Düsseldorf. . Umweltschützer feiern ein „bahnbrechendes Urteil“: Düsseldorf muss wegen Luftbelastung nachbessern. Die Wirtschaft fürchtet „überstürzte Maßnahmen“

Die Botschaft des Gerichts für die Bezirksregierung Düsseldorf war unmissverständlich: „So schnell wie möglich“ müsse der seit 2013 gültige Luftreinhalteplan für die Landeshauptstadt überarbeitet werden. Oktober 2017 ist die gesetzte Frist, schon Anfang 2018 soll ein neuer Plan gelten. Das eindeutige und den Gesundheitsschutz der Bürger hervorhebende Urteil des Verwaltungsgerichtes Düsseldorf hat möglicherweise Signalwirkung. Denn in Essen, Gelsenkirchen, Köln, Bonn und Aachen werden bald vergleichbare Klagen der Deutschen Umwelthilfe verhandelt.

Warum hat die Deutsche Umwelthilfe geklagt?

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© Gerd Bertelmann

Weil es den Behörden an manchen viel befahrenen Straßen in Düsseldorf einfach nicht gelingt, den seit 2010 europaweit gültigen Grenzwert für Stickstoffdioxid von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft einzuhalten. An der Corneliusstraße liegt der Jahresmittelwert zum Beispiel seit Jahren bei rund 60 Mikrogramm. Das Problem mit den hochgiftigen Abgasen betrifft viele Großstädte in NRW. So wird in Köln am Clevischen Ring der Grenzwert erheblich überschritten. 66 Mikrogramm werden hier im Schnitt gemessen. An der Krayer Straße in Essen sind es 45, an der Reuterstraße in Bonn 51.

An 56 Messstellen in NRW wird der Grenzwert seit Jahren weit überschritten. Die Umwelthilfe hat eine lange Liste möglicher Maßnahmen für bessere Luft vorgelegt. Ganz oben stehen Diesel-Fahrverbote, denn Diesel stoßen bis zu 20 Mal mehr NO2 aus als Benziner. Ebenfalls angedacht: billigere Nahverkehrstickets, eine „City-Maut“, schadstoffarme Taxi- und Busflotten, weniger Parkplätze.

Wie argumentieren die NRW-Behörden?

Sie hätten schon alles getan, was in ihrer Macht steht, um die Luft rein zu halten. Weitere Maßnahmen wie die Einführung einer Blauen Plakette für besonders saubere Diesel oder eine „City-Maut“ setzten aber eine Bundesregelung voraus. Und strengere Vorgaben für saubere Luft würden die bisherigen Rechte von Autofahrern massiv einschränken. Das Bundesverkehrsministerium hatte die Einführung einer Blauen Plakette zuletzt zwar abgelehnt. Aber es lässt eine Hintertür offen: Die Kommen selbst könnten Fahrverbote für Diesel erlassen.

Wie argumentiert das Gericht?

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Der Gesundheitsschutz habe Priorität. „Die Luft ist in Düsseldorf nicht so sauber, wie sie sein sollte und das seit geraumer Zeit“, sagte der Richter. Insgesamt seien sogar 50 Ballungsräume in Deutschland betroffen. Fahrverbote für „Problemautos“ seien sinnvoll. Denkbar seien Einschränkungen für Diesel „unterhalb der Euro 6-Norm“. Aber selbst diese modernen Diesel sind von den Abgas-Manipulationen verschiedener Hersteller betroffen, gab das Gericht zu Bedenken.

Was sind Stickstoffoxide?

Stickstoffoxid ist eine Sammelbezeichnung für verschiedene gasförmige Verbindungen von Stickstoff und Sauerstoff. Die beiden wichtigsten Verbindungen sind Stickstoffmonoxid (NO) und Stickstoffdioxid (N02). Dies ist ein stechend riechendes giftiges Gas. Stickstoffoxide entstehen bei Verbrennungsprozessen, in Städten ist der Straßenverkehr die größte Quelle. Dabei stoßen Dieselmotoren deutlich mehr Stickstoffoxide aus als Ottomotoren.

Welche Gesundheitsrisiken gibt es?

Da sich das Gas schlecht in Wasser löst, wird der Schadstoff nicht in den oberen Atemwegen gebunden, sondern gelangt leicht in Bronchien und Lunge. Vor allem für Asthmatiker ist das Gas ein Problem, da sich die Bronchien verengen können. Eine langfristige Belastung kann nach Angaben von Medizinern zu einer Erhöhung der Sterblichkeitsrate durch Herz- und Atemwegserkrankungen führen

Was will die Wirtschaft?

Vor allem keine überstürzten Maßnahmen. Schwerlastverkehr sei für die Logistik-Drehscheibe Ruhrgebiet völlig unverzichtbar, sagte Jörg A. Linden, Sprecher der Industrie- und Handelskammer Mittleres Ruhrgebiet. Logisik und Umweltschutz müssten aber kein Widerspruch sein, so Linden. Der Einsatz emmissionsfreier Fahrzeugen sei vor allem im Nahbereich der Anlieferung, der so genannten „letzten Meile“, sinnvoll. Als Beispiel nannte der IHK-Sprecher die neue Elektro-Scooter der Post, die derzeit in Bochum getestet werden.