Dinslaken. Häufig kommen Schüler zu spät zum Otto-Hahn-Gymnasium, weil der Bus 918 zu früh, zu spät oder gar nicht fahre. Was Niag und Stadt dazu sagen.
Es ist nicht erst einmal vorgekommen, dass Sebastian Hepner bereits auf der Autobahn auf dem Weg zur Arbeit war, als ihn seine Töchter verzweifelt anriefen. Sie stünden immer noch an der Bushaltestelle. Der Bus, der sie von Hiesfeld zum Otto-Hahn-Gymnasium (OHG) bringen sollte, ist nicht gekommen. „Ich musste umdrehen. Eine meiner Töchter hat in der ersten Stunde eine Mathearbeit geschrieben. Sie wäre sonst zu spät gekommen“, erzählt der Familienvater. Sogar im Schlafanzug habe er seine Kinder schon an der Bushaltestelle eingesammelt und zur Schule gefahren – weil es wieder einmal Probleme mit der Buslinie 918 gegeben habe.
Regelmäßig fahre der Bus an den Haltestellen in Hiesfeld zu früh ab, sei überfüllt, sodass der Busfahrer einige Kinder nicht mehr einsteigen lasse oder er komme erst gar nicht. „Das ist kein Zustand mehr“ kritisieren die betroffenen Eltern Sebastian Hepner und Michaela Kalfhues. Das Problem trete nicht erst seit wenigen Wochen auf. „Es beschäftigt uns schon seit über sechs Jahren“, bestätigt OHG-Schulleiterin Astrid Weidler.
Bus fährt einmal in der Stunde von Oberhausen über Dinslaken nach Voerde
Die Niederrheinischen Verkehrsbetriebe (Niag) betreiben die Linie 918, die vom Bahnhof in Oberhausen-Holten über Dinslaken bis zum Rathausplatz in Voerde fährt. „Es ist für mich unverständlich, wieso ein Bus, der drei Städte miteinander verbindet, nur einmal in der Stunde fährt“, so Hepner. Schon mehrfach hätten sich die Eltern mit dem Thema an die Niag gewandt. Persönlich, mit Mails und mit Anrufen. „Doch gebracht hat es bisher nichts“, sagt Kalfhues verärgert. Ihr Sohn habe bereits resigniert. Er fährt die sechs Kilometer lange Strecke von Hiesfeld bis zum OHG jetzt täglich mit dem Fahrrad.
Hepners Töchter wollen hingegen mit dem Bus fahren. Laut Fahrplan soll dieser die Haltestelle Försterstraße um 7.32 Uhr anfahren. „Dass er oftmals schon um 7.26 Uhr oder noch früher kommt, ist keine Seltenheit“, so Hepner, der seine Kinder mindestens 15 Minuten früher als nötig aus dem Haus schickt, damit sie den Bus kriegen. Dabei sei es gerade mal eine Minute Fußweg bis zur Haltestelle. „Die direkte Busverbindung vor unserer Haustür war damals ein ausschlaggebendes Argument fürs OHG.“
Im Schnitt komme der Bus vier- bis fünfmal im Monat morgens zu früh oder gar nicht. „Ich kann nicht beruhigt zur Arbeit fahren, wenn ich nicht weiß, ob meine Kinder zur Schule kommen. Das beeinflusst uns jeden Tag.“
Mobilitätsgarantie der Niag sei für Kinder in der Praxis kaum umsetzbar
Und nach Schulschluss sei die Situation nicht unbedingt besser: „Es kommt häufig vor, dass die Kinder nach der sechsten Schulstunde an der Bushaltestelle stehen, auf den Bus warten und dieser einfach nicht kommt“, erzählt Michaela Kalfhues. „Das ist ein großes Problem. Berufstätige Eltern können dann nicht mal eben ihr Kind von der Schule abholen. Sie verlassen sich darauf, dass ihre Kinder mit dem Bus nach Hause fahren können.“
Die Niag wirbt in solchen Fällen mit der Mobilitätsgarantie. Heißt: Wenn ein Bus eine Verspätung von mehr als 20 Minuten aufweist oder komplett ausfällt und es keine alternative Verkehrslinie gibt, können sich Kunden ein Taxi rufen, das sie zu ihrem Zielort fährt. Die Fahrtkosten werden von der Niag erstattet – wenn denn ein entsprechender Antrag ausgefüllt und mit der Originalquittung in einem Kundencenter abgegeben oder per Post an die Niag geschickt wird.
Klingt für den Notfall super, sei in der Praxis aber schwer umsetzbar. „Meine Kinder wurden schon mehrmals abgewiesen, als sie bei der Taxizentrale angerufen haben. Sie sind zu jung, um ein Taxi bestellen zu dürfen“, so Hepner.
OHG-Schulleiterin: Busprobleme seien Zumutung für junge Dinslakener Schüler
Auch Schulleiterin Astrid Weidler zeigt wenig Verständnis für die Busprobleme vor ihrer Schule: „Insbesondere für die Kleinen in der fünften und sechsten Klasse ist es eine Zumutung. Sie sind total erschrocken, wenn der Bus gar nicht kommt oder der Busfahrer die Tür aufmacht, und ihnen sagt, dass er sie nicht mehr mitnehmen kann.“
Hepner und Kalfhues sind zudem nicht die einzigen Eltern, die in Hiesfeld wohnen und ihre Kinder aufs OHG in den Hagenbezirk schicken. „Wir haben in jedem Jahrgang sechs bis acht Kinder aus Hiesfeld. Das sind insgesamt über 60 Kinder. Nicht alle fahren mit dem Bus, aber ein Großteil“, erklärt Weidler. Und regelmäßig kommen die „Buskinder“ zu spät zum Unterricht.
Die Eltern und die Schulleiterin wünschen sich, dass der Bus zumindest zu den Stoßzeiten am Morgen und nach der Schule mehrmals in der Stunde fahren würde. „Wenn dann mal ein Bus zu voll wäre oder ausfällt, wäre es nicht so schlimm, weil man wüsste, dass in 20 Minuten wieder einer käme“, sagt Sebastian Hepner. Oder aber die Niag würde einen zweiten oder einen größeren Gelenkbus einsetzen, damit alle Kinder mitgenommen werden.
Niag stellt keine zu frühen Abfahrten im gesamten Februar fest
Auf NRZ-Anfrage hat die Niag ihre Buslinie 918 genauer unter die Lupe genommen und den vergangenen Monat ausgewertet. „Zu frühe Abfahrten konnten wir im Februar nicht feststellen. Jedoch gab es leider acht Verspätungen von fünf bis zu 13 Minuten“, erklärt Niag-Sprecher Michael Block.
Hinzu kamen neun Fahrtausfälle. Diese seien zweimal auf die Streiks von Verdi zurückzuführen gewesen. Die anderen sieben Fahrten seien wegen eines kurzfristigen Personalmangels ausgefallen. „Der Fachkräftemangel trifft leider alle Unternehmen im ÖPNV besonders stark“, erklärt Block.
Bus 918 fuhr mehrmals das Otto-Hahn-Gymnasium nicht an
Fakt ist aber auch: Viermal wurde die Haltestelle am Otto-Hahn-Gymnasium im Februar nicht angefahren. „Dieser Umstand ist auch für uns nicht akzeptabel. Den Gründen gehen wir derzeit nach.“ Man arbeite mit Nachdruck daran, die Lage weiter zu verbessern. Dafür soll es kurzfristig eine erneute Vor-Ort-Prüfung geben. Das OHG soll dabei einbezogen werden, versichert der Niag-Sprecher. Und vielleicht wird dabei auch der Wunsch der Eltern zumindest teilweise umgesetzt: „Möglicherweise können wir zu Spitzenzeiten Gelenkbusse mit einer größeren Kapazität einsetzen oder auch sogenannte Verstärkerfahrten einrichten.“
Den Bus einfach häufiger pro Stunde fahren zu lassen, sei hingegen nicht so schnell realisierbar, denn die Anzahl der Fahrten seien vom Kreis Wesel vorgegeben. „Hier müssen wir uns als Dienstleister an die Vorgaben halten. Wir nehmen das Thema jetzt selbstverständlich mit in den regelmäßigen Austausch mit unserem Aufgabenträger“, betont Michael Block.
Stadt Dinslaken sind Busprobleme aktuell nicht bekannt
Der Stadt Dinslaken als Schulträger liegen keine aktuellen Beschwerden über die Linie 918 vor, heißt es auf Nachfrage aus dem Rathaus. Die letzte Rückmeldung einer Mutter sei im Oktober 2021 erfolgt. Die Stadt habe damals, wie bei Beschwerden zuvor auch, mit der Niag Kontakt aufgenommen und um Abhilfe gebeten.
„Hätten sich Eltern und Schulleitung mit derzeit bestehenden Busproblemen an den Schulträger gewandt, hätte man hier ebenfalls zeitnah reagieren können.“ Die Stadt habe das Thema nun selbst aufgegriffen und umgehend an die Niag weitergeleitet.
Als Alternative zum Linienverkehr eigene Schulbusse auf der Strecke einzusetzen, sei nicht möglich, da es sich bei der Linie 918 gemäß Schülerfahrkostenverordnung des Landes NRW um Fahrtrouten handelt, die der ÖPNV gut abdecke. „Nur wenn dies nicht gegeben ist, darf der Schulträger eigene Schulbusse (Schülerspezialverkehr) beauftragen“, teilt die Stadt mit.