Dinslaken/Voerde. Ein spektakuläres Schauspiel: Das Emscherdelta wurde im Beisein des Ministerpräsidenten geflutet. Die Emscher fließt nun in Voerde in den Rhein.
Rasenmäher rattern am Mittwochmorgen über den Emscherdamm in Dinslaken, an einer Brücke weht ein Banner: „Die neue Emscher kommt“ kündigt es in blaugrünen Lettern an. Das Niemandsland zwischen Dinslaken und Voerde wird aufgehübscht: Denn mit der Emscher kommt an diesem Tag auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, um einen Meilenstein des Jahrhundertprojekts Emscher-Umbau zu feiern: Die nach vielen Jahrzehnten abwasserfreie ehemalige Köttelbecke bekommt dort, wo sie auf den Rhein trifft, ein neues Bett: die neue Emscher-Mündungsaue wird im Rahmen eines Festakts geflutet.
Mehr als 70 Jahre lang stürzte die Emscher in Dinslaken über ein Beton-Bauwerk rund sechs Meter tief in den Rhein – für Fische eine unüberwindliche Barriere. Seit 2014 ist nun neben dem schnurgeraden alten Kanal ein 20 Hektar großes Delta entstanden, das den Höhenunterschied sanft ausgleichen und Fischen über Sohlgleiten den Flussaufstieg ermöglichen soll.
Zahlreiche Schaulustige recken mittlerweile die Hälse über dem Banner auf der Brücke. Aber noch versperrt ein Stauwehr der Emscher den Weg in die Aue.
Wüst: „herausragende Bedeutung für ganz Nordrhein-Westfalen“
Denn in einem Zelt, das für die zahlreich vertretene Politikprominenz aufgebaut wurde – neben Hendrik Wüst etwa auch Ex-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers sowie Bürgermeister und Politiker der Emscher-Kommunen – werden noch Reden gehalten: „Das Jahrhundertprojekt Emscher-Umbau findet als größtes Infrastrukturprojekt Europas internationale Beachtung und hat eine herausragende Bedeutung für ganz Nordrhein-Westfalen“, sagt etwa Ministerpräsident Hendrik Wüst.
Es handele sich um ein „Vorsorgepaket zum Schutz vor den Folgen des Klimawandels“ fügt er hinzu und wie um seine Worte zu unterstreichen flattert das Zeltdach im besorgniserregend warmen Novemberwind. Die neue Aue leiste zudem einen „wichtigen Beitrag zum Hochwasserschutz“, so Wüst. Sie bietet Emscher und Rhein einen zusätzlichen Retentionsraum mit einem Fassungsvolumen von rund 1,3 Millionen Kubikmetern – ein „beispielhaftes Projekt für den Natur- und Artenschutz“. Schon jetzt sind rund 500 Arten in das Emschergebiet zurückgekehrt.
Emschergenossenschaft hat 70 Millionen Euro investiert
„Die Einweihung der neuen Emscher-Mündung steht symbolträchtig für das neue Kapitel in der Geschichte der Emscher: Sie schafft die Voraussetzung für die Ansiedlung neuen blaugrünen Lebens im zentralen Fluss des Ruhrgebietes“, sagt Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft, die 70 Millionen Euro in das Projekt investiert hat. Die neue Mündungsaue habe zudem „das Potenzial, sich zu einem der beliebtesten Touristenareale in der Region zu entwickeln.“
Das erhoffen sich Dinslaken und Voerde
Genau darauf spekulieren auch die Bürgermeister der anliegenden Städte Dinslaken und Voerde. Die Renaturierung der Emscher sei international beachtet und prämiert worden, sagt Dinslakens Bürgermeisterin Michaela Eislöffel, „wir erhoffen uns dadurch, dass das auch Menschen neugierig auf unsere Region macht.“ Dort, wo früher die Leute die Nase rümpften, sollen sie künftig in der Natur durchatmen können.
Die renaturierte Emschermündung sei ein weiteres Verbindungsglied zwischen Dinslaken und Voerde, betont Michaela Eislöffel – denn durch die Verlegung des Mündungsraums um etwa 500 Meter endet das Delta auf Voerder Stadtgebiet. „Da musste die Emscher erst nach Voerde kommen, um sauber zu werden,“ scherzt daher Voerdes Bürgermeister und fügt hinzu: „Es erfüllt mich mit Stolz, dass Voerde den geografischen Endpunkt dieses Jahrhundert-Vorzeigeprojektes bildet und nun in die Emscher-Familie aufgenommen wird. Dieser neu geschaffene, einzigartige Naturraum wird mit seiner Strahlkraft auch für unsere Stadt ein neues Aushängeschild.“
Die meisten Gäste hören die stolzen Worte der beiden Stadtoberhäupter nicht mehr. Der Ministerpräsident ist draußen samt Pressetross auf eine Behelfsbrücke getreten, eine Sirene ertönt – und die Schleuse öffnet sich: Gemächlich schlängelt sich die „neue Emscher“ in Richtung Vater Rhein. Zwei Gewässer, Symbole für die Region zwischen Rhein und Ruhr, sind auf einem guten Weg.
So geht es weiter
Der alte Emscherkanal soll mit dem Bodenaushub aus der Aue aufgefüllt werden, das Mündungsbauwerk wird zum Aussichtspunkt umfunktioniert und bietet künftig zusammen mit dem Café Hof Emschermündung (Am Hagelkreuz, Dinslaken) einen Anlaufpunkt für Touristen und Erholungssuchende aus der Region.