wenig.

Verschwörungstheoretiker kamen mit Schildern

Die Polizei überprüft Taschen und Ausrüstung der Journalisten und sogar die Rettungswagen mit einem nach Sprengstoff schnüffelnden Vierbeiner. Der außergewöhnliche Besuch des Bundeskanzlers sorgt nicht nur für strengere Sicherheitsvorkehrungen. Auch ein ungewöhnliches Publikum fühlt sich von Olaf Scholz angezogen: Querdenker. Während sie um Elf noch abseits des Platzes stehen – aus ihren Boxen dröhnen Liedzeilen wie „Bitte impft die Kinder nicht!“ herüber – finden bis zur Kundgebung um Zwölf immer mehr von ihnen den Weg auf den Platz. Man erkennt sie etwa an Plakaten, die gegen Impfungen Stimmung machen, vor der „New World Order“ warnen und Scholz zum Kriegstreiber erklären. „Panzer-Scholz ins Zuchthaus!“ steht auf einem. Als kurz vor Zwölf die Maidemonstration eintrifft, ist der Platz rappelvoll.

Moderator Helmut Rehmsen und danach Sigrid Wolf eröffnen gerade die Kundgebung, da geht der Lärm richtig los: Pfiffe und Sprechchöre der Querdenker, darunter „Lügner, Lügner“, sollen offenbar übertönen, was die Gewerkschafterin zu sagen hat. „Wir wollen heute besonders an die denken, die während Corona alles am laufen gehalten haben“, sagt Wolf. Bürgermeister Josef Hinkel (CDU), der stellvertretend für den erkrankten Oberbürgermeister Stephan Keller spricht, steigt direkt einige Lautstärkestufen höher ein – Stadionmodus. Auch Mohamed Boudih, Landesvorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, lässt sich nicht niederbrüllen. „Der Tag der Arbeit ist unser Tag, und den lassen wir uns von niemandem wegnehmen!“ donnert seine Stimme über den Platz. Angebote zum respektvollen Austausch werden von den Störenfrieden durchgehend ignoriert.

Gewerkschafter rangen um Lautstärkehoheit

Mit dem Auftritt des Kanzlers erreicht der Gesamtlärm seinen Höhepunkt. Während Scholz erst über den Ukrainekrieg, dann über Anliegen der Arbeitnehmer spricht, tönt es aus allen Ecken. Rechts vor der Bühne schreien die Querdenker, die selbst wiederum ab und zu ein „Erster Mai nazifrei!“ aus der Menge entgegen skandiert bekommen. Gewerkschaftsmitglieder versuchen angestrengt, mit Jubel und Applaus die Lautstärkehoheit auf ihrer Kundgebung zu behalten. Links der Bühne machen derweil kurdische Aktivisten ihrem Ärger über die türkische Offensive im Nordirak Luft.

Dazwischen hört man Bundestagsmitglied Andreas Rimkus (SPD): „Das ist mein Kanzler!“ ruft er aus dem Publikum. Von Scholz’ Rede zeigt er sich begeistert. Dass die SPD an diesem Tag Präsenz zeigen, sei für die alte Arbeiterpartei sehr wichtig, erklärt sein Parteigenosse Oliver Schreiber. „Alle unsere Erfolge wären ohne den Schulterschluss mit den Gewerkschaften nicht möglich gewesen“, so der Landtagskandidat. Die Gewerkschaften seien eine tragende Säule der demokratischen Gesellschaft, so Schreiber – was besonders an jenem Tag wieder zu sehen sei.

Polizei erstattet Anzeige gegen Störer

Nach Abreise des Bundeskanzlers kehrt langsam Ruhe ein. Als Betriebsräte, darunter Martin Koerbel-Landwehr aus dem Uniklinikum, auf der Bühne sprechen, kann man wieder alles verstehen – etwa, als letzterer ankündigt, dass die UKD-Beschäftigten am Mittwoch in den Streik gehen, um einen Tarifvertrag für ihre Entlastung durchzusetzen.

Trotz allem Ärger zieht DGB-Chefin Wolf eine positive Bilanz. „Es war großartig, dass so viele Kollegen gekommen sind“, sagt sie. „Und wir sind stolz, dass wir das so durchgehalten haben!“

Die Polizei erstattet nun wegen der „groben Störung“ der Kundgebung Anzeige gegen Unbekannt.