Dinslaken. Die Wunderfinder bestehen seit fünf Jahren. Es sind längst nicht mehr nur Obdachlose, die der Verein am Bahnhof mit Lebensnotwendigem versorgt.

„Es gibt viele Gründe, warum jemand auf der Straße landet. Aber keinen einzigen, ihn nicht als Menschen zu behandeln.“ Vielleicht ist das, was Elke Schwienem am Freitag bei der Essensausgabe der Wunderfinder am Bahnhof Dinslaken sagt, genau die Einstellung, die die Seele des Vereins ausmacht – und auch seinen Erfolg. „Menschlichkeit, die ankommt“, ist der Leitsatz des Vereins. Die Wunderfinder Dinslaken, die sich unter anderem um die Obdachlosen am Bahnhof kümmern, konnten am Wochenende ihr fünfjähriges Bestehen feiern.

Am 12. März 2017 wurde der Verein gegründet. Nicht alle in Dinslaken waren von der Idee, die Obdachlosen am Bahnhof zu versorgen, begeistert: Die Stadtverwaltung und manche Institution verhielt sich zunächst reserviert. Die Essensausgabe am Bahnhof würde Obdachlose nach Dinslaken locken, fürchteten die einen, die Dinslakener Obdachlosen würden bereits versorgt, sagten andere.

„Für viele sind das Unpersonen“

Natürlich, sagt Bianka Lakomski, zweite Vorsitzende des Vereins und von Beginn an dabei: „Kein Mensch muss auf der Straße leben – theoretisch. Aber das Auffangnetz hat große Maschen und immer wieder fallen Leute durch.“ Jugendliche etwa, die von zuhause abhauen und mit 20 Jahren nur das Gesetz der Straße kennen, wie Helene Söll berichtet, Menschen, die aus unterschiedlichen eine oder mehrere falsche Entscheidungen getroffen haben. „Für viele sind das Unpersonen“, beschreibt Elke Schwienem. Für die Wunderfinder sind es Gäste.

„Ich bin kein Freund von Vorurteilen, sondern versuche mich hineinzudenken und zu spüren, wieso Menschen abdriften,“ erklärt der Vereinsvorsitzende Ludger Krey. „Bei meinem ersten Einsatz 2017 dachte ich sofort: So ein Leben sucht man sich doch nicht aus, oder?“ Wer häufiger dabei sei, kenne die Schicksale, wisse, wie die Menschen in die scheinbar ausweglose Situation geraten sind.

Auch Senioren und Alleinerziehende benötigen Hilfe

Und es sind längst nicht mehr nur die Obdachlosen, die die Wunderfinder zweimal wöchentlich am Bahnhof mit Essen, Kleidung, dem Nötigsten versorgen. Es sind auch Senioren, deren Rente am Ende des Monats nicht mehr zum Leben reicht, Alleinerziehende, denen es an Vielem fehlt und deren Kinder sich „dreimal für eine Tafel Schokolade bedanken, weil sie so etwas sonst eben nicht bekommen“, wie Ralf Lichtenstein berichtet. Auch sie sollten vom Staat versorgt sein – theoretisch.

Was die Wunderfinder motiviert

Die Dankbarkeit der Menschen, das Gefühl, gebraucht zu werden – das hält Elke Schwienem auch an diesem Abend an der Kaffeeausgabe trotz Rückenproblemen aufrecht und wird von vielen Wunderfindern als Antrieb genannt. „Ich mache das gerne, weil ich weiß, dass ich gebraucht werde. Mir geht es gut und möchte etwas weitergeben“, sagt Illona Jung und spricht dabei für viele ihrer Vereinskollegen.

Natürlich hat es in fünf Jahren auch Rückschläge gegeben, Todesfälle bei Obdachlosen etwa. Aber die positiven Momente überwiegen. Manchmal sind es große Augenblicke – wie die Schlüsselübergabe, wenn ein Obdachloser es zurück in vier eigene Wände geschafft hat, so Ludger Krey. Oder auch kleine Momente: Der kleine Junge, der bei einem der Ausflüge, die die Wunderfinder für Alleinerziehende und ihre Kinder organisieren, am Meer in Scheveningen stand und staunte: „So groß ist das Meer, Ludger.“ Oder der ältere Herr, der bei der Weihnachtsfeier die Weihnachtskugeln am Tannenbaum gestreichelt und Bianka Lakomskis Hand gegriffen hat, gemeinsam mit ihr in den Festsaal mit dem Buffet ging und vor Glück weinte, weil er essen durfte, was er wollte. „Die Tränen kullerten und ich hab gleich mitgeweint“, erinnert sie sie. Oder als am Freitag eine ältere Obdachlose auf Helene Söll zustürmte, ihr ein Foto ihres gerade geborenes Enkelchen zeigte. Es sind Augenblicke des Glücks – und der Menschlichkeit.

>>Unkraine-Hilfe

Ukrainische Menschen, die in Dinslakener Familien untergekommen sind und Kleidung etc benötigen können, können Montags zur Sammelstelle (Wilhelm Lantermannstr. 58a) kommen (0152/14597459).

Real verkauft zudem bis 19. März Spendenkisten für die Wunderfinder – die die Kisten dann der Ukraine-Hilfe Hiesfeld übergeben.