Dinslaken. Das Ehepaar Raymann beendet den Pachtvertrag für den Hiesfelder Hof – und verrät zum Abschied ein Geheimrezept. Wie es mit dem Lokal weitergeht.
In Hiesfeld geht eine Ära zu Ende. Am 1. April 1988 übernahmen Gertrud und Norbert Raymann den Hiesfelder Hof. Am 31. März verlängern sie nach auf den Tag genau 35 Jahren nicht mehr den Pachtvertrag. Es ist ein Abschied aus Altersgründen. Und somit mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Am heutigen Donnerstag wird das letzte Bier gezapft. Danach räumen die Raymanns die Gaststätte aus, die für sie und ihre Gäste in den letzten Jahrzehnten zu einem Wohnzimmer geworden war.
Opulente Frühstücke für nur 3,50 Euro, mit so viel Kaffee, wie man wollte. Von Norbert Raymann selbst gebackener Kuchen. Und vor allem: persönlicher Kontakt. Im Hiesfelder Hof brauchte niemand alleine am Tisch zu bleiben. Kam es wirklich einmal vor, setzten sich die Raymanns selbst dazu.
Hiesfelder Hof war Stammsitz für viele Vereine aus Dinslaken
Die Basis für diese gepflegte Gastfreundschaft: Vereinskultur. Gertrud (84) und Norbert Raymann (80) lernten sich 1985 durch ihre aktiven Mitgliedschaften im Frauenchor Liederkranz Barmingholten bzw. MGV Liederkranz Barmingholten kennen. 1986 heirateten sie. Und folgten einem Rat eines Mitsängers, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Als die Möglichkeit bestand, den Hiesfelder Hof zu übernehmen, griffen sie zu. Gertrud, die sich nie vorstellen konnte, Gastronomin zu werden, und Norbert, der weiterhin parallel seinem alten Beruf nachging.
Und ganz schnell sollte der Hiesfelder Hof das Zentrum ihres Lebens werden. Eine Woche Urlaub im Jahr in Österreich, sonst lebten die Raymanns bis heute täglich nur für die 1907 erbaute Eckkneipe an der Sterkrader Straße. Dienstags war Ruhetag. Aber Abends probte der Shanty Chor. Und das bedeutete, dass Gertrud Raymann ab nachmittags die Frikadellen zubereitete.
Die Raymanns standen bis vier Uhr morgens hinter der Theke
Stichwort Shanty Chor: Der Hiesfelder Hof war immer ein Vereinslokal. Bis zu ihrer Auflösung für den Quartett-Verein Hiesfeld, den Mühlenchor und den zuletzt zum Frauenchor geschrumpften Volkschor Dinslaken. Für den Hiesfelder Carneval Club, der eine Idee und Gründung von Norbert Raymann ist, wie der schon erwähnte Shanty Chor Hiesfeld. Oder der Schalke Fanclub, der sich ebenfalls im Hiesfelder Hof traf.
Bis vier Uhr morgens standen die Raymanns in den ersten Jahren hinter der Theke – ohne selbst zu trinken, anders kann man eine Wirtschaft nicht führen. Kein Wunder, dass sie die Chance nutzten, auch ihren privaten Wohnsitz in das alte Haus zu verlegen, dass bis heute im Besitz der Familie Kastenholz ist, die 1907 das Gebäude errichtete und die Gaststätte lange Jahre selbst als Familienbetrieb führte.
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Klar, dass der Schankraum mit Saal und Kegelbahn auch für die Raymanns zu einer Art Wohnzimmer wurde. Spürbar an der gepflegten, einladenden Atmosphäre, den gastlichen, sprich niedrigen Preisen und so mancher hausgemachter Spezialität. Wozu nicht nur „das Rührei“ gehörte – tatsächlich gleich drei Eier mit Sahne, Salz, Pfeffer und etwas Curry kross gebraten – sondern auch der berühmt-berüchtigte „Norbert Spezial“. Damit ist jetzt Schluss, die letzten fünf Liter wurden zum Abschied aufgesetzt.
Hiesfelder Hof wird renoviert und neu eröffnet
Ein wenig Wehmut kommt schon auf und es ist rührend zu erleben, wie sich die Stammgäste mit Geschenken für all die Jahre Gastlichkeit bedanken. Aber ein Lokal zu führen bedeutet nicht nur viel Zeitaufwand, sondern auch körperliche Arbeit, und das Ehepaar hat die 80 überschritten. Sie sind einfach auch erschöpft. Und so trafen sie die Entscheidung, die bedauert wird, aber auch bei den Gästen auf Verständnis stößt. „Wir werden unser Lokal vermissen“, so Norbert Raymann, „ aber wir freuen uns auf den Ruhestand und hoffen für uns noch auf ein paar schöne Jahre“.
Das Lokal selbst wird in den kommenden Wochen renoviert und neu eröffnet. Fest steht bereits, dass der Shanty Chor seine Probearbeit dort im Mai wieder aufnehmen kann.
100-prozentig hochprozentig: Norbert Spezial
Zum Abschied verriet Norbert Raymann die Mixtur des Kultgetränks aus dem Hiesfelder Hof. Für fünf Liter „Norbert Spezial“ mixt man 0,7 l Cocktail-Sirup, Geschmacksrichtung Erdbeere, mit 1 l Ouzo, 1 l Wodka, 0,25 l Stroh-Rum und füllt diese Mixtur auf fünf Liter, also mit gut zwei Litern Obstler auf. Menschen, die den „pangalaktischen Donnergurgler“ aus „Per Anhalter durch die Galaxis“ kennen, wissen, das dieser fiktive Cocktail im Vergleich zum „Norbert Spezial“ ein harmloser Softdrink ist.