Dinslaken. Sie könne nur reisen und winken – das unter anderem warf ein Ratsherr der Dezernentin vor. Das sei „insgesamt sachorientiert“, meint die Stadt.

Wenn ein Ratsherr einer Dezernentin mit Migrationshintergrund vorwirft, sie habe „keine Empathie für Flüchtlinge“, und sich dabei ausdrücklich auf den Migrationshintergrund bezieht; wenn er ihr außerdem vorwirft, sie sei „total überfordert“ und sagt: „Kultur können Sie und schöne Reisen machen und schön winken – aber das schaffen Sie nicht“ – ist das dann beleidigend, oder nicht? Dr. Tagrid Yousef, Dezernentin für Soziales, Schule, Kultur und Sport, die als Kleinkind mit ihrer Mutter aus Palästina geflüchtet ist, jedenfalls fühlte sich in der Ratssitzung im Dezember durch diese Worte vom parteilosen FDP-Ratsherrn Thomas Giezek sehr wohl beleidigt. Und mehr als das. „Ich verbitte es mir, mich hier in der Öffentlichkeit zu diskreditieren, zu diskriminieren und rassistisch anzugreifen“, entgegnete sie. Die Stadtverwaltung ließ den Vorfall durch den Fachdienst Recht prüfen – und der stärkt nun dem Ratsherrn den Rücken.

Thomas Giezeks Redebeitrag stelle sich „insgesamt als sachorientiert dar“ und beinhalte „keine verbalen Entgleisungen, die Anlass zu einer Rüge geben. Soweit sich Frau Dr. Yousef ausweislich ihrer Reaktion diskreditiert, diskriminiert und rassistisch angegriffen fühlt, ist nicht ersichtlich, wodurch sich diese Gefühlslage begründet“, heißt es in der Stellungnahme des Fachdienstes Recht. Man könne dem Protokoll der Sitzung keine Aussagen von Thomas Giezek entnehmen, die „als grenzüberschreitend angesehen werden könnten“.

„Es handelte sich erkennbar nicht lediglich um bloße Schmähkritik“

Der Vorwurf der Empathielosigkeit stelle „keinen unzulässigen Angriff dar“, weil er in der von dem Ratsherrn „als ungeeignet qualifizierten Wahl des Tribünenhauses als Flüchtlingsunterkunft und der angeblichen langen Untätigkeit einen sachlichen flüchtlingsbezogenen Anknüpfungspunkt hatte“, so die Stellungnahme des Rechtsamts. Wenn Giezek der Auffassung sei, Dr. Tagrid Yousef habe „trotz eines absehbaren Zustroms zunächst lange Zeit nichts unternommen, um für ausreichende Kapazitäten zu sorgen, und sich nach dieser langen Zeit für untaugliche Räumlichkeiten entschieden, ist die von ihm geschlussfolgerte Meinung, der Entscheidungsträgerin mangele es wohl an Empathie, nachvollziehbar und konsequent“, so das Schreiben des städtischen Fachdienstes Recht weiter: Diese „Schlussfolgerung“ habe der Ratsherr „im Rahmen der politischen Diskussion ohne weiteres als eigene Meinung äußern“ dürfen: „Es handelte sich erkennbar nicht lediglich um bloße Schmähkritik.“

„Nicht böse“ gemeint

Auch beim Vorwurf, die Dezernentin sein überfordert, handele es sich „ersichtlich um eine Meinungsäußerung mit klarem sachlichen Bezug“. Neben dem Umgang mit der Flüchtlingsproblematik habe Giezek auch kritisiert, dass die Politik auch zu den Themen Kitaplätze und Schulentwicklung „nur verspätet bzw. gar nicht hinreichend informiert“ werde, so der Fachdienst Recht. Somit habe Giezek „eine Gesamtsituation“ beschrieben, der zufolge „wesentliche Sachgebiete im Dezernat der Frau Dr. Yousef nicht rund laufen sollen, so ist die vertretene Meinung, die Dezernentin sei total überfordert, wiederum nachvollziehbar und konsequent“, so die Einordnung der städtischen Juristen. Außerdem habe Giezek schließlich betont, dass diese seine persönliche Meinung und „nicht böse“ gemeint sei.

Thomas Giezek isr parteiloser Ratsherr der FDP-Fraktion.
Thomas Giezek isr parteiloser Ratsherr der FDP-Fraktion. © FUNKE Foto Services | Heiko Kempken

„Somit ist festzuhalten, dass die an Frau Dr. Yousef geübte Kritik sachlich nachvollziehbar begründet wurde“, so die Schlussfolgerung des Rechtsamts. Ob die Kritik „im Ergebnis berechtigt ist, spielt hier keine Rolle“, weil Thomas Giezek während seiner Rede klargestellt hatte, dass „nur seine persönliche Meinung“ vertrete. Er habe auch „keine ehrverletzenden Worte“ gewählt, sondern lediglich mit dem letzten Satz seiner Rede noch eine kleine Spitze ausgeteilt, die aber im Rahmen einer politischen Diskussion hingenommen werden muss, so das Gutachten in Bezug auf den Vorwurf, die Dezernentin könne „schöne Reisen machen und schön winken“.

Das fordert jetzt die FDP

Die FDP wiederum greift nun die Verwaltungsspitze an. Sie vermisse „eine Klarstellung auch in der Öffentlichkeit, um dem Eindruck entgegenzuwirken, dass das FDP-Fraktionsmitglied Thomas Giezek sich entgegen dem Vorwurf der Beigeordneten in der in der Presse wiedergegebenen Form abfällig, diskriminierend oder rassistisch gegenüber der Beigeordneten geäußert hat“. Die FDP erwarte „kurzfristig eine entsprechende Ehrenerklärung“ von der Dezernentin oder der Bürgermeisterin.