Düsseldorf. André Kaczmarczyk begeistert im Düsseldorfer K20 mit Texten von Munch. Der Schauspieler malt mit den Worten des Künstlers Gemälde in den Raum.
Mittwoch, kurz nach 19 Uhr. Eine gewaltige Menschentraube wächst am Fuße der Treppe im Foyer des K20. Gibt’s hier was umsonst? Gibt es! So wie jeden ersten Mittwoch im Monat lädt der KPMG-Kunstabend bei freiem Eintritt zu Führungen und Programm. „Ich bin fast immer dabei, aber so voll war es noch nie“, sagt eine, die in der Schlange ausharrt. Liegt es an Edvard Munch, dem großen Norweger, dem die aktuelle Ausstellung gewidmet ist? Bestimmt, aber nicht nur! „Ich freue mich schon, gleich liest einer meiner Lieblingsschauspieler Texte von Munch“, erzählt eine andere, die schon länger ansteht, um sich einen guten Platz zu sichern.
Es geht um ihn: André Kaczmarczyk. Die Kunstsammlung hat den viel gelobten und geliebten Schauspieler des Düsseldorfer Ensembles für die Lesung engagiert. Nein, eine besondere Beziehung zu Munch hat er eigentlich nicht, sagt der 34-Jährige, der mit schwarzer Wollmütze auf dem Kopf und in bordeauxrotem Anzug im Foyer steht. Unbemerkt von den meisten Wartenden. Die Ausstellung hat er noch nicht gesehen. „Leider!“ Keine Zeit. „Vielleicht schaffe ich es nach der Lesung noch.“
Düsseldorf: André Kaczmarczyk ist das große Gesprächsthema
Alle 320 Plätze im Auditorium sind belegt. Das ist ungewöhnlich für eine solche Veranstaltung. Schon bevor André Kaczmarczyk auf dem Podium Platz nimmt, ist er Gesprächsthema. Dreimal hat die Besucherin in Sitzreihe fünf ihn als Valentine im Musical Lazarus gesehen. Das teilt sie ihrer Sitznachbarin lautstark mit. Diese schwärmt von seinem Auftritt im Dschungelbuch, eine weitere war fasziniert von ihm als König Heinrich VI. Sie sind gespannt, wie er seinen Job als Vorleser machen wird.
Auch interessant
Angela Wenzel von der Kunstsammlung zählt zur Begrüßung nicht nur die Preise auf, mit denen der Schauspieler ausgezeichnet wurde. Sie nennt auch alle seine Rollen, in denen er aktuell zu sehen ist. Das sind sehr viele. „Und wann schläft der Mann?“, kräht ein Besucher beeindruckt in den Saal. „Ich finde, er sieht ganz frisch aus“, scherzt die Kunstwissenschaftlerin. Recht hat sie. Mit wachen Augen betritt der Mann das Podium. Die lockigen Haare hinter den Ohren gebändigt, einen Stapel Papiere in der Hand. Heute ist er also André Kaczmarczyk, der Vorleser. Oder doch Edvard Munch?
Ein großer Schluck Wasser. Zwei, vielleicht drei Sätze braucht er zum Warmwerden. Dann hat er sein Publikum an der Angel. Das ist spürbar und sichtbar. Seine Schultern entspannen sich, die Augen lösen sich vom Papier, der Blick streift die Zuhörenden und ist doch ganz woanders — tief eingetaucht in die Geschichte. „Munch über Kunst“, liest André Kaczmarczyk. Mit seiner sanften Stimme und den Worten des Künstlers zeichnet er Gemälde in den Raum, nimmt uns mit zu den zarten Liebesabenteuern des Malers im Wald, lässt uns seinen tiefen Schmerz über den frühen Tod von Mutter und Schwester spüren.
André Kaczmarczyk macht Munchs Gedanken fühlbar
André Kaczmarczyk liest nicht einfach nur. Er macht Munchs Gedanken fühlbar. Der Schauspieler ballt die Faust bei den Seelenkämpfen des Malers, er runzelt die Stirn, wischt Sätze mit der Hand aus der Luft, hält den Atem an und haucht den Titel eines neuen Kapitels ins Auditorium: „Munch und die Liebe“. Zurückgeholt aus diesem fernen Jahrhundert wird er zwischendurch leider unfreiwillig. Handys dudeln. Mehrfach. „Wir warten gerne“, sagt der Schauspieler. Man spürt, dass es ihn ärgert. Er fixiert die Störenden im Publikum, bevor er lächelt und souverän wieder eintaucht in Munchs faszinierende Welt der
Geschichten.
Am Ende wird der Vorleser gefeiert, als wäre er der große Maler. Das schöne Erlebnis, mit seinen Sätzen im Ohr die Bilder der Ausstellung anzuschauen, verpasst der Schauspieler. Keine Zeit. Schon wieder. Denn er muss noch viele Autogramme geben. „Sie werden mir in Erinnerung bleiben“, sagt eine Besucherin, die das Papier mit seiner Unterschrift wie einen Schatz nach Hause trägt. „Diese Lesung war etwas ganz Besonderes.“ Recht hat sie!
Düsseldorf: Die Ausstellung und der Schauspieler:
Die Ausstellung „Edvard Munch, gesehen von Karl Ove Knausgard“ ist noch bis zum 1. März in der Kunstsammlung NRW am Grabbeplatz zu sehen. Geöffnet di bis fr 10-18 Uhr, sa u. so 11-18 Uhr, Eintritt 12 Euro für Erwachsene, 2,50 für Kinder und Jugendliche.
Der Schauspieler André Kaczmarczyk ist am Samstag, 8. Februar, das nächste Mal im Schauspielhaus zu sehen. Er steht ab 19.30 Uhr in Shakespeares „Henry VI & Margaretha di Napoli“ auf der Bühne. Karten: 14 bis 49 Euro.