Dinslaken. Was hat Priorität: Die Nöte von Wohnungssuchenden – oder von Anliegern? Darüber diskutierte die Politik. Es ging um Baupläne am Baßfeldshof.
Was ist wichtiger: Die Sorgen von Wohnungssuchenden? Oder von Anliegern? Um diese Frage ging es am Donnerstagabend im Planungsausschuss. Anlass war ein Bebauungsplan, der bereits seit 2017 Thema in den politischen Gremien in Dinslaken ist: Auf zwei Grünflächen am Stadtbad und am Baßfeldshof sollen vier Gebäude mit insgesamt 72 Wohnungen vor allem für Senioren und junge Familien entstehen – ein Drittel davon als geförderter, sozialer Wohnraum. Anwohner laufen dagegen Sturm. Die SPD beantragte nun, den Baubeschluss auf Oktober zu verschieben – sie habe noch Diskussionsbedarf.
Das ist geplant
Die Stuttgarter Covivio Immobilien GmbH, die etwa 900 Wohnungen in Dinslaken hat, will auf der Wiese Am Stadtbad – gegenüber der Schule – drei viergeschossige Gebäude mit jeweils 19 Wohnungen und am Wendehammer am Baßfeldshof ein zweigeschossiges Mehrfamilienhaus mit 15 Wohnungen bauen. In der Nachbarschaft stehen vier- bis achtgeschossige Häuser, die ebenfalls der Covivio gehören. „Wir wollen bedarfsgerecht bauen – bei unserer Planung orientieren wir uns deshalb an den Bedürfnis der Wohnungssuchenden in Dinslaken. Wir beabsichtigen daher den Großteil der Wohnungen speziell für ältere Menschen und junge Familien zu errichten“, erklärt das Unternehmen auf Anfrage der NRZ. Ein Drittel der Wohnungen sind – das sehen auch die Vorgaben des Landes vor – als geförderte Wohnungen geplant.
Das decke sich „grundsätzlich mit den städtebaulichen Entwicklungszielen der Stadt Dinslaken“, so die Stadtverwaltung. In Dinslaken fehlen laut Handlungskonzept Wohnen bis 2030 insgesamt 1850 Wohnungen. Und der demografische Wandel sei auch in Dinslaken spürbar, so die Stadt. Dabei spiele die „Schaffung von Wohnraum für die ältere Bevölkerung eine wichtige Rolle“. Dabei „wächst unter anderem der Wohnungsbedarf an kleinen, bedarfsgerechten, bezahlbaren, häufig geförderten Wohneinheiten.“ Auch für junge Familien möchte die Stadt „bedarfsgerechten Wohnraum anbieten“.
So argumentieren die Anlieger
Anwohner und Eigentümer am Baßfeldshof, am Stadtbad und an der Augustastraße haben gegen die Pläne 147 Unterschriften gesammelt. Sie wehren sich gegen den Wegfall der Grünflächen. Statt dessen entstehe dort eine minder attraktive „Hochhaussiedlung“, in der sich „sozial stabile“ Bürger nicht ansiedeln. Der Bereich würde sich zu einer sozial schwachen Wohnsiedlung entwickeln, zudem würden schon jetzt Parkplätze fehlen. Ein älterer Herr meldete sich in der Sitzung zu Wort. Er sammele täglich eimerweise Müll in der Nachbarschaft auf, wenn mehr Häuser gebaut würden, verschärfe sich das Problem.
Die Stadt lässt diese Argumentation nicht gelten. „Die Befürchtung, durch die Planung werde es zu sozialen Verwerfungen kommen, wird nicht geteilt. Es ist nicht erkennbar, dass durch die Festsetzungen des Bebauungsplanes eine Verschlechterung der sozialen Verhältnisse im Blumenviertel befördert wird,“ so die Verwaltung. Auch würden viele Grünflächen im direkten Umfeld erhalten bleiben.
Das sagten Politik und Verwaltung
Stefan Buchmann, Ratsherr der CDU und Vorsitzender des Ausschusses, brachte der Widerstand der Anlieger auf die Palme. Die Argumente der Anwohner hielt er für vorgeschoben. Die Anlieger wollten lediglich keine Sozialfälle in der Nachbarschaft haben, meinte er. Es handele sich, so argumentierte auch Dieter Holthaus (Linke), um eine „Stigmatisierung“ von Menschen, die aufgrund ihrer Arbeitsverhältnisse oder Renten Probleme hätten, eine Wohnung zu finden. Er forderte 40 statt 30 Prozent geförderten Wohnraum an der Stelle. Dazu allerdings, so Dr. Thomas Palotz, Planungsdezernent und Beigeordneter, könne die Stadt die Covivio nicht zwingen – ebenso wenig wie zu den von den Grünen in der Sitzung vorgeschlagenen obligatorischen Photovoltaikanlagen.
„Wir reden wir immer nur über Ängste und Nöte von Leuten, vor deren Haustür neue Wohnungen entstehen sollen. Die Menschen, die keinen Wohnraum finden, haben keine Stimme“, warf er der Politik vor. Das Verfahren laufe seit Jahren, der Bebauungsplan sei wiederholt im Planungsausschuss diskutiert worden. Für eine Verdichtung der Wohnbebauung sei die Stelle optimal. „Wie oft will die Politik noch zögern, wenn es Widerstände gegen eine Wohnbebauung gibt?“, fragte der Dezernent.
Der Ausschuss folgte dem Antrag der SPD, den Bebauungsplan ein weiteres Mal zu schieben. Nun soll der Baubeschluss in der Ratssitzung am 5. Oktober fallen.