Dinslaken. Der Shanty Chor Hiesfeld feierte sein 20-jähriges Bestehen in der proppenvollen Kathrin-Türks-Halle in Dinslaken – mit ganz besonderen Gästen.
Von Frankreich bis Polen und an der Nord- und Ostseeküste ohnehin: Seit 20 Jahren ist der Shanty Chor Hiesfeld Botschafter für Dinslaken, er hat die Rotbachstadt nicht nur zum Heimathafen für maritimes Liedgut mit einem kräftigen Schuss Irish Folk und zur Anlegestelle befreundeter Chöre aus ganz Europa gemacht, er legte sich auch kräftig dafür ins Zeug, dass Dinslaken nach mehreren Jahrhunderten wieder in den Status einer Hansestadt kam. Ein Erfolg, mit dem wohl kaum jemand rechnete, als der Chor vor 20 Jahren auf Anregung von Norbert Raymann im Hiesfelder Hof gegründet wurde. Aber ein solcher Erfolg kommt auch nicht von ungefähr, dafür bedarf es einer ganzen Schiffsladung voll ausgewogener Ingredienzen und nein, damit sind nicht Rum und Tabak gemeint, obwohl diese gern besungen werden.
Was das Erfolgsrezept des Shanty Chors Hiesfeld ist, erlebten die Besucher des Jubiläumskonzertes „Hiesfelders meet Highlanders“ am Sonntag in der Kathrin-Türks-Halle.
Die Zutaten für das Erfolgsrezept
Volles Haus. Und damit die erste „Zutat“. Die Fanbase des Shanty Chors steht fest wie ein Anlegepfahl im Hafen. Das kann man sogar hören. Es gab zwar zum Schluss des Konzertes zwei ausgewiesene Lieder zum Mitsingen. Aber schon vorher legte der Saal eine derartige Textsicherheit hin, dass Chorleiter Thomas Baumann die Zuschauer ganze Refrains alleine singen ließ. Das gibt es eigentlich nur bei Rockkonzerten.
Die Musik. Aber dafür muss es auch eine gute Hitmischung zum Mitsingen geben. Seit 19 Jahren ist Thomas Baumann der Leiter des Chores. „Über uns der blaue Himmel“ war das erste Lied, was ihm die damals nur zehn Mitglieder des Shanty Chors vorgesungen haben. Es durfte im Programm am Sonntag aus nostalgischen Gründen nicht fehlen. Ebenso wenig wie das französische „Yop la ho“, das von Baumann zum zehnjährigen Chorbestehen einen neuen Text erhielt: „vom Niederrhein bis nach Mexico“, Erinnerungen mit „Bier und Rum“ auf eine Melodie mit melancholischer Grundstimmung.
Das Repertoire des Shanty Chors zeichnete sich auch im Jubiläumskonzert durch seine Vielfältigkeit aus: Neben dem beliebten maritimen Liedgut singen die Seebären von der Rotbachkant die echten alten Arbeitslieder a capella, was bei heutigen Shantychören durchaus nicht selbstverständlich ist. Auf der anderen Seite erlaubt die starke Besetzung (55 Aktive, davon elf Instrumentalisten mit Akkordeons, Gitarren, Cajon, Whistle und Fiddle) „Landgänge“ in Irland und Schottland. Und auch Dalmatien. Die Vorsänger und Solisten (Heiner Hake, Ingo Klatt, Dietmar Haeusler und der Ehrenvorsitzende Hans Krüger) sangen mehrsprachig, in „Nelson’s Blood“ ließ es Udo Böhler zudem mit seiner bis zum Anschlag verzerrten E-Gitarre zusätzlich krachen.
So ganz nebenbei verbreiten die Seebären dann noch mit „Jamaika Farewell“ karibisches Flair und bringen die stellvertretende Bürgermeisterin Stefanie Weyland, die eigentlich nur das Grußwort sprechen wollte, dazu, eine orientalische Tanzeinlage zu geben.
Womit schon das zweite große Pfund der „Shanties“ genannt ist:
Entertainment. Thomas Baumann behauptet, er bekäme blaue Punkte im Gesicht, wenn er nicht sprechen würde. Das will keiner, also darf er moderieren. Das tut allerdings auch, eigens beauftragt, Volker Bellingröhr. Und wenn die beiden einmal frotzeln – auf der See herrscht ein rauer Ton – geben die Sänger das ihre dazu. Da es zu den einzelnen Songs aber auch viel Wissenswertes zu erzählen gibt, ist also während der Stücke so viel los wie wenn Chor und Instrumentalisten dank der hervorragenden Technik in der KTH mit einem wirklich bombastischen Sound aufwarten.
Oder liegt es am sechsfachen Dieter? „Egal wo ich im Chor bin, ich stehe immer vor einem Dieter“, kommentiert Thomas Baumann die Namenshäufigkeit im Chor. Volker Bellingröhr nennt ihn von da an nur noch „Dieter Baumann“. Kein Versprecher, wohlgemerkt, die beiden sind beste Freunde seit Schultagen.
Gäste. Fürs Jubiläum hat sich der Chor, der in seinen internationalen Shanty Festivals schon Gäste aus Holland, England und Polen nach Dinslaken lockte, etwas besonderes einfallen lassen: Die Rhine Area Pipes & Drums begeisterten das Publikum in authentischen schottischen Regimentsuniformen nicht nur mit den passenden Märschen, sondern rührten bei 122 Dezibel (!) mit sanften Balladen von „Mull of Kintyre“ bis „Sailing“. Mit Rod Steward sind sie schon aufgetreten, und auch vor Queen Elisabeth II. und Prince Philipp spielten sie. Wer geglaubt hatte, mehr Gänsehaut als bei „Highland Cathedral“ ginge nicht: die Rhine Area Pipes & Drums überraschten das Publikum mit jenem Lieblingslied der Queen, das ihr Pfeifer bei ihrer Trauerfeier in Windsor spielte.
Und so bot das Jubiläumskonzert in drei vollen Stunden alles, was geboten werden kann: Humor, Schwung, melancholische Momente und Emotionen. Stehende Ovationen und Zugaberufe, bis ShantyChor und Dudelsäcke ins „Steigerlied“ einstimmten.