Hünxe. Frauen backen, Männer werden König? Die Frauen des BSV Hünxe-Bruckhausen wollen die letzte Männerdomäne erobern: Das Recht auf den Königsschuss.

Wir schreiben das Jahr 2022. Vor 73 Jahren, im Jahr 1949, haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes den Gleichberechtigungsgrundsatz in Artikel 3 festgeschrieben: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“. Vor 65 Jahren, im Jahr 1957, hat der Bundestag nach langen Wehen das Gleichberechtigungsgesetz verabschiedet. Seit 2001 dürfen Frauen in der Bundeswehr Dienst an der Waffe verrichten. Und nun, im Jahr 2022, findet Geschlechtergerechtigkeit nicht nur zunehmend einen Weg in die Sprache – sondern auch in die Schützenvereine. Der BSV Hünxe und der BSV Oberlohberg etwa haben es vorgemacht, nun ist der BSV Bruckhausen 1730 an der Reihe: Am Freitag entscheidet die Mitgliederversammlung darüber, ob künftig auch Frauen die Königswürde erringen dürfen.

Königin - bislang nur an der Seite eines Königs

Das Schützenfest ist bei vielen Vereinen traditionell Männersache – abgesehen von der Bewirtung, natürlich. Frauen backen Kuchen, Männer schießen Scheiben. Auch in der fast 300-jährigen Geschichte des BSV Bruckhausen finden sich nur Könige – Frauen sind nur Königinnen an der Seite eines Königs. Das soll sich nach dem Willen einer Damengruppe aus dem Verein nun ändern. Denn dass die Frauen ein gutes Auge und eine ruhige Hand haben, demonstrieren sie seit Jahren bei Wettbewerben der Sportschützen – und Schützinnen. Auch im Vorstand sind sie vertreten. Also haben sie nun beantragt, die Satzung zu ändern. „Zum Erringen der Königswürde beim Schützenfest des Vereins sind nur männliche Mitglieder über 18 Jahre zugelassen“ heißt es da bislang. Die Frauen wollen „männliche Mitglieder“ gegen „alle Mitglieder“ tauschen lassen.

Auch Jens Geßmann, Oberst und 1. Vorsitzende des BSV Bruckhausen, hebt die Erfolge der Vereins-Schützinnen hervor. Außerdem wolle sich der BSV Bruckhausen weiter in Richtung Dorf öffnen, vor allem auch für junge Familien. Mitgliederschwund gebe es nicht, der Verein zählt 370 Mitglieder – „aber das Durchschnittsalter steigt“, so Geßmann. Dennoch befürworten nicht alle Mitglieder den Antrag der Damen, um die Königswürde schießen zu dürfen. Sie berufen sich laut Geßmann auf „Brauchtum und Tradition“. Bei der Mitgliederversammlung am Freitag (19.30 Uhr, Gaststätte Rühl) wird also eine rege Diskussion erwartet.

Und die Emanzipation der Männer?

Anderswo hat man(n) diesen Prozess schon hinter sich: 2019 beschlossen der BSV Hünxe, Frauen nicht nur das Tragen der Uniform zu gestatten, sondern sie auch zum Königsschießen zuzulassen. Beim ersten (und coronabedingt bisher letzten) Schützenfest nach diesem Beschluss errang mit Detlef Bergenthun dennoch ein Mann den Thron. Der BSV Friedrichsfeld lässt Frauen ebenfalls seit 2019 Frauen mitschießen - und prompt eroberte Astrid Ernst die Krone. Beim BSV Hiesfeld, einem der älteren Schützenvereine der Region, legen Frauen seit 2007 auf den Vogel an. Als Anita Kucklicks Name auf der Liste der Aspiranten vorgelesen wurde, „habe ich mir vor Aufregung ein paar Tränchen wegwischen müssen“, bekannte sie. Den Durchblick hatte sie trotzdem – und stach beim Schießen um die Königswürde den eigenen Lebenspartner aus. Beim BSV Einigkeit Holthausen wurde die entsprechende Satzung 2015 geändert, 2019 wurde Birgit Elmrich erste Königin. An ihrer Seite – nein, kein König: ein Prinzgemahl.

Als einer der wohl ersten Vereine der Region ließ der BSV Oberlohberg Damen an die Waffen: Frauen dürfen seit 1977 mitschießen und sind seither „nicht nur schmückendes Beiwerk der Männer und für das leibliche Wohl zuständig“, wie es auf der Homepage des Vereins heißt. Seit 1996 dürfen die Damen auch auf den Vogel und somit um die Königswürde schießen. Noch im selben Jahr wurde Gabi Hingmann regierende Königin. Seither werden „die Pfänder und auch der Rumpf, mal mehr mal weniger gerecht zwischen den Männern und Frauen aufgeteilt“ so die Damen auf der Homepage. „Auch bei der Vorstandsarbeit sind wir Frauen nicht mehr wegzudenken.“ Von den 400 Mitgliedern des Vereins seien 148 Frauen: „Was wohl zeigt, dass die Emanzipation auch den höchsten Punkt in Dinslaken erreicht hat“, wie es dort heißt. Nur die Emanzipation der Männer ist offenbar noch nicht in gleichem Maße fortgeschritten. Denn „die Sorge um das leibliche Wohl“, so die Homepage, „liegt immer noch fast ausschließlich in der Hand der Frauen“.

>>Blick über den Tellerrand

Beim Hünxer Gemeindepokalschießen, bei dem die Majestäten der Vereine der Kommune gegeneinander antreten, sind Frauen längst zugelassen. Auf Landesebene – beim Rheinischen Schützenbund – trägt mit Marion Niklas vom SSV Alsdorf aktuell eine Frau die Landeskrone. Auch beim Deutschen Schützenbund steht eine Schützin an der Spitze der Bundesschützenkönige/innen, wie es dort heißt: Melanie Nietschke aus Sinsheim.