Dinslaken. Szene und Politik diskutierten den Kulturentwicklungsplan und die Reaktion der Verwaltung. Das ist dabei herausgekommen.
Als Ronny Schneider zur ungewohnten Zeit am Samstagmorgen die Kultur-, Partnerschafts- und Europaausschuss-Sitzung im Dachstudio eröffnete, hatte er noch bevor überhaupt ein Wort gesprochen wurde, Grund, sich „irre“ zu freuen. Denn es war voll. Das Interesse der Dinslakener Kulturszene an der Vorstellung des Kulturentwicklungsplans, an dem sie seit Februar 2022 in vielen Stunden aktiv mitgearbeitet hatte, war riesig. Und sie sollte es ursprünglich auch sein, denen Reinhart Richter den Entwurf seines Plans auch als erstes vorstellen wollte. Doch die Verwaltung hielt die Ergebnisse zurück, bis Ronny Schneider nun Nägel mit Köpfen gemacht hatte. So diskutierten am Samstag in zwei „Fishbowl“-Runden zunächst die Kulturschaffenden und dann die kulturpolitischen Sprecher der Fraktionen mit Richter und Ruth Hammerbacher.
Kulturbeirat in Vereinsform
Und darum ging es: Wie berichtet kommt Richter in seinem Handlungsplan dem Wunsch der Kulturszene nach besserer Vernetzung und Kommunikation durch einem festen Ansprechpartner bei der Stadt durch die Empfehlung einer halben Stelle nach. Zudem zielt er mit dem Vorschlag eines Kulturbeirats in Vereinsform und der Schaffung von Intendanzen, sprich themenbezogener Jahresprojekte, auf bürgerschaftliches Engagement, „das Potential mit der höchsten Rendite“, wie er es beschrieb.
Doch genau das ist es, worin die Verwaltung ihren „Klärungsbedarf“ sah. Noch bevor Szene und Politik zu Wort kamen, erläuterte Dezernentin Dr. Tagrid Yousef die Einschätzung des Verwaltungsvorstands: Vernetzung ja, aber erst einmal verwaltungsintern. Statt einer neuen Stelle solle (auch angesichts der Haushaltssituation) nach Schnittstellen zu anderen Bereichen gesucht werden.
Hiermit hat die Verwaltung Probleme
So seien die Bereiche Integration und Kinder im Kulturentwicklungsplan gar nicht eingebunden gewesen. Fördermittelakquise bezöge sich nicht allein auf Kultur. Veranstaltungen sollten auch auf der allgemeinen Website angekündigt werden. Gut fand sie die Idee einer Kulturinfluncer:in. Es fiel auf, dass beim Thema Jugend und soziale Medien viel von Facebook und „Insta“ die Rede war, TikTok allerdings nie erwähnt wurde.
Probleme macht der Verwaltung offenbar auch die Idee des Kulturbeirat e.V. Da müssten Grenzen und Schnittstellen genau gesteckt werden: „Wo ist unsere Aufgabe dann?!“
Verein und Intendanzen wurden auch von Teilen der Kulturschaffenden kritisch gesehen. Detlev Schröder, der Vorsitzende des Shanty Chors Hiesfeld sprach gar von einem „bürokratischen Monster“. Doch Gerhard Greiner kam zu einem anderen Schluss: Ein Verein habe stärkeres Gewicht.
„Nicht verwässern“
Und das könnte gebraucht werden angesichts der Reaktion des Verwaltungsvorstands. „Es darf nicht passieren, dass die Ergebnisse so verwässert werden, dass sie in die anderen Verwaltungsaufgaben passe“, brachte es Thomas Pieperhoff auf den Punkt. Martina Weinem teilte Pieperhoffs „Unbehagen“, kritisierte zudem, dass das auf Ehrenamtlichkeit setzende Richter-Konzept diejenigen, die von der Kultur leben, einmal mehr zu wenig beachte. Und die Ehrenamtlichen in den Vereinen ständen auch bereits an ihrer Belastungsgrenze.
Dieter Seidel, der sich als Mitglied des Shanty Chors maßgeblich für die „Hansestadt Dinslaken“ engagiert hat, fragte, warum diese Chance interkommunaler Vernetzung kaum Beachtung fände, verwies zudem darauf, was beispielsweise mit den Dinslakener Kinderkonzerten schon in Sachen Bildungsarbeit geleistet würde. Der Mensch, der bei der Stadt die Koordinierungsarbeit leiste, werde gebraucht. Ein Gesicht, ein Ansprechpartner, der sich auch zuständig fühlt, ist die zentrale Forderung an die Verwaltung. Doch genau dies fehlte in der Einschätzung des Verwaltungsvorstands.
Konzept darf nicht in der Schublade verschwinden
Und so reagierte die Politik: Niklas Graf, kulturpolitischer Sprecher der Grünen, forderte die Schaffung der Vernetzungs-Stelle ein: „Wir brauchen die Manpower, damit das Konzept nicht in der Schublade verschwindet.“ Anke Korten (CDU) teilt diese Einschätzung, sieht allerdings die Intendanzen kritisch. Johannes Niggemeier (SPD) verwies auf die bestehende Vereinsarbeit, die erst einmal unterstützt werden müsse, man solle den Ehrenamtlichen mit einem weiteren Verein nicht noch mehr aufhalsen.
Ben Perdighe (Die Partei) und Edgar Hellwig (Liberale) begrüßten das Konzept als Chance.
Der Konzept-Entwurf wird nun konkretisiert
Für Ronny Schneider geht es, auch mit Blick auf die finanzielle Situation der Stadt, um nichts geringes als um die Zukunftsfähigkeit des Standorts. Er zitierte Udo Lindenbergs Warnung vom „Ödland“, das zum „Blödland“ wird. „Kultur ist kein Thema, das nichts kosten darf und nur für diejenigen ist, die etwas Spaß wollen.“ Er betonte die Wichtigkeit des Standortfaktors Kultur, zu dem sich Stadt und auch die Wirtschaft gemeinsam bekennen sollten. Der Konzept-Entwurf solle nun mit den Kulturschaffenden gemeinsam konkretisiert werden.
Die Sitzung im Dachstudio endete motivierend: Noch liegt der Kulturentwicklungsplan lediglich als Entwurf vor, seine Umsetzung hängt auch davon ab, wie realitätsnah das Handlungskonzept nun konkretisiert wird. Die Politik bezeichnete es als „Leitfaden“, positionierte sich am Samstag deutlich auf der Seite der Kulturschaffenden. Der Dialog und die gemeinsame Arbeit mit den Kulturschaffenden an einer Präzisierung des Kulturentwicklungsplan sollen bei weiteren Treffen fortgeführt werden, schloss Ronny Schneider.