Dinslaken. Kultura versorgt viele Senioren mit Migrationshintergrund. Jetzt wurde die Treppe des Pflegedienstes angesägt - das war nicht der erste Vorfall.

Es ist ein kleines Wunder, dass hier niemand verletzt wurde: Die Treppe zum Eingang des kultursensiblen Pflegedienstes Kultura ist am Dienstagnachmittag zusammengebrochen, als eine Mitarbeiterin sie betrat. Vier massive Granitstufen, allesamt in der Mitte geborsten – und das ist kein Zufall. An der Treppe hat sich offenbar jemand zu schaffen gemacht. Die Polizei hat eine Anzeige wegen Sachbeschädigung aufgenommen. Yasimin Zorlu, Deutschtürkin und Geschäftsführerin von Kultura, befürchtet einen fremdenfeindlichen Hintergrund. Der Pflegedienst versorgt vor allem Menschen mit Migrationshintergrund – und wird schon seit längerer Zeit von Unbekannten attackiert.

Die Mitarbeiterin hat am Dienstagnachmittag gegen 14 Uhr „die erste Stufe genommen und dann ist das zusammengekracht wie Dominosteine“, berichtet Yasimin Zorlu. Zum Glück hat sich die Pflegerin nicht verletzt. Glück im Unglück, dachte man beim Pflegedienst zunächst und dass die Treppe des nicht mehr ganz neuen Hauses wohl aufgrund ihres Alters zusammengebrochen sei.

„Das kann so nicht kaputtgehen“

Aber dann „hat uns die Fachfirma gesagt, dass das durch Fremdeinwirkung passiert ist“, berichtet Yasimin Zorlu. Die Platten seien zu stabil, um einfach durchzubrechen. Außerdem seien sie von Metallbändern durchzogen und durch ein Gestell abgesichert: „Das kann so nicht kaputtgehen.“ Die Fachfirma habe so etwas noch nicht erlebt.

Die Einschätzung der Fachleute passt zudem zur Aussage eines Jungen, der am Dienstag das Unglück beobachtet hat – und den Mitarbeiterinnen von Kultura daraufhin sagte, dass er am Abend des Pfingstmontag jemanden gesehen habe, der an den Stufen gesägt hatte. „Wir waren unter Schock, die Mitarbeiterin hätte sich Gott weiß was brechen können.“ Mitunter sitze das ganze Team auf der Treppe und trinke Kaffee, oftmals kämen auch Senioren auf einen Kaffee vorbei oder um Blümchen zu bringen, sie hielten sich am Geländer fest. In der Aufregung haben die Mitarbeiterinnen vergessen, den Jungen nach seinem Namen zu fragen – dabei wäre er jetzt als Zeuge wichtig.

Eier geworfen, Radkappen abgeschraubt

Die 34-jährige Yasimin Zorlu hat den Pflegedienst 2018 gegründet. Zunächst befanden sich die Räume an der Küpperstraße. Schon dort wurden die Kultura-Autos nachts mit Eiern beworfen. Als sich der Pflegedienst im vergangenen Jahr vergrößerte – er hat mittlerweile 40 Mitarbeitende, darunter elf Auszubildende – und an die Sterkrader Straße zog, setzten sich die nächtlichen Attacken am neuen Standort fort: Radkappen wurden abgeschraubt, die Wagen mit Eiern beworfen.

Die Eierwürfe hat Yasimin Zorlu versucht, mit Humor zu nehmen – obwohl es sich dabei natürlich um ein Ärgernis und eine „Herabwürdigung“ handele: „Wir möchten uns für die exquisite Lackpflege bedanken! Eidotter soll ja wahre Wunder bewirken, aber bei den Lebensmittel-Preisen gehören Eier wohl doch eher auf den Frühstückstisch“, postete sie nach der letzten Attacke auf der Facebookseite von Kultura.

Die angesägte Treppe habe aber eine andere Qualität. Eigentlich wolle sie das „gar nicht so wahr haben“, aber vielleicht „hat das etwas mit dem kulturellen Hintergrund zu tun“, so die Geschäftsführerin. Der Täter müsse „auf jeden Fall jemand sein, der sich mit uns beschäftigt, unsere Abläufe kennt und uns ein Signal geben will“. Man habe „versucht, uns mutwillig zu schaden, in welchem Ausmaß, das hätte man sich ja ausmalen können“. Und, nein, mit den Nachbarn gebe es keine Probleme.

„Man möchte nicht paranoid werden“, sagt Yasimin Zorlu. Dennoch betreten die Mitarbeitenden des Pflegedienstes – viele mit Migrationshintergrund – den anderen Teil der zweigeteilten Treppe nun mit besonderer Vorsicht. Yasimin Zorlu hofft, dass keine weitere Attacken folgen.

>>> Zeuge wird gesucht

Die Mitarbeiter des Pflegedienstes Kultura hoffen, dass sich der Junge, der von der Sägeaktion berichtet hat, als Zeuge bei der Polizei (02064/6220) meldet. Er war blond, sommerlich gekleidet und hatte ein Fahrrad dabei. Auch andere Zeugen werden gebeten, Hinweise zu geben.

Der Pflegedienst Kultura will weiter expandieren. Im Sommer wird eine Immobilie in Hiesfeld zur Tagespflege umgebaut. Auch dort ist das Konzept kultursensibel. Unter anderem ist dort auch therapeutisches Kochen mit Gerichten aus der Heimat der Senioren geplant.