Voerde. Die Voerder Landwirte Hendrik Mömken und Ingo Hülser müssen im dritten Hitzesommer in Folge Futter für ihre Tiere zukaufen.
Die lange Hitzewelle macht an diesem 17. August eine kleine Pause. Mensch, Tier und Natur können zumindest kurz verschnaufen, denn die nächsten heißen Tage sind da schon wieder im Anmarsch. Der Himmel hat am Vortag den so lange herbeigesehnten Regen geschickt. „Das war gestern der erste nennenswerte Niederschlag seit etwa fünf Wochen“, resümiert Hendrik Mömken, stellvertretender Ortslandwirt in Voerde. Der 26-Jährige sitzt an jenem 17. August mit Ingo Hülser und Tochter Luisa auf deren Terrasse in Ork, von der aus der Blick auf trockene, verdörrte Wiesen und teils bereits braune Blätter tragende Bäume fällt. Ein vor dem Zaun angebrachtes Messbehältnis, in dem sich der Niederschlag gesammelt hat, zeigt 13 Millimeter an – was 13 Litern pro Quadratmetern entspricht, wie Luisa Hülser erklärt.
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Der Regen aber wird schnell zum Tropfen auf den heißen Stein, wenn die Hitze bleibt: Bei 30 Grad verdunste der Niederschlag innerhalb von eineinhalb Tagen, erklärt Hendrik Mömken, der sich wie seine Kollegen dennoch über jeden Tropfen freut. Das Jahr 2020 brachte den nun dritten Hitzesommer in Folge, unter dem Mensch, Tier, Natur und eben auch die Landwirtschaft ächzen. Die Dürre macht das Anpflanzen von Futtermitteln für das gehaltene Vieh schwierig. Die Hülsers und ihr Nachbar Mömken berichten, dass ihnen durch die Trockenheit zwei komplette Grasschnitte fehlen. Waren es sonst im Jahr vier bis fünf, seien es höchstens drei. „Den ersten Schnitt, der eigentlich als Winterfutter gedacht war, verfüttern wir schon jetzt auf den Weiden“, sagt Ingo Hülser, der in Teilzeit als Maschinenbautechniker bei einer Firma in Duisburg tätig ist. Das Gras wachse überhaupt nicht mehr nach.
Schon Ende Mai habe er die Gerste auf seinem Feld abmähen und daraus Silage für die Tiere machen müssen, um überhaupt etwas zum Füttern seiner Limousin-Rinder zu haben. Regulär wäre die Gerste erst Ende Juni abgedroschen worden, erläutert er.
Folge: Ingo Hülser und sein Kollege müssen Futter, etwa von aufgegebenen Betrieben zukaufen, um ihr Vieh satt zu bekommen – was mit erheblichen Mehrkosten verbunden sei. Denn: „Je höher die Nachfrage, desto höher der Preis“, erklärt Luisa Hülser, die in Soest Agrarwirtschaft studiert. Hendrik Mömken wird angesichts der schwierigen Situation, die mit lang anhaltenden Dürrephasen einher geht, seinen Tierbestand deutlich reduzieren: Neben den 150 Milchkühen wird er im Laufe der nächsten zwei Jahre nur noch 100 statt 150 Stück Jungvieh halten. Ingo Hülser hält mit seinen Limousin-Rindern eine reine Fleischrasse, die „genügsamer“ ist und nicht „so hochwertiges Futter“ benötigt wie die Milchkühe.
Lang anhaltende Hitze ist auch für die Tiere eine Belastung. „Ab 25 Grad fressen sie weniger. Und durch die geringere Futteraufnahme sinkt der Milchertrag“, erklärt Hendrik Mömken. Um seinem Vieh ein wenig Erfrischung an heißen Tagen zu bescheren, hat der 26-Jährige einen Rasensprenger unter die Decke im Stall gehängt, unter dem sie sich eine kleine Dusche gönnen können. Die Rinder von Ingo Hülser haben die Möglichkeit, am Rheinufer zu weiden und sich im Fluss die gewünschte Abkühlung zu holen.
Landwirte: Periode anhaltender Trockenheit setzte 2020 früher ein
Das Problem des lange fehlenden nennenswerten Niederschlages hat sich nach Berichten der Landwirte in diesem Jahr früher als sonst eingestellt: Eine Periode anhaltender Trockenheit habe dieses Mal bereits im März eingesetzt, vorher erst im Mai, erklärt Hendrik Mömken. Ein weiteres Phänomen, das sich in der Folge negativ auf die Böden auswirkt, ist, dass es im Winter keinen längeren Dauerfrost gegeben habe. Dadurch kann sich die Feuchtigkeit im Boden ausdehnen, der dann gelockert wird. Die Pflanzen finden somit in den tieferliegenden Bodenschichten Wasser und Nährstoffe.
Die Äcker und Weiden während solcher Hitzesommer für den Futterwuchs zu bewässern, ist für die Hülsers und Hendrik Mömken, dessen Hof 400 Meter weiter nördlich von ihrem steht, aufgrund der hohen Kosten keine Option. Außerdem stellt sich die Frage, ob es dadurch nicht zu Problemen mit dem „sehr niedrigen“ Grundwasser käme, gibt Luisa Hülser zu bedenken.
In Anbetracht der zunehmenden Wetterextreme – Hitzewellen, Dürren, Sommerstürme, die Forscher dem Klimawandel zuschreiben – erwägt die 20-Jährige, den landwirtschaftlichen Hof der Eltern auch im Nebenerwerb weiterzuführen und als erstes Standbein eine Tätigkeit auf Behördenebene anzustreben.
Ein Berufswechsel kommt für Hendrik Mömken nicht in Frage, da er „so viel investiert“ habe. Für den 26-Jährigen, der zum 1. Mai den Hof des Vaters übernommen hat, ist der Beruf Landwirt Berufung. „Das ist mein Ding“, erklärt der junge Mann aus tiefster Überzeugung. Sicher, die Wetterextreme machten das Dasein nicht einfacher und bereiteten auch ihm Sorge. Angst aber habe er nicht. Mömken spricht von „neuen Herausforderungen“.
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Die eigenen Möglichkeiten, die er und seine Berufskollegen haben, sind gleichwohl begrenzt. Aus seiner Sicht gilt es etwa, die Fruchtfolge auf die Gegebenheiten hin anzupassen, bei den Pflanzen auf wassereffizientere Sorten zu setzen oder Mais zu pflanzen, der früher reif wird, da dann noch das für die Ausbildung des Kolbens erforderliche Wasser eher vorhanden ist.