Dinslaken/Voerde/Hünxe. Die 15-jährige Paula Drost aus Dinslaken berichtet von ihren Erfahrungen während der Pandemie: „Für Monate keinen geregelten Tagesablauf mehr.“
Wegen der hohen Corona-Zahle n gibt es seit Anfang November wieder Einschränkungen. Am Montag wurde über noch strengere Regeln diskutiert. Es blieb am Ende bei einem dringenden Appell. Wie haben Jugendliche und junge Erwachsene die vergangenen Monate erlebt, worauf haben sie verzichten müssen? Die NRZ hat sich bei Jugendlichen und Jugendhäusern in Dinslaken und Voerde umgehört.
„Für drei oder vier Monate hatte man gar keinen geregelten Tagesablauf mehr“, berichtet die Schülerin Paula Drost aus Dinslaken . Die 15-Jährige ist sonst immer viel unterwegs gewesen: Nähschule, Fußballtraining, Treffen mit Freunden und Veranstaltungen im Jugendzentrum P-Dorf standen neben der Schule unter anderem auf der Tagesordnung. Doch durch Corona änderte sich alles.
Dinslakener Familie: Steine bemalen statt Fußball spielen
Nicht nur, dass zunächst der Unterricht in der Schule ausfiel, auch die Freizeitaktivitäten fielen weg. „Im Fußballverein ist erstmal alles ausgefallen. Wir haben vom Trainer zwar Workouts für zu Hause bekommen und sollten auch joggen gehen, aber das hat man dann auch nicht so wirklich gemacht“, meint Paula. Besonders schlimm war für sie, dass der direkte Kontakt zu diversen Freunden komplett weg fiel.
Für Paulas Mutter Melanie Drost ist klar: „Kinder und Jugendliche waren die größten Verlierer in dieser Situation.“ Die meisten Erwachsenen hätten mit der Arbeit noch einen strukturierten Alltag gehabt, doch für die Kinder sei alles plötzlich weggefallen, meint Melanie weiter. „Nach den ersten Wochen ist Paula in ein richtiges Tief gefallen“, berichtet sie.
Doch die Familie sorgte für Alternativen. „Wir haben hier zu Hause ganz viel gespielt, richtige Monopoly -Nächte haben wir veranstaltet“, erzählt Melanie. Die Familie bekam sogar Familienzuwachs zu Beginn der Corona-Pandemie: Zwei Zwergkaninchen zogen ein. „Das sind quasi Corona-Karnickel. Es war gar nicht so einfach, welche zu dieser Zeit zu bekommen“, erzählt Paulas Vater Dirk Drost.
Auch das Sammeln und Bemalen von Pottsteinen ist zu einem gemeinsamen Hobby der Familie geworden. „Wir waren für das Sammeln viel draußen unterwegs, mit dem Fahrrad oder zu Fuß. Statt Fußball und Nähschule sind wir raus und haben Steine gesammelt“, berichtet Melanie.
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Zwar fiel die Nähschule, die Paula sonst seit vier Jahren jeden Freitag besucht, in den ersten Monaten der Pandemie aus, doch mit dem Nähen hatte sie zu Hause trotzdem viel zu tun. „Ich habe ganz viele Masken genäht. Am Anfang war es natürlich besonders viel. Ich saß oft den ganzen Abend bis ein Uhr an der Nähmaschine“, erzählt die Schülerin.
Veranstaltungen im Jugendzentrum P-Dorf in Dinslaken, in dem Paula regelmäßig die Naturgruppe besucht, fielen ebenfalls zunächst aus. Doch die Mitarbeiter ließen sich Alternativen einfallen: „Die Jugendleiter sind mit dem Fahrrad rumgefahren und haben uns Aufgaben gebracht, beispielsweise einen Holzwürfel als Intelligenzspiel“, berichtet Paula.
P-Dorf in Dinslaken: So veränderte Corona die Arbeit
Ebenfalls seien an manche Jugendliche Geschenkpakete verteilt worden, erzählt Ben Brunswick , der im P-Dorf arbeitet. „So konnten wir auch sehen, ob zu Hause alles in Ordnung ist“, sagt der Pädagoge.
Bis zum Mai blieben die Jugendzentren geschlossen, danach konnten sich die Jugendlichen wieder vor Ort treffen, allerdings mit bestimmten Maßnahmen, erzählt Brunswick. Um den vorgeschriebenen Abstand einzuhalten, mussten Möbel verrückt werden. „Das war dann schon ziemlich ungemütlich, da alles so weit auseinander stand“, berichtet Brunswick von der Situation.
Alles läuft dort nun mit vorheriger Anmeldung und aufgeteilten Gruppen, erklärt Ramazan Kaya , der ebenfalls im P-Dorf arbeitet. Auch privat erlebt der 23-Jährige Einschränkungen im Alltag. „Feiern oder im größeren Freundeskreis rausgehen fällt komplett weg“, erzählt er.
Auf ein Projekt, das schon vor Corona begonnen und währenddessen zu Ende geführt wurde, ist Brunswick besonders stolz: Zusammen mit den Jugendlichen wurde ein Terrarium gestaltet. „Das Projekt hat allerdings noch mal eine ganz andere Bedeutung bekommen“, erzählt der Pädagoge. Auf dem Grund des Terrariums sind mehrere Muscheln zu sehen: „Jedes Kind, das eine Gewalterfahrung zu Hause gemacht hat, hat dort dafür eine Muschel reingelegt“, erklärt er. Seiner Ansicht nach, seien die Gewalterfahrungen in den Haushalten mancher Jugendlicher während der Pandemie gestiegen.
Juz in Voerde: Direkten Kontakt zu Jugendlichen gesucht
Auch Patrick Kraska, stellvertretender Leiter des Jugendhauses Juz in Voerde , sieht besonders die bedürftigeren Jugendlichen, die mehr Begleitung brauchen als andere, in diesen Zeiten untergehen. Es sei viel schwieriger, die Jugendlichen zu erreichen. „Daher haben wir in den vergangenen Monaten auch viel mobile Jugendarbeit betrieben und haben draußen den direkten Kontakt zu den Jugendlichen gesucht“, erzählt Kraska.
Für die offene Jugend- und Kultureinrichtung, bei der man normalerweise spontan dazustoßen kann, haben die strengen Auflagen das eigentliche Konzept etwas durchkreuzt, berichtet er weiter. „Wir mussten für die Nachverfolgbarkeit formeller werden und mit Voranmeldungen sowie reduzierten Besucherzahlen arbeiten“, erklärt Kraska. Doch trotzdem ist er zuversichtlich: „Wir versuchen immer im Rahmen der Möglichkeiten weiter zu machen.“
Das sagen Menschen aus Dinslaken und Umgebung zur neuen Auflage
Mit der Auflage , nur noch einen Freund oder Freundin zu treffen, will die Bundeskanzlerin eine weitere Einschränkung für Kinder und Jugendliche einführen . Wir haben dazu die Meinung unserer Follower auf Facebook und Instagram erfragt. Hier sind einige Stimmen:
„Warum wieder unsere Kinder? Auf der Arbeit trifft man sich mit vielen Personen und dann ist es in Ordnung?“ ( Nathalie Hamacher ); „Halte ich für unverhältnismäßig. Um Ansteckung zu vermeiden, sollte erst mal dafür gesorgt werden, dass Schüler nicht mehr mit den morgens überfüllten ÖPNV fahren müssen“ ( Monika Büttner ); „Mit gesundem Menschenverstand sind meine Kinder schon selbst auf die Idee gekommen, die Anzahl der Treffen mit verschiedenen Freunden möglichst gering zu halten.“ ( Norbert Bruckermann ); „Da wird sich sicherlich kaum jemand dran halten“ ( Miriam Plasa ); „Weniger Kontakte gleich weniger Ansteckung“ ( priyas_bakery2020 ).