Voerde. Wichtiger Gast am Donnerstag beim Windkraft-Zulieferer Flender in Voerde. Was den Vizekanzler bei der Werksbesichtigung besonders beeindruckte.

Der Vizekanzler ist pünktlich – zwei Minuten vor dem angekündigten Rundgang durchs Werk der Firma Flender im Gewerbegebiet „Am Industriepark“ biegt die große dunkle Limousine eines deutschen Autoherstellers auf den Parkplatz. Es ist nicht der erste Besuch von Robert Habeck bei dem Unternehmen. Vor wenigen Wochen erst war er am Standort in Penig, Sachsen, zu Gast gewesen. Schon als er im April auf der Hannover-Messe am Stand der Firma vorbeischaute, kam die Einladung, auch die Produktionsstätte in Voerde zu besichtigen. Flender und der Bundeswirtschaftsminister – zwei, die sich angesichts desselben Ziels, das sie antreibt, verstehen.

Der Empfang am Donnerstagnachmittag ist entsprechend freundlich. Für Robert Habeck – vor einem Jahr noch sehr gefeiertes und heute viel gescholtenes Mitglied der Bundesregierung – dürfte es ein Termin der angenehmen Sorte sein. Anders als noch vor acht Wochen, als ihm nur wenige Kilometer weiter südlich bei einem Auftritt vor Stahlarbeitern in Duisburg Buhrufe entgegenschlugen. Bei Flender in Voerde hat der Grünen-Politiker, der nicht nur wegen des Heizungsgesetzes massiv in der Kritik steht, dagegen quasi ein „Heimspiel“. Denn die Firma gehört einer Branche an, die ein wichtiger Partner bei der angestrebten Energiewende ist. Unter der Produktmarke Winergy stellt das Unternehmen in Voerde Getriebe und komplette Antriebsstränge für Windkraftanlagen her.

Eine der Fertigungsstationen in Voerde.
Eine der Fertigungsstationen in Voerde. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Flender ist ein Global Player. Dessen Technik werde von Kunden weltweit in On- und Offshore-Windparks installiert. Nach Firmenangaben befindet sich aktuell „in knapp jedem dritten Windrad auf der Welt eine Antriebskomponente von Flender“. Nach dem kürzlich erfolgten Rückzug eines Mitbewerbers ist das Unternehmen der letzte Windenergiegetriebehersteller, der heute noch in Deutschland produziert.

Zurzeit nimmt die Produktion für Windkraftanlagen onshore bei der Firma den größten Anteil ein. Just in dem Bereich drückt Robert Habeck aufs Gaspedal, er will den Ausbau der Windkraft an Land zu beschleunigen. Das Ziel der Bundesregierung lautet, dass im Jahr 2030 erneuerbare Energieträger 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs abdecken. „Windenergie an Land ist ein Schlüssel für unsere Energieversorgung“, hatte der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz beim zweiten Windkraftgipfel im Mai in Berlin betont.

Flender liefert aus Voerde nach eigenen Angaben aktuell Getriebe mit bis zu zehn Megawatt für On- und Offshoreanlagen. Anlagen bis zu 20 Megawatt Leistung seien in der Entwicklung. Habeck spricht hier allgemein von einer „Hochskalierung“ und einem „wahnsinnigen Leistungssprung“. In den kommenden Jahren würden 10.000 alte, kleinere Windkraftanlagen vom Strom gehen, etwa genau so viele, aber größere würden dafür benötigt, die ehrgeizigen Ausbauziele zu erreichen, erläuterte Habeck bei dem Werksrundgang bei Flender in Voerde, wo die Firma etwa 1900 Menschen beschäftigt. An allen Standorten sind es knapp 9000.

Verantwortliche des Unternehmens, das in Voerde nach eigenen Angaben „eines der weltweit modernsten und größten Werke zur Herstellung von Antriebssystemen für Windkraftanlagen“ betreibt, lieferten dem Bundesminister genauso Informationen wie Mitarbeiter dies noch einmal spezieller an den einzelnen Stationen in der Werkshalle taten. Sie erläuterten die Montage und Prüfverfahren der Wind- und Industriegetriebe. Der Bundesminister gab sich nahbar und hochinteressiert. Zuweilen geriet er ins Staunen – etwa in dem Moment, als er erfuhr, wie viele Arbeitsstunden nötig sind, um ein sogenanntes Planetengetriebe für eine Windkraftanlage zusammenzubauen: 160 sind es. Einige Minuten später bewunderte er an einer weiteren Station zunächst die riesigen, in einem Kasten liegenden Sechskantmuttern. Dann nahm er einen überdimensionierten Schraubenschlüssel in die Hand und wähnte darin scherzend ein gutes Motiv für die zahlreich erschienenen Pressefotografen.

Minister legt selbst Hand an

Nicht nur einmal durfte der Vizekanzler bei Flender in Voerde selbst Hand anlegen. Vor dem Prüfstand angelangt, setzte er per Knopfdruck die beiden hinter Glas befindlichen Zehn-Megawatt-Getriebe in Gang – über die digitale Anzeige ließ sich verfolgen, wie die Leistung stetig stieg. Weiter ging es zum Lackier- und Verpackungsbereich und zu guter Letzt zu einem kompletten Antriebsstrang, an dem der Bundesminister einen Hinweis mit der Aufschrift „Weitere 6,2 Megawatt grüne Energie“ befestigte.

Die Anlage wird direkt auf die Baustelle des Kunden geliefert – übrigens mit einer Notiz des Vizekanzlers...

Der begab sich nach dem Rundgang mit den Verantwortlichen von Flender zu einem Gespräch hinter verschlossenen Türen.

>>Info: Zum Standort

2001 wurde der Flender-Standort in Voerde-Friedrichsfeld auf einer Fläche von mehr als 30.000 Quadratmetern eröffnet. Dieser diene von Beginn an als Produktionsstandort für Großgetriebe und für den Service von Wind- und später auch Industriegetrieben.

Für die Produktion von Antrieben für die Windenergie würden in Voerde im Laufe der Jahre immer wieder neue, modernere und größere Serienprüfstände errichtet. In diesem Jahr wurde der Standort um zwei große Logistikhallen für Großkomponenten erweitert.