Dinslaken. Götz Alsmann kehrte nach 16 Jahren ins Burgtheater Dinslaken zurück. An diese lokale Besonderheit konnte er sich noch ganz genau erinnern.

16 Jahre ist es her, seit Götz Alsmann das letzte Mal mit seiner Band im Burgtheater Dinslaken aufgetreten ist (in der Kathrin-Türks-Halle gastierte er danach weiterhin). Doch kaum setzte sich der Mann mit der verlässlichen Haartolle an den Flügel, lag mehr als nur die von ihm besungene Musik in der Luft. Es war die Aura des Leichten und ewig Frischen, des Swings, der Jahre einfach beiseite wischt. Das Wetter zeigte sich von seiner schönsten Spätsommerseite und die Sonne verbreitete ein Licht so golden wie die Ära des deutschen Schlagers, aus der Götz Alsmann seit nunmehr Jahrzehnten immer und immer wieder fast vergessene Schätzchen birgt. „L.I.E.B.E“ hieß das Programm, mit der er sein Dinslakener Publikum am Sonntag bezauberte. Denn die Liebe, so erklärte der Doktor der Musikwissenschaft, der er schließlich ist, werde zwar in allen Kulturkreisen besungen, aber keiner kenne sich in dem Thema so gut aus wie der deutsche Jazzschlager: „Wer in der Tradition des deutschen Jazzschlagers aufgewachsen ist“, so Alsmann“, „weiß alles über die Liebe. Der hat Dr. Sommer nicht mehr nötig.“

Der Schlager weiß alles über die Liebe und Alsmann alles über den Schlager, den er hegt, pflegt und oft auch der Vergessenheit entreißt.

Federleicht swingend, nostalgisch rockend

Doch was wären auch die Hits wie die von Michael Jary, wenn sie nicht von Götz Alsmann und seiner Band, Markus Paßlick (Percussion), Alfrid M. Sicking (Vibraphon, Trompete), Ingo Senst (Kontrabass) und Dominik Hahn (Schlagzeug), durch mal federleicht swingende, mal nostalgisch rockende, aber immer elegante Jazz-Arrangements veredelt würden. Alsmann hat ein Fingerchen dafür, sich Schlager, die zum Teil nie veröffentlicht wurden, zu eigen zu machen.

Alsmanns Klavier-Faszination reicht weit in die Kindheit zurück - ausgelöst von der Klavier spielenden Ordensschwester im katholischen Kindergarten im heimischen Münster, wie Alsmann am Sonntag erzählte. Zu Weihnachten habe er dann ein Kinderklavier bekommen und alles darauf gespielt, wessen er durch das Radio habhaft werden konnte.

LIedtext stammt von einem beliebten Moderator

Dann überrascht Alsmann sein Publikum gleich dreifach: Er holt nicht nur Udo Jürgens „Was ich dir sagen will, sagt mein Klavier“ aus den späten 60er Jahren ins Scheinwerferlicht zurück. Er verrät auch, dass der Text von Joachim „Blacky“ Fuchsberger stammt, der nicht nur ein beliebter Moderator und Krimi-Kommissar war, sondern auch Songs schrieb. Und zuletzt enthüllt Alsmann auch, was den ganzen Abend unter rotem Pannesamt verborgen auf dem Flügel stand: ein schwarzer Kinderflügel, auf dem Alsmann sein Solo spielt.

Schlager aus den 20er Jahren, ein wenig Bossanova (geht immer), ein wilder Mambo, viel Romantik und auch ein bisschen Sarkasmus: „ Von Greta Garbo hast du die Frisur. Die Frisur, leider nur“. Die Ukulele muss dieses Mal lange warten, erst bei der Zugabe greift er in die vier Saitchen: „Bis ans Ende der Welt will ich dich lieben“.

Alsmanns „Glockenspiel“

Aber zu einem Götz-Alsmann-Abend gehört nicht nur die Musik, sondern auch die Geschichten. „Unter 1000 Laternen“ habe Michael Jary für den Film „Die Stimme des Anderen“ geschrieben. Ein Schwarz-Weiß-Film, also per se schon gut. Alsmann gerät ins Schwärmen, breitet in einem Wortschwall die Handlung zwischen Revuefilm und Thriller aus. Kann diesen Mann irgendetwas stoppen, wenn er einmal von seinen Lieblingsthemen redet?

Ja. In Dinslaken gibt es etwas, dass ihn aus dem Konzept bringt. Verlässlich. Seit dem ersten Auftritt im Burgtheater 2002. Es ist Viertel vor Neun, die Glocke von St. Vincentius schlägt und Götz Alsmann steht stramm. Salutiert, verharrt regungslos, bis der dritte Schlag verklungen ist. „Wann sind wir das erste Mal hier aufgetreten? Damals schlug die Glocke schon zur genau selben Zeit“, meint Alsmann und erklärt: „Eigentlich sind wir nur nach Dinslaken gekommen, um die Glocke zu hören.“ Tatsächlich begründete Alsmann in den 2000er Jahren das „Glockenspiel“ im Burgtheater, das seitdem alljährlich Kabarettisten, Comedians und Sänger als Running Gag weiterspielen.

Und dann ist es dunkel geworden über dem Burgtheater. Alsmann besingt die Turmuhr im Schlaflied. Und das Publikum? Es feiert Götz Alsmann und seine Band mit stehenden Ovationen.