Dinslaken. Die Emschergenossenschaft wirft am Dinslakener Rotbachsee die Pumpen an – dem Rotbach und dem Biotop kann sie aber kurzfristig nicht helfen.
Der Pegel neben der Rotbachbrücke an der Gneisenaustraße beginnt bei „4“. Die „0“ ist von dem bedeckt, was bis vor kurzem noch Schlamm war und jetzt knochentrockener Boden ist. Wie ein Mahnmal hat jemand einen Teller mit einer Gummiente und Wasser für die Vögel ins ausgedörrte Bachbett gestellt. Der Rotbach ist teilweise ausgetrocknet – zum dritten Mal innerhalb von fünf Jahren. Das hat auch Folgen für einen ganz besonderen Ort: Das Biotop an der Straße Hinter den Kämpen. Hier gammeln tote Fische in der Sonne, wo sonst Gewässer ist.
Im Hitzesommer 2018 ist der Rotbach im Bereich der Innenstadt erstmals trocken gefallen. Mit bislang unbekannten Folgen. Der Bach ist laut Emschergenossenschaft/Lippeverband (EGLV), die das Gewässer betreuen, sehr artenreich: Im Bach tummeln sich Aale, Bachforellen, Gründlinge, Karpfen, Rotfedern, Stichlinge oder Flussbarsche. 2018 hoffte man beim Verband, dass der Winter Regen und damit das Leben zurückbringt. Der Regen kam – aber ob alle Lebewesen zurückgekehrt sind, vermochte der Verband nicht zu sagen. Denn der Rotbach war schneller wieder trocken, als die Fauna untersucht werden konnte: Im Folgesommer 2019 bot der Bach dasselbe traurige Bild.
Warum seit 2018 nichts passiert ist
Schon damals hat Ilias Abawi, Sprecher der Emschergenossenschaft, Regenwassereinleitungen als Maßnahme gegen die Austrocknung des Bachbettes genannt, weil sich der Rotbach nur von einer kleinen Quelle nähre. Das Projekt verfolge der Verband schon seit 2004: Wasser von versiegelten Flächen soll nicht in die Kanalisation, sondern ins Gewässer geleitet werden. „Aber das geht nicht mal so eben innerhalb eines Jahres“, sagt Abawi jetzt. Es müsse geprüft werden, welche Flächen sich eignen – Grundstücksbesitzer sind aufgerufen, sich beim EGLV zu melden. In einer Großstadt wie Essen mit vielen Parkplätzen und großen Dachflächen seien geeignete Grundstücke leichter zu finden als am Rotbach, so Abawi: „Da sind unsere Möglichkeiten relativ limitiert.“ Zudem gebe es erst seit diesem Jahr eine Förderkulisse.
Gemeinsam mit der Stadt Dinslaken wolle man „die sogenannte Schwammstadt etablieren“, so Abawi: Regen soll, „dort gespeichert werden, wo er vonnöten ist: im Boden“. Bis 2040 will der Verband 25 Prozent der Kanalisation abkoppeln, die Verdunstungsrate erhöhen und Gewässer besser beschatten, so Abawi.
Blaualgen: Pumpen sollen jetzt Rotbachsee umwälzen
Der aktuelle Zustand der Dinslakener Gewässer mahnt zur Eile: Nennenswerten Regenfall gab es im August noch nicht. Der Rotbachsee ist von Blaualgen befallen – hier wirft die Emschergenossenschaft nun doch vorsorglich die Pumpen an, um Sauerstoff ins Gewässer zu führen und die Fische zu retten. Der Rotbach liegt teilweise trocken. In Hiesfeld dümpelt zwar noch Wasser im Bachbett – aber für das Biotop „Hinter den Kämpen“, das vom Überlauf des Rotbachs lebt, reicht das nicht.
Das Biotop ist ein Kleinod mit einer „großen Artenvielfalt an Vögeln“, sagt Tom Huth aus Dinslaken. Ein Ort, den er immer wieder gerne besucht und fotografiert. Er hat die Stadt auf das Fischsterben aufmerksam gemacht. Vom See, der im Winter dort noch plätscherte, sind nur wenige Rinnsale und Pfützen geblieben. Fischkadaver liegen auf dem Trockenen oder treiben auf dem Wasser. Vor allem Hechte, sagt Huth, der Ähnliches auch in der Rheinaue beobachtet hat.
Kadaver werden entfernt
Anders als im Rotbachsee könne die Emschergenossenschaft hier nicht kurzfristig helfen. „Man darf nicht Fische von einem Gewässer ins andere transferieren“, bedauert Abawi. Und auffüllen lasse sich das Biotop auch nicht. Es fehle zu viel Wasser – und aus dem Rotbach könne man keines entnehmen, erklärt die Feuerwehr, die Dienstag vor Ort war. Die Emschergenossenschaft wird die Kadaver nun entfernen. Mehr könne sie nicht tun. Solange das Gewässer nicht komplett austrockne, können zumindest die kleinen Fische überleben, so der Sprecher.
Wird der Rotbach in zehn Jahren noch Wasser führen, Herr Abawi?
Es handele sich um Wetterextreme, „gegen die wir nicht geschützt sind“, so Abawi. Und, ja, Ursache sei der Klimawandel: „Das können wir jetzt sagen und in einigen Jahren können wir es beweisen.“ Es habe immer wieder einmal trockene Jahre gegeben. „Aber wenn sich abzeichnet, dass sich diese Extreme immer mehr wiederholen, dann haben wir ein Problem“, sagt er: „Es ist nicht mehr 5 vor 12, es ist mindestens schon 12 Uhr.“
Ob der Rotbach in zehn Jahren noch Wasser führt? „Ich denke schon,“ sagt Ilias Abawi – „aber ich denke, wenn es so weiter geht, dass wir hier häufiger südeuropäische Verhältnisse haben werden, wo in Sommern die Gewässerläufe völlig austrocknen.“