Düsseldorf. . Im Rahmen des sogenannten besonders beschleunigten Verfahrens wurden in Düsseldorf in zwölf Monaten über 300 Straftäter kurz nach der Tat verurteilt.

Rund 320 Straftäter sind in Düsseldorf in den letzten zwölf Monaten innerhalb eines Werktages nach Begehung der Tat rechtskräftig verurteilt worden. Möglich macht das das sogenannte besonders beschleunigte Verfahren, das eine mit Vertretern von Amtsgericht, Polizei und Staatsanwaltschaft besetzte Arbeitsgruppe vorbereitet und im März 2015 etabliert hat. Ein Jahr danach fällt die Bilanz der Ermittlungsbehörden positiv aus.

Die Arbeitsgruppe hatte vor einem Jahr ein konkretes Ziel, sagt der Düsseldorfer Oberstaatsanwalt Andreas Stüve, als Leiter der Abteilungen für Organisierte Kriminalität und für das besonders beschleunigte Verfahren zuständig ebenso für die schweren Jungs wie für die „leichteren“ Delikte: „Wir wollten die gefühlte Ungerechtigkeit im Bereich der Bagatell-Kriminalität angehen.“ Ein klassischer Fall, die in einem besonders beschleunigten Verfahren abgeurteilt werden, ist der eines Delinquenten ohne festen Wohnsitz in Deutschland, der in einer Parfümerie Flakons mitgehen lässt und dann von einem Ladendetektiv erwischt wird.

Ein Jahr Freiheitsstrafe ist die maximale Höchststrafe

Vor dem März des vergangenen Jahres tat sich die Justiz schwer, Fälle wie diesen zu ahnden, ohne Anschrift waren die Täter schlicht nicht greifbar, U-Haft wäre angesichts des Tatvorwurfs unverhältnismäßig. Ein ungutes Gefühl hat das oft nicht nur bei den Bestohlenen, sondern auch bei den ermittelnden Polizeibeamten ausgelöst. Stüve aber stellt klar: „Auch solche Täter müssen sich verantworten.“ Bis zum Prozess werden die Beschuldigten in Düsseldorf inhaftiert - die sogenannte Hauptverhandlungshaft sei eine „verfahrenssichernde Maßnahme, damit wir auch zu einem Urteil kommen, wenn keine Postadresse vorliegt.“

Über 90 Prozent der abgeurteilten Taten sind nach Stüves Angaben Diebstähle in der Regel kleinerer Gegenstände. Im besonders beschleunigten Verfahren können Richter eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr verhängen. „Die Bandbreite wird auch ausgenutzt“, sagt Stüve. In mehr als der Hälfte aller Fälle wurden Freiheitsstrafen verhängt, darunter auch mehrere Monate und in zwei Fällen je ein Jahr ohne eine Aussetzung zur Bewährung - die maximale Höchststrafe bei diesem Modell. Gerade mal ein Verfahren wurde wegen Geringfügigkeit einstellt. Freisprüche gab es nicht. Ein Täter schaffte es sogar, binnen eines Jahres gleich zweimal im besonders beschleunigten Verfahren verurteilt zu werden. Aussicht auf Bewährung hatte auch er beim zweiten Mal nicht.

Rechtliche Voraussetzungen schon in den 90ern geschaffen

Die rechtlichen Voraussetzungen, erklärt Stüve, habe der Gesetzgeber bereits in den 90er-Jahren geschaffen. Aber erst jetzt wenden die Ermittlungsbehörden das besonders beschleunigte Verfahren intensiver an. In Köln läuft es schon länger. Am Amtsgericht in Gelsenkirchen erproben es Richter, Polizei und die dort zuständige Staatsanwaltschaft Essen seit Februar dieses Jahres. Regelmäßig verkündet seitdem die Pressestelle der Gelsenkirchener Polizei entsprechende Urteile per Mitteilung.

Auch interessant

Im Prinzip sind die einzigen Voraussetzungen neben der maximal zu verhängenden Höchststrafe ein „rechtlich und tatsächlich einfacher Sachverhalt“. Das heißt, das Delikt selbst muss überschaubar sein und der Täter gestellt, er muss ein Geständnis abgelegt und/oder Zeugen die Tat beobachtet haben. Immer mal wieder aufkommenden Forderungen nach einer Anwendung des Verfahrens im Zusammenhang mit Fußball-Fan-Kriminalität erteilt der Oberstaatsanwalt deshalb auch eine klare Absage: „Dafür eignet sich das nicht wirklich.“ Angesichts vieler Tatbeteiligter, möglicherweise vieler Zeugen und Opfer, der Notwendigkeit, nachträglich Video-Material zu sichten und zu bewerten. „Das ist rechtlich nicht so einfach.“

Eins ist Stüve noch wichtig klarzustellen: „Das ist ein kurzer Prozess.“ Angeklagte haben selbstverständlich einen Anwalt, auch können sie theoretisch Rechtsmittel gegen eine Verurteilung einlegen. Angesichts der allzu klaren Ausgangslage werde das aber nur selten genutzt. In über 90 Prozent der Fälle ist das Urteil noch am Tag der Verkündung rechtskräftig. „Die Angeklagten akzeptieren die Entscheidung.“ Ob sie auch zu einem Gesinnungswandel führt, darüber können Richter und Ermittlungsbehörden im besonders beschleunigten Verfahren wie in jedem anderen nur mutmaßen.