Dinslaken. Michael Schulte spielte am Donnerstag zum Fantastival-Auftakt vor ausverkauftem Haus. Was das Publikum an seinem Konzert besonders begeisterte.
Morgens sei er noch einen Halbmarathon gelaufen, erzählte Michael Schulte seinen Fans im Burgtheater Dinslaken. Um fit zu bleiben, um die Gegend zu erkunden. „Schöne Dörfer, Voerde und Dinslaken“: Die Bemerkung klärte sich auf, als er erwähnte, er habe „auch das mit dem Deich“ gesehen. Schulte war den Rotbach und Rhein entlang unterwegs durch Eppinghoven und Richtung Götterwickerhamm gerannt. Und so durchtrainiert absolvierte er mit seiner Band dann am Donnerstagabend den Start des Fantastivals. Verzichtete während seines 100-minütigen Auftritts auf viele Worte, forderte aber mit „Partysongs“ en bloc seine Fans auf, aufzustehen, mit zu klatschen, zu winken. Schließlich erwartet das Publikum bei einem Festival wie dem Fantastival bewegende Momente. Und das ist wörtlich zu nehmen, wenns ums Tanzen vor der Bühne und auf den Rängen geht.
Ein Mann für Balladen
Dabei ist Michael Schulte mindestens ebenso ein Mann für die Balladen. Dann wird ein altes Klavier auf die Bühne geschoben und es dominieren ruhige Piano und Gitarrenklänge. Es sind die Wurzeln des 33-jährigen, der 2012 Dritter bei The Voice of Germany wurde und 2018 den wohl in Deutschland meistgefeierten vierten Platz der letzen Dekade errang: Seit seinem Achtungserfolg beim Eurovision Song Contest mit „You let me walk alone“, ging es für den Lockenkopf aus Eckernförde nur noch steil bergauf.
Viel ist für Michael Schulte in den letzten Jahren passiert, die Hochzeit und die Geburt der beiden Söhne müssen beim Konzert erwähnt bleiben, schließlich singt er ja auch darüber, wie er selbst als Vater einmal in Erinnerung bleiben möchte. Aber für die Fans sind die anderen „Kinder“ des Sängers relevant: seine Songs, die im Radio hoch und runter laufen. „Keep me up“, „Waterfall“ oder „Stay“. Wenn man einen mutmaßlichen „Ed Sheeran-Titel“ nicht kennt, ist er wahrscheinlich von Michael Schulte.
Millionenfach angeklickt
Dabei habe er lange gekämpft, im deutschen Musikbusiness seinen Weg zu gehen und auch bei den englischen Texten zu bleiben, erklärte Schulte im Burgtheater. Wie sehr sich der Markt hier vom internationalen Geschmack unterscheidet, belegen Zahlen. „Falling apart“ von 2011 wird millionenfach angeklickt - aber in Deutschland hört man es nur live auf der Bühne - so wie beim Fantastival.
Nun kann man sich bei Zwischenmoderationen allerdings auch um Kopf und Kragen reden. Dem sympathischen, weil eigentlich doch auch durch das so sehr persönliche „You let me walk alone“ so glaubwürdigen Schulte unterlief im Fantastival ein peinlicher Fauxpas.
Fantastivalplakat von 2022
Michael Schulte und Max Giesinger sind ziemlich beste Freunde, was die beiden auch gerne öffentlich betonen. 2022 haben die beiden dann mit „More to life“ ihren ersten gemeinsamen Titel herausgebracht. Klar, dass der auch am Donnerstag auf der Setlist stand. Aber warum musste Schulte versuchen zu entschuldigen, dass er dabei alleine blieb? Max Giesinger könne heute Abend nicht da sein, erklärte Schulte, er sei halt auch immer sehr gut gebucht. Aber Max würde ja sooo gerne mal in Dinslaken auftreten… In diesem Moment blickte Michael Schulte auf ein Plakat.
Ein Fantastivalplakat von 2022, das Erich Heinser aus dem Ehrenamtlichen-Team der Freilicht AG im Mittelgang in die Höhe reckte und das eindeutig Max Giesinger zeigte. „Der war schon mal hier?“, fragte Schulte irritiert, Stimmen aus dem Publikum bejahten es. „O Sch...“, entfuhr es dem ertappten Sänger, dem die Geschichte offenbar wirklich peinlich war. Dem anschließenden „More to life“ tat dies allerdings keinen Abbruch. Und der Stimmung beim Fantastival auch nicht. Als bei „You let me walk alone“ die Handytaschenlampen wie Glühwürmchen im Burgtheater leuchteten, war das einer dieser viel beschworenen magischen Momente.
Magie von Harry Potter
Aber es gab noch einen zweiten Gänsehautmoment am Abend. Und diesen erlebte Joya Marleen. Die junge Sängerin war diejenige, die tatsächlich das Fantastival 2023 eröffnete, sie war Schultes Supportact. Begleitet von ihrer Band animierte die Schweizerin vom ersten Song an das Publikum, mitzumachen, wuselte quirlig mit ihrer E-Gitarre über die Bühne und überzeugte mit ihren Popsongs, die zu jener seltenen Gattung gehört, die positive Energie mit Mollakkorden verbreiten können. Vielleicht liegt’s wirklich an ihrer Vorliebe für Schottland und die Magie von Harry Potter.
Wie auch immer. In ihren Schweizer Platin-Hit „Nightmare“ am Ende ihres Sets stimmte das Publikum gut aufgewärmt ein. Und dann erlebte man etwas, was man so im Burgtheater noch nicht gesehen hat: Die Zuschauer erhoben sich Block für Block für den Support-Act des Abends zu standing ovations.