Voerde. Johannes Ernsting übernahm zum 1. Januar 2017 den Familienbetrieb. Erst wurde expandiert, dann konsolidiert. Und auch Corona wirkt sich aus.
Mit 27 Jahren wurde Johannes Ernsting ins kalte Wasser geworfen. Anfang 2017 übernahm er die Bäckerei. Geplant war es schon, aber nicht zu diesem Zeitpunkt. Heute blickt er auf fünf ereignisreiche Jahre zurück. Es gab viele Veränderungen, es kam die Corona-Pandemie und nun auch der Krieg in der Ukraine. Im Gespräch mit der NRZ blickt er auf die vergangene Zeit und erläutert die Veränderungen innerhalb des traditionsreichen Familienunternehmens.
In die Fußstapfen des Vaters getreten
Nach dem Abitur hat Johannes Ernsting eine Konditorlehre gemacht, legte anschließend die Meisterprüfung ab. Der Weg war klar, irgendwann sollte er den Familienbetrieb, die Bäckerei Ernsting übernehmen, in die Fußstapfen seines Vaters Ludger treten. Schneller als geplant war es der Fall, musste Johannes Ernsting, der noch zwei Geschwister hat, Verantwortung übernehmen. Damals, so erzählt er, gab es 18 Filialen, von denen 15 als Franchise-Unternehmen liefen. Es stand Ernsting über dem Eingang und es wurden Waren aus der Ernsting-Backstube verkauft, aber das Personal gehörte nicht zum Unternehmen.
Doch der eingeführte Mindestlohn führte dazu, dass sich diese Konstruktion für die Franchise-Nehmer nicht mehr rechnete. Die betroffenen Standorte wurden nicht aufgegeben, sondern unter der Ernsting-Flagge weitergeführt. Die Teams wurden übernommen. Bis dahin zählten zum Unternehmen nur wenige Verkäuferinnen. Und in dieser Zeit hatte Johannes Ernsting eine Entscheidung zu treffen: wachsen oder zurückziehen.
Ernsting-Ware gab es in Emmerich und Marl
Der Voerder setzte auf Expansion. Bis 2020 wuchs die Zahl der Standorte auf 26 an. Ernsting übernahm Ladenlokale, die von anderen Bäckern aufgegeben wurden. So wurde in Hiesfeld ein Café eröffnet, Ernsting-Ware gab es auch in Emmerich und Marl.
Die Ausrichtung damals war klar, so Johannes Ernsting. Das Unternehmen sollte weiter wachsen. In der Backstube an der Poststraße in Friedrichsfeld hatte man die Kapazitäten, um bis zu 40 Filialen beliefern zu können.
Dann kam die Corona-Pandemie. Bis dahin lagen drei Jahre hinter ihm, in denen Ernsting Vollgas gegeben habe. Nun gab es eine Neujustierung. Wollte man bislang in einem Umkreis von 50 Kilometern aktiv sein, reduzierte man ihn auf 25 Kilometer. „Wir haben gute Standorte aufgegeben“, sagt Ernsting.
Standorte wurden aufgegeben
Hinzu kam eine hohe Fluktuation beim Verkaufspersonal. „Während der Pandemie wurde klar, wie wichtig die Mitarbeiter sind.“ In Einzelgesprächen, die er mit den Mitarbeitern geführt hat, habe er gemerkt, wie weit er sich von ihnen und ihrem Leben entfernt hatte. Und das wollte er ändern, wieder näher an den Menschen sein.
Corona wirkte sich auf das Geschäft aus, der Verkauf ging weiter, aber die Cafés am Voerder Rathaus und in Dinslaken blieben geschlossen. Die Lebensmittelgeschäfte und somit auch die dort angesiedelten Bäckerei-Filialen hatten geöffnet, aber es kamen weniger Kunden. Der Umsatz ging zurück, die Fixkosten blieben aber.
Deshalb trennte sich Ernsting von einigen Filialen. Auch von der bei Edeka in Friedrichsfeld. An diesem Standort sei man so lange geblieben, bis ein Nachmieter gefunden worden war. Nun gibt es noch neun Filialen. Das sei die Anzahl, die man haben wolle, so Johannes Ernsting. Er sei froh, diesen Weg gegangen zu sein. Mitte vergangenen Jahres sei die Konsolidierung abgeschlossen worden. Aktuell sind es bei der Bäckerei Ernsting 65 Mitarbeiter, davon 15 in der Backstube (vor der Pandemie waren es mal 30) und der Rest im Verkauf.
Renaissance der Wochenmärkte
Corona führte aber auch dazu, dass Wochenmärkte eine Renaissance erlebten. Darauf hat die Voerder Bäckerei reagiert. Schon davor sei man auf Wochenmärkten vertreten gewesen, das sei aber mehr ein Zubrot gewesen. Gemeinsam mit seiner Schwester Hanna hat Johannes Ernsting die Firma „Handwerksbäckerei Ernsting“ gegründet. Sie organisiert seit Mitte 2020 die Auftritte des Unternehmens auf Wochenmärkten.
So war beispielsweise ein Ernsting-Verkaufswagen vergangenen Donnerstag in Möllen dabei. Wie berichtet, wurde der einzige Lebensmittelladen dort Ende Januar geschlossen. Als Ersatz gibt es seit Ende März Verkaufsstände auf dem Marktplatz. „Wir wurden in Möllen mit offenen Armen empfangen“, berichtet Johannes Ernsting. Und dafür müsse man nicht 50 Kilometer fahren, sondern nur zehn. Sehr gut laufe es auch in Spellen, dort gehört man zu den Händlern des Bauernmarktes.
Kunden kommen auch bei schlechtem Wetter
Drei Anhänger und drei Verkaufswagen gibt es mittlerweile, von dienstags bis samstags sei die Voerder Bäckerei auf Wochenmärkten in der Region vertreten. „Hier würde ich gerne weiter expandieren“, sagt Ernsting. Es sei ein anderes Verkaufen, die Verkäuferinnen seien nah am Kunden dran und sie würden auch bei schlechtem Wetter kommen.
Demnächst ist in den Bäckereien ein DRK-Brot erhältlich. Ein gewisser Betrag des Kaufpreises wird für die Unterstützung von Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, gespendet. Und auch Blutspender, die an einem DRK-Termin teilnehmen, sollen als Dankeschön ein kleines Brot erhalten.