Düsseldorf. Massenansammlungen wie im Rheinbad sind laut eines Panikforschers keine Ausnahme mehr. Polizeistellen fehle derzeit eine klare Strategie.
Die Vorfälle im Rheinbad Düsseldorf haben für große mediale Aufmerksamkeit gesorgt. Das Freibad musste am vergangenen Wochenende zweimal geräumt werden. Laut Prof. Dr. Michael Schreckenberg von der Universität Duisburg-Essen waren die Massenansammlungen dort keine Ausnahmeerscheinungen: „Das werden wir in Zukunft immer häufiger erleben“, warnt der Panikforscher.
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Schuld an der Entwicklung seien vor allem die sozialen Netzwerke: „In den vergangenen Jahren ist es immer einfacher geworden, Menschen zu mobilisieren. Das kostet Sie nur ein paar Sekunden“, erklärt Schreckenberg.
Am vergangenen Samstag hatte sich im Rheinbad eine Gruppe von 400 Jugendlichen gebildet und eine Familie bedroht. Auch Sonntag randalierten rund 150 Jugendliche und provozierten ebenfalls einen Polizeieinsatz. Ersten Erkenntnissen der Stadt zufolge hatten sich die Jugendlichen im Rheinbad gezielt im Internet verabredet. Ob die Randale schon im Vorfeld geplant gewesen war, sei derzeit aber unklar.
Internet trägt zu Verrohung der User bei
Laut Schreckenberg würden Massenansammlungen wie im Rheinbad Düsseldorf nicht nur durch schnelle Kommunikationswege im Internet begünstigt werden. Auch die zunehmende Verrohung in den sozialen Netzwerken sieht der Panikforscher kritisch: „In den Portalen herrscht eine gewisse Kultur, die zu Aggressivität führt.“
Einige User würden sich durch die Anonymität im Netz zu Dingen veranlasst sehen, die sie unter ihrem Klarnamen nicht tun würden. Dieses Verhalten übertrage sich dann bei einigen Nutzern auch auf das reale Leben: „Wenn sich mehrere Personen zu einer Gruppe zusammenschließen, entsteht ein Massengefühl.“Der Einzelne werde Teil einer Gemeinschaft, erklärt Schreckenberg. „Der Gedanke dabei ist: Wenn das alle machen, wird das schon richtig sein.“ Die Gruppenmitglieder fühlten sich plötzlich zu Taten ermutigt, die sie sich als Einzelperson nicht trauen würden.
Polizisten sind nicht auf Ernstfall vorbereitet
Aufgrund des hohen Gewaltpotenzials würden Massenansammlungen die Polizei vor große Herausforderungen stellen. Den Einsatzkräften fehle jedoch derzeit eine klare Strategie. „Es gibt bei der Polizei aktuell kein Konzept, wie die Beamten auf gewaltbereite Gruppen reagieren sollen“, meint Schreckenberg.
„Hochzeitskorsos oder Vorfälle wie im Rheinbad Düsseldorf hat es ja vorher nicht gegeben“, so der Panikforscher. „Das sind immer neue Fälle von Massenaufkommen.“ Viele Beamte würden zu Einsätzen rausfahren, ohne zu wissen, wie sie sich im Ernstfall verhalten müssen.
Der Polizei fehlt das nötige Personal
Aber warum sind viele Beamte nicht auf Massenansammlungen vorbereitet? „Das hat zwei Gründe“, erklärt der Professor. „Erstens hat die Polizei gar nicht das nötige Personal, um die sozialen Netzwerke zu durchforsten.“ Die Polizei müsste im Idealfall rund um die Uhr nach auffälligen Nachrichten suchen.
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„Zweitens lernen die Polizisten in ihrer Ausbildung nicht, wie man mit Menschenmassen umgehen muss“, kritisiert Schreckenberg. Der Panikforscher lehrt an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster-Hiltrup den Umgang mit Menschenansammlungen. „Ich unterrichte nur Polizisten, die in den höheren Dienst einsteigen wollen. Azubis werden auf solche Vorfälle nicht vorbereitet.“ Für Schreckenberg völlig unerklärlich: „Wenn die Einsatzkräfte falsch reagieren, werden sie auf der anderen Seite auf eine entsprechende Gegenreaktion stoßen.“