Voerde. Sabine Friemond legt mit „Tendering“ ihren dritten in Voerde spielenden Krimi vor. Ungewollt zählt eine echte Familie zum Kreis der Verdächtigen.
Tiefe Abgründe tun sich auf in der Stadt am Niederrhein. Ein wahrlich mörderischer Ort – erst Spellen, dann Friedrichsfeld, jetzt Möllen – Sabine Friemond kann das fiktive Morden einfach nicht lassen. „Voerde besteht aus vielen Ortsteilen, das bietet Raum für mannigfaltige Geschichten“, sagte sie bei der Vorstellung ihres dritten Buches. Mit „Tendering“, dem Krimi mit Lokalkolorit um die evangelische Pastorin Christin Erlenbeck und ihren Ehemann, Polizeihauptkommissar Freddie Neumann, taucht der Leser wieder ein in die mörderische Fiktion einer Sabine Friemond. Wieder spielt die Historie eine Rolle, dieses Mal dreht sich alles um Betty Tendering von Haus Ahr. Oder besser ausgedrückt, ihre fiktiven Nachkommen und die von Tillmann Klein, dem einstigen Pächter auf Haus Ahr. „Ähnlichkeiten mit lebenden Persönlichkeiten sind rein zufällig“, sagt die Autorin.
Oder gewollt, denn wenn die Voerder Lyrikerin Ingrid Hassmann nicht ein Theaterstück um Betty Tendering auf die Bühne gebracht hätte, wäre der Mord an ihrer Hauptdarstellerin Lena erst gar nicht geschehen. Hat die Lyrikerin vielleicht...? „Nein, ganz bestimmt nicht“, sagt diese und lacht: „Ich wollte als Figur nur dann auftreten, wenn ich nicht die Mörderin bin.“ Das wäre geklärt, aber wer ist dann für die Morde verantwortlich, denn bei einem Verbrechen bleibt es natürlich nicht lange.
Die Auftritte von realen Voerdern machen diese Krimis so liebens- und lesenswert, stößt man doch immer wieder auf Bekannte oder Freunde. So finden Sabine Friemonds Tochter Charlotte und ihr Freund Patrick die tote Lena am Tenderingsee. Bernd Benninghoffs Tipp führt schließlich in die richtige Richtung und auch Fabian (Merker) ist noch immer ein Freund der fiktiven Laura aus dem Band „Teufelskuhle“. Inzwischen ist Laura bei der Polizei und hilft mit bei der Suche nach dem Mörder. Verdächtige gibt es viele: Da wäre die Familie Klein, Nachkommen der Pächterfamilie. Obwohl sich Margarete Klein damit nicht abfinden kann und Hassmanns Geschichte um Betty Tendering als Lüge bezeichnet. Sie wäre die wahre Nachfahrin der berühmten Voerderin, so behauptet sie in ihrem Wahn. Aber macht sie das auch zu einer Mörderin? Denn da ist auch noch Anna Tigler, die ursprünglich für die Rolle der Betty vorgesehen war und tatsächlich mit ihr verwandt ist.
„Es macht unheimlichen Spaß, Familienbande aufzuschlüsseln,“ erzählt Sabine Friemond, auch wenn sie in diesem Fall fiktiv sind. Denn über Nachfahren von Betty Tendering ist nichts bekannt. „Irgendwann habe ich aufgehört, darüber zu recherchieren. Ich wollte ja keinen historisch korrekten Roman schreiben, sondern einen Krimi“, sagt die Autorin. Allerdings gibt es sehr wohl Nachkommen von Tillmann Klein, wie die Autorin nach Erscheinen des Kriminalromans erfuhr. Voerdes Bürgermeister Dirk Haarmann ist mit einer Nachfahrin verheiratet, Sabine Friemond ging sogar mit ihr und ihrem Bruder in die Schule. „Es tut mir leid, aber unser inzwischen verstorbener Heimatforscher Hermann Klein hat mir einmal erzählt, dass er einst im Pächterhaus von Haus Ahr aufgewachsen ist“, bemerkt Ingrid Hassmann zerknirscht bei einem Rundgang zu den Tatorten des Romans. Das hatte sie ganz vergessen der Autorin gegenüber zu erwähnen. Welch ein Glück, denn ob der Roman ob dieser Tatsache so erschienen wäre?
Doch wie kommt man auf die Idee, einen Krimi rund um Betty Tendering zu entwickeln? „Betty Tendering war in Voerde eigentlich nicht gut angesehen“, berichtet Sabine Friemond. „Sie war viel unterwegs, entsprach so gar nicht dem Frauenbild der damaligen Zeit, war lange Zeit nicht verheiratet und von Männern umschwärmt. Da fiel es leicht, ihr so einiges nachzusagen“, erklärt die Autorin weiter. Tendering-Kennerin Ingrid Hassmann bestätigt die Ausführungen. „Dabei machte sich Betty gar nichts aus ihrem Verehrer Gottfried Keller.
Aber er war ein berühmter Dichter und schon machte das für die Umwelt auch Betty interessant.“ Wirklich bemerkenswert, so die Lyrikerin, sei der Briefwechsel mit Georg Weerth gewesen, der sie auf seine Reisen mitnehmen wollte. Warum Betty schließlich den Brauereibesitzer Heinrich Tigler heiratete, bliebe ihr ein Rätsel. „Ich habe Ingrids Unterlagen studiert, einiges zu Haus Ahr gelesen und zu Bettys Berliner Zeit“, erzählt Sabine Friemond. „Ich hatte Spaß daran, den verwandtschaftlichen Verhältnissen nachzugehen, neue zu erfinden und sie miteinander zu verknüpfen und so eine völlig neue Geschichte aufzuzeichnen.“ Betty Tendering und Haus Ahr entpuppten sich als wahre Fundgrube. „Ich wollte einen historischen Hintergrund den Lesern über eine leichte Lektüre wieder ins Gedächtnis rufen“, sagt sie.
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Bereits „Hochbahn“ und „Teufelskuhle“ hätten bei ihren Lesern Anklang gefunden, Christin Erlenbeck und Freddie Neumann seien den meisten ans Herz gewachsen, aber vor allem das Lokalkolorit begeisterte. Die evangelische Pfarrerin Christin geht in diesem Roman gar nicht so draufgängerisch ans Werk, ist sie doch hochschwanger. Im Hintergrund allerdings geht sie Spuren nach und kommt zeitgleich mit ihrem Mann dem wahren Mörder auf die Spur, was beinahe tödlich für Christin ausgegangen wäre.
Der Roman ist für 13 Euro in allen Buchhandlungen erhältlich, insbesondere bei Mila Becker (Buch & Präsent) in Friedrichsfeld und in der „Lesezeit!“ von Sabine Friemond in Voerde. Hier wird auf Wunsch sogar von der Autorin signiert.