Dinslaken. Das LVR-Amt für Denkmalpflege will das MCS-Gelände in Dinslaken unter Denkmalschutz stellen. Dort sollten aber Gewerbe und Martinikirmes hin.
- Für das LVR-Amt für Denkmalpflege ist das MCS-Gelände mit allen Gebäuden ein Baudenkmal
- Die Stadt Dinslaken hat aber ganz andere Pläne für die Industriebrache
- Muss Dinslaken nun um den Ausweichstandort für die Martinikirmes bangen?
„Die Stadt Dinslaken kann jetzt das MCS-Gelände entwickeln.“ Das verkündete die Stadtverwaltung erleichtert im Dezember 2021. Endlich schienen alle Hürden beseitigt und alle Fristen abgelaufen, endlich könnte die Stadt die Industriebrache der alten Mannesmann-Röhrenwerke im Herzen Dinslakens, zwischen Thyssen-, Karl- und Karl-Heinz-Klingen-Straße in eine Gewerbefläche verwandeln und hätte obendrein einen neuen Platz für die Martinikirmes. Dafür hat die Stadt dem ehemaligen Eigentümer des MCS-Geländes zwei Grundstücke an der Ziegel-/Hünxer Straße übereignet und noch zwei Millionen Euro draufgelegt. Allerdings scheint das LVR-Amt für Denkmalpflege die Pläne der Stadt für das MCS-Gelände zu durchkreuzen: Der LVR will das Werk samt Gebäuden unter Denkmalschutz stellen – nicht nur vorläufig, wie Anfang 2022. Sondern endgültig.
Das sagt das LVR-Amt für Denkmalpflege
„Das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland ist nach eingehender Prüfung und wissenschaftlicher Untersuchung zu dem Schluss gelangt, dass es sich bei dem ehemaligen Mannesmann Stahlflaschenwerk inklusive Verwaltungsbauten, Werkshallen und E-Schalthaus um ein Denkmal gemäß § 2 Denkmalschutzgesetz NRW handelt“, erklärt der Landschaftsverband auf Anfrage der NRZ. Eine „diesbezügliche gutachterliche Stellungnahme zum Denkmalwert hat das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland der Stadt Dinslaken mit Bitte um Eintragung in die Denkmalliste am 1.9.2022 zukommen lassen.“
Die Öffentlichkeit sollte davon zunächst wohl nichts erfahren: „Für das MCS-Gelände gibt es keinen neuen Stand hinsichtlich des Denkmalverfahrens. Erfahrungsgemäß sind diese formalen Verfahren langwierig. Die Stadtverwaltung Dinslaken und die DIN FLEG sind nach wie vor im Austausch mit den zuständigen Stellen und dem LVR über Denkmalwert und Denkmalschutz der Industriebauten des MCS-Geländes.“ So beantwortete die Stadtverwaltung im August 2023 eine entsprechende Anfrage der NRZ.
Auch ein Antrag der SPD wurde im September 2023 – also ein Jahr nach Übersendung des Gutachtens durch den LVR – in einer öffentlichen Stellungnahme eher schwammig beantwortet. Die online einzusehende Denkmalliste der Stadt Dinslaken wurde seit Juli 2022 nicht geändert – das MCS-Gelände ist nicht als Denkmal vermerkt.
Stadt Dinslaken legte Widerspruch ein
Hinter verschlossenen Türen wurde die Stadtverwaltung offenbar deutlicher: Den politischen Gremien wurde Anfang 2023 in nicht-öffentlicher Sitzung ein Widerspruch der Stadt Dinslaken gegen die Unterdenkmalstellung des MCS-Geländes zur Abstimmung vorgelegt. Nach Auffassung der Stadt erfülle das Werk nicht die Voraussetzungen für eine pauschale Unterdenkmalstellung. Die Gebäude würden sich nicht mehr im Originalzustand befinden. Die 4 Hektar großen Werkhallen seien zudem auch nicht erhaltungsfähig. Maximal den Verwaltungsgebäuden und dem E-Schalthaus billigte die Stadt teilweise eine erhaltenswerte Bausubstanz zu – aber vor allem den Verwaltungsgebäuden keinen Denkmalwert.
Ein Erhalt sämtlicher Gebäude in welcher Form auch immer ist zumindest mit den bisherigen Plänen für das Gelände nicht vereinbar. Mitte 2021 präsentierte die Stadt drei mögliche Varianten zur Entwicklung der Fläche – mit Nettobauland bis zu knapp 6 Hektar für gewerbliche und Büronutzung. Außerdem sollte eine 2,5 Hektar große Festwiese auf dem Streifen entlang der Karl-Heinz-Klingen-Straße entstehen – unter anderem für die Martinikirmes.
Stadt Dinslaken hatte viel Ärger mit dem Gelände
Die Stadt ist bereits seit 2019 Eigentümerin des MCS-Geländes. Weil der Verkäufer aber bis 2021 von dem Geschäft zurücktreten konnte, war man bis dahin nicht handlungsfähig. Dafür hatte die Stadtverwaltung aber reichlich Ärger mit dem Gelände: Neben Lost-Place-Fotografen verschafften sich immer wieder auch Brandstifter und Diebe Zutritt. Letztere brachen Schlösser auf, fuhren teils mit Lkw vor und bedienten sich an Maschinen, Kabeln, Metall- oder sonstigen Lagergegenständen – „trotz Sicherung der Gebäude und Videoüberwachung mit Aufschaltung auf die Polizei“, so die Stadt. Die Büros in den Werkhallen waren in dem Zustand, in dem sie 2013 verlassen wurden - inklusive gefüllter Aktenschränke - und auch in den Verwaltungsgebäuden lagerte noch jede Menge Papier.
Mittlerweile seien die Hallen größtenteils geräumt und vor dem Hintergrund eines „jüngsten Brandereignisses im Verwaltungsgebäude an der Karlstraße wurde die Beräumung beziehungsweise Entrümpelung der Verwaltungsgebäude in den letzten Wochen durchgeführt, um die erheblichen Brandlasten aus den Gebäuden zu entfernen“, so die Stadtverwaltung. Die Verwaltungsgebäude seien nun vollständig geräumt und „stehen aktuell leer“.
Und wie geht es weiter?
Die Stadtverwaltung sei ist „entsprechend der Verfahrensregelungen weiterhin im Gespräch und im fachlichen Austausch über Denkmalwert und Denkmalschutz des MCS-Geländes, mit dem Ziel, Einvernehmen über den Umfang der Unterschutzstellung herbeizuführen“. Das Ergebnis des Verfahrens sei „noch offen“. Die Stadtverwaltung halte „grundsätzlich an einer gewerblichen Nachnutzung des Geländes fest. Entsprechend des Ergebnisses des Verfahrens und der damit dann bekannten Rahmenbedingungen für eine Nachnutzung des Geländes werden die konzeptionellen und planerischen Möglichkeiten geprüft.“ Auch ob die Martinikirmes auf dem MCS-Gelände stattfinden kann, „steht in Abhängigkeit des Ergebnisses des Verfahrens und der damit dann klaren Rahmenbedingungen.“ Die Kirmes kann noch 2024 an der Trabrennbahn stattfinden - danach muss ein neuer Platz gefunden werden.
So wirkt sich das geänderte Denkmalschutzgesetz aus
Das Denkmal stehe „erst mit der Eintragung auf die kommunale Denkmalliste unter Schutz“, so eine Sprecherin des LVR-Amts für Denkmalpflege. „In einem zweiten Schritt kann dann darüber verhandelt werden, wie das Schutzgut mit einer sinnvollen Nutzung in Einklang zu bringen ist.“ Dazu werde das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland aber nur „angehört“.
Denn Mitte 2022 wurde das Denkmalschutzgesetz NRW geändert und die Einflussmöglichkeit der Denkmalbehörden auf „optionale Anhörung“ reduziert, so die Deutsche Stiftung Denkmalschutz. Das neue Gesetz sieht vor „dass das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland bei denkmalrelevanten Fragen angehört wird,“ so die Sprecherin: „Wir sind ‘nur’ das Fachamt und verstehen uns als Anwälte für die Denkmäler im Rheinland.“ Die „Entscheidungshoheit“ liege aber bei den Denkmalbehörden, in der Regel handele es sich um die Unteren Denkmalbehörden der Kommunen. Die Entscheidung liege also letztendlich „bei der Stadt“.