Dinslaken. Die Gleichstellungsbeauftragte wirft der Stadt Dinslaken in einem Brief an die Bürgermeisterin Diskriminierung von Frauen vor. Unter anderem.
Verstoß gegen das Landesgleichstellungsgesetz, gegen den Gleichstellungsplan der Stadt Dinslaken, Diskriminierung von Frauen und Müttern - das wirft die Gleichstellungsbeauftragte Karin Budahn-Diallo der Stadtverwaltung in einem Brief an Bürgermeisterin Michaela Eislöffel vor. Das Schreiben liegt der NRZ vor.
Es geht um die Ausbildungsplätze, die die Stadt Dinslaken im kommenden Jahr zur Verfügung stellen will und die der Stadtrat in seiner Sitzung am 6. Juni absegnen soll. Die Gleichstellungsbeauftragte sei nicht nur nicht in die Erarbeitung dieser Beschlussvorlage involviert worden, schreibt sie - womit diese gegen das Landesgleichstellungsgesetz verstoße und somit rechtswidrig sei. Sondern die Stadt ignoriere bei der Ausbildung auch mehrere Vorgaben des städtischen Gleichstellungsplans.
Kein Konzept zur Ausbildung in Teilzeit
So habe sich die Stadt Dinslaken bereits 2007 im Gleichstellungsplan dazu verpflichtet, ein Konzept zur Umsetzung von Ausbildung in Teilzeit zu entwickeln. Das sei bis jetzt nicht geschehen. Nur der Satz, „dass alle Ausbildungen, sofern tatsächlich möglich, auch in Teilzeit angeboten werden“, werde den Ausschreibungen zugefügt. „Das ist natürlich kein Konzept für die Teilzeitausbildung in der Stadtverwaltung, zumal in den beamtenrechtlichen Ausbildungen (und nur diese bieten wir für die Kernverwaltung an) eine Teilzeitausbildung nicht möglich ist“, kritisiert die Gleichstellungsbeauftragte.
Im vergangenen Jahr habe eine junge Frau, laut Budahn-Diallo eine Mutter, gegen ein Einstellungsangebot der Stadt Dinslaken entschieden, weil „wir diese Ausbildung nicht in Teilzeit anbieten“. Sie habe die entsprechende Ausbildung in Teilzeit dann bei einer anderen Stadtverwaltung begonnen, so Budahn-Diallo - und das sei bereits der zweite Fall in den vergangenen fünf Jahren.
Die Gleichstellungsstelle habe das Thema deswegen wiederholt angesprochen. „Es wurde vereinbart, für dieses Jahr zu prüfen, ob wir aufgrund dessen auch die Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten anbieten können und werden.“ Ein Ergebnis der Auswertung sei aber mit der Gleichstellungsstelle „nicht besprochen“ worden: „Die Stadtverwaltung Dinslaken kann sich leisten potenzielle Fachkräfte zu verlieren und Frauen, die Familienaufgaben übernehmen, zu diskriminieren?“, fragt die Gleichstellungsbeauftragte.
Probleme bei der Qualifizierung tariflich Beschäftigter
Auch bei der Qualifizierung tariflich Beschäftigter würden Lehrgänge, die im Gleichstellungsplan enthalten seien, tatsächlich nicht angeboten. Das sei im vergangenen halben Jahr zwei Kolleginnen mitgeteilt worden. Eine „plant nun die Arbeitszeit zu reduzieren und ein Masterstudium zu beginnen – wahrscheinlich nicht, um weiter bei der Stadtverwaltung Dinslaken zu arbeiten“, so Karin Budahn-Diallo.
„Diskriminierung“ von Berufsrückkehrerinnen
Bei der Qualifizierung von Quereinsteigenden – ebenfalls Teil des Gleichstellungsplans – gebe es ein Problem mit der Weiterentwicklung der Kolleginnen („es sind fast ausschließlich Frauen“), so Budahn-Diallo. „Da sie keine typische Verwaltungsausbildung mitbringen, können sie sich nur auf einen sehr geringen Anteil an Stellen bewerben oder werden finanziell schlechter eingestuft. Dies stellt insbesondere für Rückkehrerinnen aus der Elternzeit ein großes Problem und eine mittelbare Diskriminierung dar,“ so die Gleichstellungsbauftragte. Die zwei angemeldeten Qualifizierungsplätze würden nicht ausreichen, „da ein Platz bereits für Mitarbeitende aus dem manuellen Bereich reserviert ist“ – auch das sei Bestandteil des Gleichstellungsplans.
Fachkräfte im mittleren Dienst auch aus angrenzenden Berufsbildern zu gewinnen, sei „entscheidend für die Besetzung freier Stellen. Allerdings nur, wenn ihnen auch Entwicklungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, bestenfalls eingebettet in ein Gesamtkonzept. Es kann nicht hingenommen werden, dass hier Strukturen entstehen, die zu einer mittelbaren Diskriminierung von Frauen führen“, kritisiert Karin Budahn-Diallo.
Stadt müsse als Arbeitgeberin wettbewerbsfähig bleiben
Um als Arbeitgeberin „wettbewerbsfähig zu bleiben“ sei es für die Stadt - die ohnehin unter Fluktuation leidet – wichtig, an den Arbeitsbedingungen zu arbeiten. Im Gleichstellungsplan seien „moderne Personalentwicklungsmaßnahmen, die dies ermöglichen, vereinbart und vom Stadtrat verabschiedet“ worden. Karin Budahn-Diallo mahnt, diese auch umzusetzen: „Ich habe bereits bei der Verlängerung des Gleichstellungsplan an den Stadtrat die Frage gestellt, wie soll ein Gleichstellungsplan in der Verwaltung umgesetzt werden, wenn schon bei der Erarbeitung kein Interesse daran besteht. Dies hat sich nun bewahrheitet“, so die Gleichstellungsbeauftragte.
So reagiert die Bürgermeisterin
In ihrem Antwortschreiben erklärt die Bürgermeisterin, dass die Einwendungen der Gleichstellungsbeauftragten „nicht überzeugen“, die Beschlussvorlage zu den Ausbildungsplätzen widerspreche nicht dem Landesgleichstellungsgesetz und sei somit „nicht rechtswidrig“.
Sie bestätigt, dass die Gleichstellungsstelle nicht an der Erarbeitung beteiligt war sondern erst „im Rahmen des Dezernentenumlaufs von der Vorlage Kenntnis erhalten“ habe. Allerdings gehe es ín der Vorlage um die Anzahl der Ausbildungs- und Qualifizierungsplätze (32) und um den finanziellen Rahmen (2,1 Millionen Euro) - „es werden keine gleichstellungsrechtlichen Fragen tangiert“, so Michaela Eislöffel. Erst bei der Besetzung der Stellen werde die Gleichstellungsstelle beteiligt.
Ausbildungsleitung war lange vakant
Angesichts der Ausbildungskapazitäten habe man sich bei der Stadtverwaltung für „das Angebot von Ausbildungsverhältnissen im Beamtenverhältnis“ entschieden. Sofern eine Ausbildung in Teilzeit „rechtlich“ und „tatsächlich“ möglich sei, werde sie „selbstverständlich“ angeboten. Ein Konzept liege allerdings nicht vor: Die Stelle der Ausbildungsleitung sei zwischen Sommer 2021 und Januar 2023 nicht besetzt gewesen, in dieser Zeit seien „nur die zwingend notwendigen Aufgaben“ ausgeführt worden. Die Aufstiegslehrgänge würden durchaus angeboten - bedarfsorientiert. Für manuell Beschäftigte mit körperlichen Einschränkungen, die zu einer Arbeitsunfähigkeit in dem manuellen Bereich führen könnten, werde der entsprechende Lehrgang aber nicht angeboten. Auch hier sei die lange fehlende Ausbildungsleitung der Grund.
Es sei „erklärter Wunsch und Wille“ der Verwaltung, die Möglichkeiten der Ausbildung in Teilzeit und der berufsbegleitenden Qualifizierung verbessern zu wollen. Das sowie die Erstellung eines entsprechenden Konzepts werde allerdings durch die Ausbildungsleitung umgesetzt, die nach längerer Vakanz nun ihre Arbeit aufgenommen habe.