Düsseldorf. . Seit 25 Jahren sitzt der Verein „Kunst im Hafen“ in Holthausen – und möchte auch nirgendwo anders hin. Ein Besuch bei schillernden Leuten.

Es ist einer der vielen verregneten Tage dieses Sommers, püntklich um elf klingeln wir für unsere Verabredung mit dem Vorsitzenden Dirk Balke an der Werftstraße 77 im Reisholzer Hafen. Ein Fenster im ersten Stock geht auf. Dirk sei noch nicht Haus, aber ob man einen Kaffee anbieten könnte? Bei dem Wetter, unbedingt. Die Tür geht auf und Robert Pufleb, liebevoll auch „Puffi“ genannt, bittet uns herein. Pufleb ist Fotograf und betreibt seit zwei Jahren sein Atelier im Hafen. Bunte Fotografien, Arbeiten aus Moskau, New York und Chongqing, zieren die hohen Wände, hier und da hängen ein paar Wechselklamotten. Auf dem riesigen Schreibtisch liegen Zettel, Stifte und Kamerateile durcheinander, Licht fällt durch die großen Fenster.

Ohne Stärkung keine Kunst

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Gerade arbeitet Pufleb an einem neuen Projekt, manchmal bis tief in die Nacht. Dann komme es auch mal vor, dass er im Atelier übernachtet. So wie heute. Nachdem er uns seine alten Kameras zeigt und zu diesem Zweck auseinander bastelt, sagt „Puffi“: „Das war eine lange Nacht, jetzt erstmal Frühstück!“ und macht sich auf in die provisorisch mit den wichtigsten Utensilien ausgestattete Küche.

Dann Anruf bei Dirk Balke. „Wir sind doch erst für Donnerstag verabredet?“ sagt er. Blick aufs Handy: Es ist Donnerstag. Balke lacht am anderen Ende der Leitung und sagt: „Ja so ist das bei uns Künstlern. Ich mache mich sofort auf den Weg.“

Biografien der Menschen sind so bunt wie ihre Arbeiten

In der Zwischenzeit hat „Puffi“ schon Eier, Mehl und Ayran zu einem Teig vermischt und backt fleißig seine berühmten Pancakes. Währenddessen erzählt er von seiner Schwimmerkarriere, die nun lange zurückliegt und davon, dass er drei Wochen vor dem Mauerfall aus Berlin weggezogen ist, um Kunst in Wuppertal zu studieren.

Doch nicht alle der Künstler hier haben Kunst auch studiert. Die Biografien der Menschen im Hafen sind so bunt wie ihre Arbeiten. Als Dirk Balke kommt, erzählt er, dass er selbst jahrelang als Chefdekorateur bei Peek&Cloppenburg beschäftigt war, ehe sich der gelernte Schaufenstergestalter 2010 ausschließlich seiner Galerie in Solingen und seiner Kunst hier im Hafen widmete.

Ateliers für wenig Geld

Gegründet hat sich der Verein Kunst im Hafen 1990, um Künstlern für wenig Geld ein Atelier bereitstellen zu können-- und ihnen ein Netzwerk und die Möglichkeit für Ausstellungen bieten zu können. „Es ist viel anregender, in einem Umfeld zu arbeiten, das künstlerisch atmet, anstatt allein in seinem Dachkämmerchen“, sagt Balke. „Immer wieder beobachte ich Studenten der Akademie, die nach ihrem Abschluss in ein Loch fallen, weil ihnen der Austausch mit den anderen auf einmal fehlt. Es ist wichtig, ein Netzwerk zu haben und zu merken: Man steht nicht alleine in der Welt.“

Hier in den Atelierhäusern laufe man sich regelmäßig über den Weg, seit Jahren leben und arbeiten die gleichen Künstler hier. Als Pufleb durch die Tür tritt und eine neue Kanne Kaffee und einen Teller mit süßen Pancakes auf den Tisch stellt, witzelt Balke : „Puffi ist für uns hier wie eine Mutter ohne Brust.“

Im September feiert Kunst im Hafen e.V sein 25-jähriges Bestehen an der Werftstraße. Vorher war der Verein für kurze Zeit in Räumen am Medienhafen, doch als die Gehry Bauten entstanden, musste der Verein sich ein neuen Ort suchen. „Ein Verlust für den Medienhafen, nicht für uns!“ sagt Balke.

Zeitskulptur mit lebenden Spinnen

Zum 25. Geburtstag hat Künstler Hiroyuki Masuyama, der ebenfalls ein Atelier im Hafen betreibt, eine Ausstellung in der hauseigenen Halle konzipiert. So wie auch seine eigene Arbeiten steht bei der Jubiläumsausstellung alles im Zeichen der Zeit: Kunst von damals, 1992, und heute stehen sich in der Halle gegenüber. In der Mitte der Halle wird es einen Zeittunnel geben, der die Geschichte des Vereins dokumentiert. Jeder, der Kunst im Hafen-Künstler steuert eigene Werke bei – vieles sogar aus der Gründerzeit des Vereins. Denn die meisten der Künstler, die heute ein Atelier am Hafen betreiben, waren auch damals schon hier. „Bei uns herrscht geringe Fluktuation. Die Bedingungen sind so gut, dass keiner gehen möchte“, sagt Balke.

Der stellvertretende Vorsitzende, Günter Krajewski, lässt für die Jubiläumsausstellung Arbeiten seiner letzten Ausstellung gleich stehen. Dafür lässt er besondere Helferlein an seinen Werken noch weiterarbeiten: Kleine Spinnen weben ihre Netze um die Skulpturen von Krajewski. „Ich wollte den Prozess, dass Zeit vergeht, lebendig darstellen“, sagt er. Für ihn ist der Hafen auf Holthausener Gebiet die bessere Alternative, als der alte Standort. „Ich bin froh, an diesem Ort der Ruhe und des Zusammentreffens arbeiten zu können“, sagt er.

Verständlich. Auch nach diesem Vormittag sind längst nicht alle Schätze der Ateliers entdeckt und nicht genug Pancakes gegessen worden, um alle Geschichten von Balke,Puffi und Co. zu hören.