Hünxe. Nach einem Unfall auf der Autobahn rettete Tobias Lindekamp mit einem Kameraden zwei junge Menschen. So veränderte die Erfahrung sein Leben.

  • Im Juni 2021 hat Tobias Lindekamp mit einem Bundeswehr-Kameraden nach einem Unfall Erste Hilfe geleistet.
  • Die beiden kümmerten sich um zwei Jungen, die damals 13 und 17 Jahre alt und schwer verletzt waren.
  • Nach der Erfahrung verabschiedete sich Lindekamp von der Bundeswehr und fand eine neue Berufung.

Es war ein lauter Knall, der dazu führte, dass sich das Leben von Tobias Lindekamp aus Hünxe änderte. Der heute 23-Jährige war am 25. Juni 2021 mit seinem Kameraden Pascal Weißenfeld aus Duisburg im Auto auf der A2 unterwegs. Lindekamp absolvierte damals einen freiwilligen Wehrdienst bei der Bundeswehr und war im Rahmen einer Corona-Amtshilfe mit seinem Kameraden Weißenfeld in Hagen gewesen. Die beiden befanden sich am Nachmittag auf dem Rückweg. „Dann haben wir einen lauten Knall gehört“, erzählt Tobias Lindekamp.

Erst dachten die beiden Männer an Bauarbeiten an der Autobahn. „Dann haben wir gesehen, dass ein Lkw die Leitplanke durchbrochen hatte und quer über mehrere Fahrspuren stand“, berichtet Lindekamp. Die beiden Bundeswehr-Angehörigen waren Zeugen der Auswirkungen eines spektakulären Unfalls, der am Ende zwei Menschen das Leben kostete. Fünf weitere Personen wurden schwer verletzt.

Mit dem Erste-Hilfe-Kasten quer über die Autobahn

Tobias Lindekamp und Pascal Weißenfeld hielten sofort an, schnappten sich den Erste-Hilfe-Kasten aus dem Auto und liefen einmal quer über die Autobahn. „Wir sind durch den fließenden Verkehr zum Unfallort“, erzählt Lindekamp. Eine lebensgefährliche Aktion. Allerdings dachten die beiden damals nicht an die Gefahr, sondern wollten an der Unfallstelle helfen. Hilfe, die, wie sich schnell herausstellte, auch dringend benötigt wurde.

An der Unfallstelle waren der Hünxer Tobias Lindekamp und sein Kamerad Pascal Weißenfeld aus Duisburg als Ersthelfer im Einsatz und kümmerten sich um zwei schwerverletzte Jungen.
An der Unfallstelle waren der Hünxer Tobias Lindekamp und sein Kamerad Pascal Weißenfeld aus Duisburg als Ersthelfer im Einsatz und kümmerten sich um zwei schwerverletzte Jungen. © dpa | Alex Talash

„Uns kamen direkt zwei Jungs entgegen, die offensichtlich unter Schock standen“, berichtet der 23-Jährige. Die beiden Kinder einer Familie, die in den Unfall verwickelt war. „Der Vater war offensichtlich tot“, erinnert sich Tobias Lindekamp an seinen ersten Eindruck vom Unfallort. „Die Mutter war im Auto eingeklemmt und wir dachten auch erst, sie wäre tot.“ Die beiden Jungen, 13 und 17 Jahre alt, waren ebenfalls schwer verletzt.

Schwerverletzte Jungen bis zum Abtransport begleitet

Die beiden Ersthelfer kümmerten sich also um die Jungen. „Wir haben sie dann schnell untersucht und, so weit es ging, versorgt“, berichtet Lindekamp. Er erinnert sich noch, dass der 13-Jährige offene Brüche an den Armen hatte. „Da kann man mit einem Erste-Hilfe-Kasten nicht viel machen.“ Sein Kamerad Pascal Weißenfeld blieb bei den beiden verletzten Jungen. Tobias Lindekamp richtete einen Sammelplatz am Unfallort ein, um alle Betroffenen an einem Ort zu haben.

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Dann kümmerte er sich mit seinem Kameraden weiter um die beiden verletzten Jungen. „Wir haben die beiden so lange mitversorgt, bis sie mit einem Rettungshubschrauber abtransportiert worden sind“, erinnert sich Tobias Lindekamp. Was aus den beiden Jungen und ihrer Mutter geworden ist, hat er leider nicht erfahren. „Ich habe nichts mehr von den Verletzten gehört“, erzählt er. Und zwischendurch rang er auch damit, ob er überhaupt etwas wissen wollte. „Es wäre schlimm gewesen, wenn ich erfahren hätte, dass die Mutter der beiden auch noch gestorben wäre oder wenn einer der Jungen nicht überlebt hätte“, erzählt Lindekamp. Denn den beiden Jungen ging es, während sie von den beiden Ersthelfern versorgt wurden, ebenfalls immer schlechter.

Erlebnis führte zu neuem Berufswunsch

Dass er jetzt, fast drei Jahre nach dem Unfall und seiner Rettungstat, mit der Rettungsmedaille des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet werden soll, kam für den Hünxer nur halb überraschend. „Wir wurden schon vor einem Jahr angeschrieben, dass wir einen Bericht an die Staatskanzlei verfassen sollten“, berichtet Lindekamp. Danach hätte schon eine der Auszeichnungszeremonien stattgefunden und er und sein Duisburger Kamerad hatten schon den Gedanken, dass sie doch nicht mehr ausgezeichnet werden. Jetzt ist es allerdings so weit: Am 3. Mai sollen die beiden Lebensretter von Ministerpräsident Hendrik Wüst die Rettungsmedaille überreicht bekommen. Von der Auszeichnung erzählt, habe er bisher nur seiner Familie und einigen Freuden.

Über die Autobahn waren die beiden Ersthelfer zu der Unfallstelle gelaufen, nachdem sie gesehen hatten, dass der Lkw die Mittelleitplanke durchbrochen hatte.
Über die Autobahn waren die beiden Ersthelfer zu der Unfallstelle gelaufen, nachdem sie gesehen hatten, dass der Lkw die Mittelleitplanke durchbrochen hatte. © dpa | Alex Talash

Dabei hatte sein Erlebnis bei dem Unfall auf der Autobahn für Tobias Lindekamp eine einschneidende Wirkung. Eigentlich hatte der 23-Jährige damals den freiwilligen Wehrdienst angetreten, weil er Karriere bei der Bundeswehr machen wollte. Nach dem Unfall und seiner Rettungstat entschied er sich für einen anderen Weg: „Ich mache jetzt eine Ausbildung zum Notfallsanitäter“, erzählt er. „Ich habe mir gedacht, wenn so etwas noch einmal passiert, dann möchte ich wirklich helfen können“, erklärt der Hünxer bescheiden. Die beiden Jungen, die er damals bei dem Unfall mitversorgte, dürften ihm für seinen damaligen Einsatz wohl trotzdem dankbar sein – auch wenn er heute wahrscheinlich noch mehr für sie tun könnte.

Der Lebensretter

Der 23-jährige Hünxer Tobias Lindekamp ist auch im Vereinsleben der Gemeinde aktiv.

Als Hauptmann und Schießleiter gehört Lindekamp zum Vorstand des Junggesellenschützenvereins (JSV) Hünxe 1422.

Im vergangenen Jahr hatte sich der damals 22-Jährige durch seine sportliche Leistung den Titel des Hünxer Gemeinde-Königs beim Gemeindepokal sichern können. Hier hatte er rund 100 Schützen aus acht Vereinen mit seiner Leistung hinter sich gelassen.

Die Rettungsmedaille soll ihm und seinem Kameraden Pascal Weißenfeld am 3. Mai in Düsseldorf durch Ministerpräsident Hendrik Wüst verliehen werden.