Dinslaken war als jüngstes Mitglied des Hanse auf dem Internationalen Hansetag in Neuss vertreten. Diese Chancen bietet das Städtenetzwerk.
Dinslaken/Neuss. Um 10.27 wurde Bürgermeisterin Michaela Eislöffel gebeten, vor der Delegiertenversammlung des Internationalen Hansetags in der Neusser Stadthalle die Stadt kurz vorzustellen, um 10.30 Uhr stimmten die Delegierten einstimmig der Aufnahme Dinslaken in die Neue Hanse zu. „In der alten Hanse waren wir rund 200 Jahre, selbstverständlich möchten wir wieder in der Neuen dabei sein“, habe sie erklärt, so Michaela Eislöffel eineinhalb Stunden später am Stand Dinslakens auf dem Hansemarkt rund ums St. Quirinus-Münster. Dort stellte sich die frischgebackene Hansestadt den tausenden Besuchern des Internationalen Hansetags in Neuss vor, der mit einem mehrtägigen Programm an allein sechs öffentlichen Erlebnisbereichen und unzähligen Vorträgen und Ausstellungen beeindruckende Dimensionen hatte.
Noch stand der Pavillon der Hansestadt Dinslaken zwar in direkter Nachbarschaft, aber noch etwas abgesetzt von der Zeltreihe der rheinischen Hanse mit Wesel, Emmerich und Kalkar/Grieth. Das soll sich ändern. Dinslaken wird auch der rheinischen Hanse beitreten und so an die alte Vernetzung anknüpfen.
Umtrunk auf die neue Hansestadt
Der Shanty Chor Hiesfeld ist dabei, er wird später auf der Bühne vor dem St. Quirinus-Münster auftreten. Die stellvertr. Bürgermeisterin Stefanie Weyland, Anke Korten (CDU), Elisabeth Füllgraf (Die Grünen) und Lothar Herbst (UBV) reisten mit dem Shanty Chor an.
Michaela Eislöffel ist seit dem Empfang am Donnerstagabend in Neuss geblieben. Denn was man auf den Märkten und Bühnen sieht, ist nur das Marketing der Neuen Hanse nach außen. Die Hanse ist, wie im Mittelalter, ein städtisches Netzwerk zur Stärkung der Wirtschaft. Tourismus, Stadtmarketing und Kultur sind Bausteine in diesem Konstrukt. Am Freitag gab es einen eigenen Wirtschaftskongress für die Hanse: „Europa als kosmopolitisches Projekt“ lautete das Thema, zu dem u. a. Sigmar Gabriel sprach.
Und wie sich die alte Hanse den Herausforderungen ihrer Zeit stellte, so formieren sich in der Neuen Projektgruppen wie die Faire Hanse. Erstmalig mit einem eigenen Zeltdorf auf einem Internationalen Hansetag vertreten, berät und informiert sie nicht allein, wie Hansestädte Fair Trade Town werden und bleiben können. „Wir geben auch Tipps für Faire Kitas und Faire Schulen“, erklärt die Ehrenamtliche Anke Dartsch aus Rostock, die die Projektgruppe drei Jahre lang geleitet hat. Nun hat Lübeck den Vorsitz. Dort ist auch der Hauptsitz der Neuen Hanse und das Hansemuseum.
Kleine Hansestädte locken mit Naherholung, Ausflügen, Radtouren
Reges Treiben herrscht Samstag auf dem Hansemarkt, das Interesse an Broschüren, Stadtplänen und Flyern ist auch im digitalen Zeitalter ungebrochen. Skandinavier sind vertreten, Niederländer, Brügge und Hamburg. Aber ihre Chancen nutzen gerade die vielen kleinen Hansestädte in NRW. Denn sie locken in Neuss mit Naherholungsangeboten, Tagesausflügen, Radtouren. Hier wird auch Dinslaken künftig mitspielen. Schon am Wochenende wurde am Stand die Sommerkultur beworben. „Vielleicht sollten wir ein Bündel schnüren für Veranstaltungsbesuche im Burgtheater, Übernachtungen und Ausflüge in die Region“, überlegt Gesa Scholten (Wirtschaftsförderung).
Im Zuge eines gewachsenen Bewusstseins für Nachhaltigkeit ging auch eine neue Wertschätzung regionaler Produkte einher. Dies spiegelt sich auch an den Ständen wieder. Die Giveaways heute sind nicht mehr aus Plastik. Stattdessen gibt es Senf aus dem Sauerland und Fleur de Sel aus La Rochelles. Dortmund versorgt seine Standbesucher mit der Gewürzmischung für den mittelalterlichen Pfefferpotthast. Dinslaken hat seine Saattütchen für Blumenwiesen dabei. Eine besondere Spezialität gibt es aus Nieheim im Kreis Höxter: handgemachter Käse mit mediterranen Gewürzen. Im September findet der Käsemarkt statt. Bergen bietet Fischsuppe zum Probierpreis an, die Niederländer haben einen eigenen Stroop-Waffelstand. Dabei ist der Streetfood-Markt doch wo ganz anders...
Shanty Chor Hiesfeld auf der Bühne
Zwei Bühnen gibt es allein auf dem Hansemarkt, das hat nichts mit der Hauptbühne hinter dem Jahrmarkt zu tun, wo abends Acts wie Brings und Martin Schulte auftreten. Und etwas abseits, am Rosengarten, zeigt die Hanse ihr Mittelalterliches Bild. Zeitsprünge heißt der Mittelaltermarkt, zu dem nicht nur die beliebten Kampfdemonstrationen, echte Eulen in beachtlicher Artenvielfalt und eine Druckerpresse gehören, sondern auch ein Stand über Walfang. Thomas Baumann greift zur Harpune und knüpft Kontakt zu den Leuten am Stand – Pont Neuf haben ein französisches Lied über einen „hübschen Walfänger“ im Repertoire und abends ist das Dinslakener Trio der Hauptact auf der Mittelalterbühne.
Zuvor jedoch leitet er den Shanty Chor Hiesfeld. Der tritt auf dem Hansemarkt auf, wie viele andere Shanty Chöre aus ganz Deutschland – das Image des Seehandels der Hanse prägt bis heute das Bild des Bundes, dessen meisten Städte im Binnenland lagen und liegen. Der Chor trifft auf Freunde, man kennt sich, tritt bei den Festivals der jeweils anderen auf. Ein Austausch, der bereits funktioniert. Was aus Dinslaken als Wieder-Hansestadt wird, entscheidet auch die kommende Generation. Die Youth Hanse mit ihrem internationalen Jugendaustausch spielt da eine entscheidende Rolle.
Chancen der Hanse - damals und heute
Die Hanse war im Mittelalter das Netzwerk von Handelsstädten von Brügge bis Nowgorod, sie ging aus städtischen Zusammenschlüssen in Westfalen mit dem Zentrum Dortmund, Köln mit seinen engen Handelsbeziehungen nach London und eben dem Raum Lübeck hervor. Man sicherte sich die Handelswege zu Land, zu Fluss und zu See. Letztere gewannen wegen des Fernhandels nach England, Skandinavien und dem Baltikum die große Strahlkraft, die bis heute das Image der Hanse prägt.
Heute liegen die Chancen der Hansestädte einerseits im europäischen Gedanken - Boston und Beverley überwinden als Hansestädte den Brexit - als auch im Netzwerken und im Erfahrungsaustausch gerade der kleineren und mittleren Hansestädte.